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Späte Ehrung für Hans Graf v. Lehndorff in Polen

Published On: November 25, 2023Categories: Aktuelles, Historie

Dr. Horst Willer (November 2023)

Gegen Ende des letzten Krieges und noch in der Folgezeit in seiner ehemaligen Heimat Ostpreußen unzähligen Menschen in ihrer bitteren Not als Arzt und überzeugter Christ zu helfen, zur Seite zu stehen und wieder Hoffnung zu spenden, empfand Hans Graf v. Lehndorff als seine selbstverständliche Pflicht. Dafür wurde er und in Erinnerung an seine guten Werke im Juli 2022 in der polnischen Gemeinde Langgut in einem Festakt sowie mit der Enthüllung einer Gedenktafel für ihn in dem dortigen Gotteshaus geehrt.

Vielen Freunden des Trakehner Pferdes dürfte  Hans Graf v. Lehndorff  kein Unbekannter sein. Zumindest sind sie sowie auch seine ostpreußischen Landsleute ihm in seiner biografischen Literatur, in seinen weithin bekannten Büchern mit den Titeln „Menschen, Pferde, weites Land“ und „Ostpreußisches Tagebuch“, begegnet.

Erfüllte Kind- und Jugendzeit auf dem Land und mit den Pferden

Hans Graf v. Lehndorff wurde 1910 in Graditz/ Torgau geboren, wo seine Vater Siegfried Graf v. Lehndorff das preußische Haupt- und Vollblutgestüt Graditz leitete.  1922 wurde der Senior als Landstallmeister nach Trakehnen  berufen, wo in der Folgezeit die vier Söhne  eine unbeschwerte und frohe Kind- und Jugendzeit verleben konnten

In der Nachkriegsperiode war nicht mehr das  schnelle und leichte Militärpferd gefragt, sondern mehr das etwas kräftigere umgängliche Wirtschaftspferd, das mühelos seine Arbeit auch in der Landwirtschaft verrichten konnte. Der Aufgabe einer erneuten Verstärkung des Trakehner Pferdes musste sich kein Geringerer als Landstallmeister Siegfried v. Lehndorff stellen. Diese Herausforderung hat er unter strikter Wahrung des Reinzuchtprinzips grandios gemeistert. Mit  den Hauptbeschälern Dampfross, Tempelhüter, Pirat, Jagdheld und Ararad, um nur einige zu nennen, gelang ihm die gewünschte Umformung in relativ kurzer Zeit.

Die fünf Söhnen Elhard, Georg, Hans, Meinhard und Heinfried gingen in dem sprichwörtlichen Paradies der Pferde voll in den vielfältigen Möglichkeiten, den Reitsport auszuüben, auf. Hans Graf v. Lehndorff schildert in seinen Erinnerungen nicht nur sehr anschaulich, wie sie nicht nur mit großer Begeisterung auf den Jagden hinter der Meute querfeldein geritten sind, sondern auch an den traditionellen offiziellen Jagdrennen in Trakehnen teilgenommen haben.

Für Hans Graf v. Lehndorff kam es schon 1932 zu einer Zäsur in seinem Lebensweg. Nicht nur mit der Abberufung seines Vaters und der Neubesetzung des Leitung in Trakehnen durch Dr. Ernst Ehlert, sondern auch durchseine Entscheidung, Medizin zu studieren, zunächst in Berlin und später auch in München, eröffneten sich für ihn ganz neue Horizonte. In seiner Ausbildung zum Chirurgen konnte er in der Folgezeit in seine Heimat Ostpreußen als Assistenzarzt nach Insterburg zurückkehren.

