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Reitpferdezucht als Immaterielles Kulturerbe anerkannt

Published On: Juni 1, 2022Categories: Aktuelles

Dr. Horst Willer (März 2022)

Großer Erfolg: Trakehner Reitpferdezucht als “Immaterielles Kulturerbe“ anerkannt

Bekanntlich gilt auch in diesem Fall: Was lange währt, wird endlich gut. Zur Freude der Freunde und Liebhaber des Trakehner Pferdes wurde nun Anfang März in den entsprechenden Institutionen und Organisationen über den Antrag positiv entschieden. Die Trakehner Reitpferdezucht gilt fortan als schützenwertes und zu pflegendes “Immaterielles Kulturerbe“. Der Antrag des Trakehner Verbandes wurde mit Unterstützung der Stiftung Trakehner Pferd zunächst beim Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft in Schleswig – Holstein eingereicht, sodann an das Expertengremium der deutsche UNESCO-Kommission der Kultusministerkonferenz zur weiteren Prüfung weitergeleitet Auf der Basis deren Empfehlung haben sich dann die Kultusministerkonferenz und die Beauftragten für Kultur und Medien für die Aufnahme der Trakehner Zucht in das entsprechende bundesweite Verzeichnis entschieden.

In diesem Jahr wird die Trakehner Rasse 290 Jahre alt. Damit ist sie die älteste Reitpferderasse Deutschlands. Die Trakehner Zucht lässt sich genetisch lückenlos auf die Gründung des Preußischen Hauptgestüts Trakehnen zurückführen. Diese geschah im Jahre 1732 durch königlich preußische Anordnung Während ursprünglich die edlen Trakehner als Militärpferde dienten, sind sie heute beliebte Begleiter des Menschen in der Freizeit und im Sport. Dabei sind in der Vergangenheit zahlreich Trakehner Pferde mit ihren Reitern/innen zu olympischen Ehren gekommen Für den Trakehner Verband dürfte nun das besondere Qualitätssiegel “Immaterielles Kulturerbe“ erneut Ansporn sein, diese traditionsreiche Reitpferderasse in Reinzucht und in ihrer besonderen rassespezifischen Ausprägung weiterhin zu fördern.

Der Trakehnenverein seinerseits sieht sich durch diese Auszeichnung in seinem schon drei Jahrzehnte währenden erfolgreichen Engagement um die Erhaltung des kulturellen Erbes in Trakehnen, des ehemaligen Preußischen Hauptgestüt und der Wiege der Zucht des edlen Reitpferdes mit der Elchschaufel, bestätigt.

H. Kowahl, Erster Kutscher des Trakehner Fahrstalles, mit seinem Rappen-Viererzug im Gelände. Foto: Bildarchiv Lilli Roth

Das Hauptgestüt Trakehnen nach der Wende


Gehen wir mehr als dreißig Jahre zurück, als am Ende des “Kalten Krieges“ endlich wieder Reisen in den russischen Teil Ostpreußens möglich wurden. Die Berichte der ersten Besucher waren wehmütig und enttäuschend. Dass Trakehnen nun die offizielle Ortsbezeichnung Jasnaja Poljana trug war nur eine Äußerlichkeit. Auch, dass auf den weitläufigen Weiden Trakehnens seit Kriegsende keine Pferde mehr weideten, war bereits im Westen bekannt. Aber nur wenig von dem, was die Größe, den Glanz und die Einmaligkeit jenes Paradestücks der Preußischen Gestütsverwaltung ausmachte, war noch übriggeblieben oder nur noch in der Grundstruktur und in Spuren sichtbar.

