Ostpreußische Remonten- ihnen
ging stets ein guter Ruf voraus
Schon in frühgeschichtlicher
Zeit wussten die Menschen die Pferde für ihre
kriegerischen Auseinandersetzungen zu nutzen. Denken wir
nur an den Einsatz der römischen Kampfwagen oder später
die verheerenden Feldzüge solcher Reitervölker wie
Mongolen oder Kosaken. Der kämpferische Vorteil mit
Pferd und Wagen oder als Reiter auf wendigen Pferden lag
in der hohen Mobilität, der Schnelligkeit und
Durchschlagskraft.

Trakehner
Pferde im Vielseitigkeitssport erfolgreich wie eh und je
- Leistung liegt in den Genen -
Die Trakehner Reitpferdezucht
kann im verflossenen Jahr auf große Erfolge
zurückblicken. Kürzlich veröffentlichte die World
Breeding Federation for Sport Horses (WBFSH) die
Ranglisten der weltweit erfolgreichsten Vererber in den
olympischen Disziplinen Dressur, Springen und
Vielseitigkeit. Danach hat sich der Trakehner Hengst
Grafenstolz v. Polarion- Camelot- Arogno im Jahr 2020 als der
weltweit erfolgreichste Vererber für den
Vielseitigkeitssport, die als Krone der Reiterei gilt,
hervorgetan.

Cancara -
Liebling aller Freunde des Trakehner Pferdes
Der “Sankt Georg“ hatte
wieder einmal eine Ostpreußenreise ausgeschrieben.
Nahezu fünfzig pferdebegeisterte Personen aus dem In-
und Ausland hatten sich für eine Teilnahme gemeldet. Auf
dem Programm standen neben dem Besuch der Städte
Königsberg und Insterburg, der Besichtigung des
Hauptgestüts Trakehnen, des Landgestüts Georgenburg und
der Privatgestüte Lenken, Kallwischken, Weedern und
Samonienen.

Ein Besuch in
Trakehnen im Jahr 1938
Am Ende des “Kalten
Krieges“ im Herbst 1991 war es endlich möglich, wieder
in den russischen Teil Ostpreußens zu reisen. Für
Freunde des Trakehner Pferdes sollte nun ein
sehnlichster Wunsch, das ehemalige preußische
Hauptgestüt Trakehnen und was davon übrig geblieben ist
in Augenschein zu nehmen, in Erfüllung gehen. Einer der
ersten, der sich mit einer Gruppe Gleichgesinnter im
Herbst 1991 auf eine Fahrt nach Trakehnen begab, war
Hans Joachim Köhler, dem es vergönnt war, bereits als
Einundzwanzigjähriger anlässlich eines Aufenthalts dort
im Jahr 1938 das sprichwörtliche Paradies der Pferde
kennen zu lernen.
Diesem begeisterten Pferdemann
und Hippologen verdankt die Nachwelt in Verehrung und
Würdigung des Trakehner Pferdes zwei Publikationen
“Tempelhüter, Symbol der Trakehner Pferdezucht und des
Landes Ostpreußen“ (1975) und “Trakehnen erleben - Eine
Reise durch Nord-Ostpreußen“ (1992), wobei erstere einer
großartig gelungenen Hommage darstellt, hingegen der
wehmütig anmutende Reisebericht einem Requiem
gleichkommt. Der folgende Besuchsbericht aus dem Jahr
1938 von Hans Joachim Köhler basiert auf entsprechenden
Veröffentlichungen im Reiter und Fahrer Magazin, in Heft
1 (1956) mit dem Titel „ Am Anfang und am Ende steht die
Zucht“ sowie in Heft 1 (1964) mit dem Titel “In
Trakehnen geboren“

Hans Joachim Köhler
Quelle:
Hannovers Edles Warmblut 1975-1982, Herausgegeben vom
Verband Hannoversches Warmblut, Band 5, S.95
Impressionen
Wenden wir uns nun nach
Trakehnen, das uns noch heute und sicherlich auch noch
für eine Ewigkeit mit einer unwiderstehlichen Atmosphäre
umfängt.
1938…… Wir gehen vom Schloss,
dem Sitz des Landstallmeisters, über den Neuen Hof,
vorüber am Zwinger der Meute, hinüber zum Jagdstall, zu
den Gebäuden der Hengstprüfungsanstalt, zur Reithalle,
kommen kurz vor der Rodup-Brücke an der “Wartburg“,
einem der Sommerställe der Hauptbeschäler, vorbei -
beobachten den betagten Schimmelhengst Cancarra in
seinem Paddock - sehen linker Hand Wirtschaftsamt und
Kasse und den Hauptspeicher mit einem Fassungsvermögen
von 40.000 ztr. Getreide.

Blick vom Turm des
Landstallmeisterhauses auf den Neuen Hof
Dann geht es den Alten Hof
entlang. Hier ist die Fuchsherde untergebracht. Vor uns
liegt danach der Ackerhof und dann beginnt das Reich der
Hauptbeschäler. Es sind Träger klangvoller und bekannter
Namen, die hier das Leben eines Paschas zu führen
scheinen. Nur im Sommer residieren sie hier und eine
kurze Zeit im Winter. Schon im Dezember gehen sie auf
die Vorwerke zu den Herden. Zu beiden Seiten der Allee,
die zu dem Hauptbeschälerstall hinführt, befinden sich
die Wohnungen der Gestütswärter und etwas seitlich
dahinter sind die vier Paddocks, jeder für 2 bis 3
Hengste eingerichtet, zu sehen. Hohe Steinmauern und
Tannenhecken fassen die Laufgärten ein und verhindern
jede Störung und Beunruhigung von außen.