Im Jahr 1933 vier Söhne (v.l.n.r. Heinfied, Hans, Georg und Elhard) des Landstallmeisters Siegfried Graf v. Lehndorff beritten auf Pferden des Hauptgestüts Trakehnen

 

Gefordert als Arzt und evangelischer Christ

Vermutlich geprägt durch die absolut kritische Haltung seiner Mutter   Maria, geb. v. Oldenburg- Januschau, gegenüber dem Nationalsozialismus   schloss er sich der evangelischen Bekennenden Kirche und dem inneren Widerstand  gegen den NS- Staat  an. Wie über sehr viele seiner Landsleute brach dann auch über ihn das unsägliche Unheil des  schrecklichen Kriegsendes  herein. Er musste die Schlacht um Königsberg erleben und  wie schließlich die Rote Armee die Stadt einnahm. Dabei leistete er bis zur Erschöpfung in den Lazaretten seinen ärztlichen Dienst. Er versorgte ungeachtet der jeweiligen Person Verwundete und Kranke sogar in Bunkern und Kellern. Schließlich versuchte er in jener trostlosen und chaotischen Zeit den Menschen mit Bibellesungen und Andachten wieder ein Funken Hoffnung zu wecken

Im Oktober 1945 verließ er Königsberg in Richtung Osterode im westlichen Ostpreußen dort in den Orten Rosenberg, Biesellen, Grasnitz und Langgut erlebte er in den Nachkriegswirren ebenfalls eine entbehrungsreiche Zeit. Auch hier gewann er durch seine vielfältigen ärztlichen und wohltätigen Dienste schnell die Herzen vieler Menschen, die jeder auf seine Weise, ob Flüchtling oder Einheimische, unter den bitteren Folgen des grausamen Krieges litten. Im November 1945 hielt Hans Graf v. Lehndorff seinen ersten Gottesdienst in der Kirchgemeinde in Langgut, einem kleinen Dorf, das heute zu der Woiwodschaft Ermland- Masuren gehört.

 

Festakt zur Erinnerung an Hans Graf v. Lehndorff im Juli 2022 in der Kirche in Langgut( Polen)  

Gedenktafel für Hans Graf v. Lehndorff in der evangelischen Augsburgischen Kirche in Langgut( Polen)

 

Späte Ehrung

Sein uneigennütziger und völkerverbindender Einsatz zum Wohl aller Menschen hatte sich in jener Region so in das kollektive Gedächtnis eingegraben,  dass in Erinnerung an ihn im Juli 2022 unter Teilnahme zahlreicher Ehrengäste eine spezielle Gedenkfeier mit der Enthüllung einer persönlichen Gedenktafel in der Kirchengemeinde Langgut stattfand. Auf der zweisprachigen Gedenktafel, die im Vorraum des Gotteshauses in Langgut angebracht ist, ist u. a. Folgendes zu lesen: „Hier versorgte und half er Deutschen, Masuren und Polen.“ In späteren Kommentaren hieß es „und Russen“ müsste noch hinzugefügt werden. Auch die gehörten ehemals zu seinen Patienten. Eine Reihe namhafter Ehrengäste würdigten die außergewöhnlichen Verdienste von Hans Graf v. Lehndorff für die Region, so der Bischof der Diozöse Masuren der Evangelisch- Augsburger Kirche in Polen, der Präses der Subkommende Polen des Johanniter Ordens Warschau und der Vorsitzende der deutschen Gesellschaft in Moringen (Polen). Einige wenige noch lebende polnische Zeitzeugen konnten ihre Erinnerungen an den Geehrten an dessen Sohn Carl Graf v. Lehndorff weitergeben, der aus Deutschland zu dieser Gedenkfeier nach Langgut gekommen war.

Hans Graf v. Lehndorff verließ erst im Jahr 1947 seine Heimat Ostpreußen. Seine Familie hatte bereits ein schlimmes Schicksal ereilt. Die Mutter war 1944 von den Nationalsozialisten wegen ihrer “staatsfeindlichen“ Gesinnung inhaftiert worden. Auf der Flucht in den Westen wurde sie zusammen mit ihrem ältesten Sohn 1945 ermordet. Zwei Brüder waren bereits an der Kriegsfront gefallen. Hans Graf v. Lehndorff fand später bis zu seinem Tod im Jahr 1987  in Bad Godesberg seine Erfüllung als Arzt, Klinikleiter und Seelsorger. Auch in der Nachkriegszeit blieb er  den Menschen in  der polnischen Region Osterode treu und leistete als Angehöriger des Johanniterordens  mit Hilfstransporten dort vielfältige humanitäre Hilfe.

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