Aus der ehemaligen Sowchose in Jasnaja Poljana war nach der Wende eine Agrargenossenschaft entstanden. Deren Rindviehbestände waren in den noch teilweise vorhandenen aber baufälligen ehemaligen Stuten-und Fohlenställen sowie dem legendären Jagdstall mehr schlecht als recht untergebracht. Die Sommerresidenzen der Hauptbeschäler konnten nur noch in ihren Grundmauern ausgemacht werden. Welch` Lichtblick: Das Trakehner Tor, das Landstallmeisterhaus sowie das Reitburschenhaus, deutlich gezeichnet durch den Zahn der Zeit, hatten gottlob überdauert Dies war zunächst tröstlich. Insofern waren der überall sichtbar abbröckelnde Putz, der fehlende Turm, die verrotteten Fenster und die schadhaft gewordenen Dächer zunächst zweitrangig Auf einem kleinen Fußballplatz hinter dem Trakehner Schloss tummelten sich täglich viel Jugendliche. Sie gehörten zu der Haupt- und Mittelschule, die bereits nach Kriegsende in dem Landstallmeisterhaus eingerichtet worden war.

Schnell erkannten namhaften Repräsentanten des Trakehner Verbandes, dass hier Handlungsbedarf bestand. Es galt, alles daran zu setzen, das Trakehner Schloss, in dem 12 Landstallmeister residierten und die Geschicke des traditionsreichen Hauptgestüts geleitet hatten, als einzigartiges Kulturdenkmal der Nachwelt zu erhalten. So kam es auf Initiative der Herren v. Lenski und Lars Gehrmann 1993 zusammen mit der Stiftung Trakehner Pferd und der Kreisgemeinschaft Ebenrode/ Stallupönen zur Gründung des Vereins der Freunde und Förderer des ehemaligen Hauptgestüts Trakehnen e. V.. Schon bald entwickelte sich zwischen der Schulleitung, der Lehrerschaft und den örtlichen Behörden einerseits und dem Führungsgremium unseres Trakehnenvereins anderseits ein vertrauensvolles Klima guter Zusammenarbeit.

Landstallmeisterhaus im jämmerlichen Zustand Mitte der 80-er Jahre. Foto: Archiv Trakehnenverein

Trakehnen ist wieder eine Reise wert

So wurden an den Gebäuden nach und nach umfangreiche bauliche Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt, angefangen bei der Trockenlegung der Grundmauern, dem Einbau neuer Fenster, der vollständigen Erneuerung der Dächer bis hin zur Renovierung der Fassaden und Innenräume. So mussten aber auch ein Teil der Baumaterialien, wie Original-Biberschwänze, Unterspannbahnen und Zink- und Kupferbleche rechtzeitig von Deutschland nach Trakehnen gebracht werden. Ohne großzügige Einzelspenden, insbesondere der Tietze-Stiftung, und öffentliche Zuwendungen, für die wir sehr dankbar sind, wäre dieser bauliche Kraftakt nicht möglich gewesen.

Dafür, dass nun das Trakehner Schloss wahrlich wieder in neuem Kleid erscheint, sind das Lehrerkollegium, die Schüler und deren Eltern dem Trakehnenverein überaus dankbar. Der Trakehnenverein hat sich auch immer wieder um ein besseres und verständnisvolleres Miteinander von Russen und Deutschen bemüht. Diesem Ziel dient vor allem der bereits vierzehnmal stattgefundene deutsch/russische Schüleraustausch.

Stolz können wir auch darauf sei, dass es gelungen ist, im Hauptgebäude ein kleines Museum einzurichten. Dort können die immer zahlreicher werdenden Besucher aus aller Welt noch unmittelbar vieles von der Größe und Einmaligkeit des ehemaligen Hauptgestüts Trakehnen, dem sprichwörtlichen Paradies der Pferde, erfahren. Es galt mit seinen 6.000 ha, seinen 1.200 Pferden auf 16 Gutshöfen oder Vorwerken über mehr als zwei Jahrhunderte als Paradestück der Preußischen Gestütsverwaltung.

Im Jahr 2007 konnte auf Einladung der Schulleitung und unter Beteiligung des Trakehnenvereins und zahlreicher Gäste aus ganz Europa in Trakehnen erstmalig wieder nach dem 2. Weltkrieg das 275-jährige Gründungsjubiläum des ehemaligen Hauptgestüts gefeiert werden. Nicht zuletzt ist dies Grund genug, weitere Denkmal sichernde Maßnahmen anzugehen, so die Wiedererrichtung des Turms auf dem Trakehner Schloss und die Ausgestaltung des bereits erweiterten Museums. Viele Menschen, die jenes ehemalige sprichwörtliche Pferdeparadies in jüngerer Zeit besucht haben, sind besonders erfreut darüber, dass eine weitere Nachbildung des legendären Tempelhüters nun wieder seit September 2013 auf seinem angestammten Platz vor dem ehrwürdigen Trakehner Schloss steht. Dieser lobenswerte Tatbestand geht auf eine Initiative des Vereins “Hilfe für Trakehnen“ zurück.

 

Landstallmeisterhaus nach seiner umfassenden Sanierung vor 10 Jahren. Foto: Archiv Trakehnenverein

 

Der “Neue Tempelhüter“ im Park vor dem Landstallmeisterhaus. Foto: Archiv Trakehnenverein

Was wäre das ehemalige Ostpreußen ohne seine edlen Trakehner Pferde

Trakehnen mit seinen edlen Pferden mit dem Brandzeichen der einfachen siebenzackigen Elchschaufel hat im Laufe der Geschichte Symbolcharakter für das ehemalige Ostpreußen erlangt. So fehlen in keinem bedeutenden Bildband über das ehemalige Ostpreußen einige wunderschöne Bilder über das damalige Pferdeparadies Trakehnen. Bereits in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts widmete der Schriftsteller Rudolf G. Binding dem Hauptgestüt Trakehnen ein Buch mit dem Titel “Das Heiligtum der Pferde“. Die ehemalige Herausgeberin der Wochenzeitschrift “Die Zeit“, Marion Gräfin Dönhoff, hat Trakehnen noch aus eigener Anschauung gekannt. Wie sehr Sie sich den Pferden mit der Elchschaufel verbunden gefühlt hat, wird daran deutlich, dass sie wunderbare Artikel mit dem Titel “Trakehnen – Das Paradies der Pferde“ veröffentlicht hat. Darin berichtet sie ausführlich, angereichert mit mehreren Bildern, über das edle Gestüt und dessen Flucht aus der ostpreußischen Heimat. Auch der Autor des berühmt gewordenen “ Ostpreußischen Tagebuchs “ Hans Graf v. Lehndorff beschreibt in seinem späteren Buch “ Menschen, Pferde, weites Land“ das legendäre Gestüt Trakehnen, wo er einen Teil seiner Jugendjahre verbracht hat. Dem begeisterten Pferdemann und Hippologen Hans Joachim Köhler verdankt die Nachwelt in Verehrung und Würdigung des Trakehner Pferdes zwei Publikationen “Tempelhüter, Symbol der Trakehner Pferdezucht und des Landes Ostpreußen“ (1975) und “Trakehnen erleben- Eine Reise durch Nord- Ostpreußen“ (1992). In der jüngeren Vergangenheit ist ein weiteres Buch der Engländerin Patricia Clough, Korrespondentin der Times und des Independent in Deutschland, erschienen mit dem Titel “In langer Reihe über das Haff“, in dem sie, basierend auf historischen Quellen, eindrucksvoll die Flucht der Trakehner aus Ostpreußen beschreibt In diesem Zusammenhang soll eine prophetische Aussage jenes Hans Joachim Köhler nicht unerwähnt bleiben, die aus seiner Rede stammt, die er anlässlich der Enthüllung der Kopie des Tempelhüter-Standbildes im Verdener Reiterstadion gehalten hat: “Der Festakt und das Tempelhüter-Denkmal nun in Verden stimmen wehmütig, aber dennoch auch versöhnlich durch das Bewusstsein, dass Trakehnen und Tempelhüter weiterlebt in den Pferden seines Blutes überall in der Welt.“

Allen Mitgliedern des Trakehnenvereins und seinen Führungsgremien in Vergangenheit und Gegenwart sei an dieser Stelle für ihr unermüdliches und treues Engagement vielmals gedankt. Dennoch bleibt auch künftig noch viel zu tun.

 

Blick auf das Landstallmeisterhaus. Foto: Bildarchiv Ostpreußen

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