Der Hauptbeschälerstall
Da sind der Rapphengst Ararad
und sein vielfacher züchterischer Partner Phytagoras,
wohl der bedeutendste Vererber der jüngeren Zeit. Sein
Vater ist Dampfross und seine Mutter Pechmarie, die von
Tempelhüter stammt, Namen, die auch in breiten Kreisen
der Bevölkerung bekannt sind und immer wieder
ehrfurchtsvoll genannt werden. Hinter einer Tannenhecke
wird im Auslauf sichtbar der Fuchshengst Poseidon. Etwas
weiter entfernt tummelt sich Hyperion. Und dann kommen
wir zu Hirtensang, Kupferhammer und Pilger. Tiefschwarz
leuchtet Polarstern herüber. Sehr übermütig zeigen sich
die beiden jüngeren Hauptbeschäler Tyrann und Termit.
Etwas weiter stehen die Vollblüter: Paradox, der in
Altefeld geborene Marduck, der in Westerhaus von Frau V.
Opel gezogene Masaniello, der Schlenderhaner Ariolo und
schließlich der aus dem polnischen Hauptgestüt Janow
stammende Schimmelhengst Fetyzs.

Ein Junghengst im Auslauf
des Hauptbeschäler- Paddocks
Quelle: Rudofsky, Hubert: Trakehner, Schwarz –
Bildbücherei, 41 Bildtafeln, Hans Schwarz Verlag (1965),
S.39
Bei Eintritt des Frostes werden
die Hengste im Hauptbeschälerstall zusammengezogen.
Unmittelbar an den Hauptbeschälerstall ist die Reit- und
Bewegungshalle angebaut. Sehenswert ist das Museum im 1.
Stock des Stalles, in dem sich u.a. Skelette berühmter
Vererber, wie Optimus, Perfektionist, Teichrose und
Tempelhüter ausgestellt sind. 20 Hauptbeschäler und 350
Mutterstuten bilden durchschnittlich den Bestand an
Zuchtmaterial. Mehr als 200 Absatzfohlen, 200 Jährlinge,
200 Zweijährige wachsen in den Jahrgängen heran. Dann im
dritten Jahr gehen 50 Hengste nach einjährigem Training
in der Hengstprüfungsanstalt in die ostpreußische
Landespferdzucht an die Gestüte Georgenburg, Braunsberg,
Rastenburg und Marienwerder. Dieselbe Zahl an Jungstuten
dient der Verjüngung des Mutterstutenbestandes im
Hauptgestüt und die übrigen Pferde werden dem Trakehner
Jagdstall oder Fahrstall überwiesen.

Lageplan des Hauptwerks
Trakehnen
Quelle: H. J. Köhler:Trakehnen erleben - Eine Reise
durch Nordostpreußen, Pferde Welt – Verlag, Verde ,
1992,S.28
Wir wandern weiter kommen am
Hotel “Elch“, dem geselligen Mittelpunkt dieses
wunderbaren Ortes, vorbei, das im Gestütsareal liegt,
passieren Schleuse und Karpfenteich und sehen wieder das
Schloss vor uns, vor dessen vorderen Parkseite das
Bronzestandbild des Tempelhüter aus einem Meer von
Blumenrabatten hinüberschimmert. Hier in der Residenz
des Landstallmeisters laufen alle Fäden zusammen.
Das wirtschaftliche
Umfeld
Wir haben nur einen Teil von
Trakehnen gesehen. Um es ganz kennen zu lernen, müssten
wir weitere 15 Vorwerke besuchen, von denen
beispielsweise Neu- Kattenau 15 km entfernt vom Ort
Trakehnen liegt. So ist das Hauptgestüt mit seinen 6 000
ha zugleich ein riesiger Wirtschaftsbetrieb, der im
einzelnen 2 890 ha Acker, 2 470 ha Wiesen und Weiden,
200 ha Wald und weitere 440 ha Gärten, Deputatland,
Parks, Wege, Gewässer sowie bebaute Flächen umfasst. Zur
Organisation und Struktur dieses Unternehmens liest man
im „ Führer durch das Hauptgestüt Trakehnen“ noch
Folgendes: Die 15 Vorwerke werden von 8
Wirtschaftsinspektoren betreut, die einem Oberamtmann
als verantwortlichem Leiter der Landwirtschaft
unterstehen. Zum oberen Führungsbereich gehören zwei
Gestütsveterinäre, zwei Gestütsassistenten sowie ein
Oberrentmeister. Die Gesamtleitung obliegt dem
Landstallmeister. Bei den Stutenherden führt je ein
Stutmeister die Aufsicht. Der Trakehner Jagdstall
untersteht einem Sattelmeister, die jungen Fohlen-
Jahrgänge auf den Vorwerken je einem Oberwärter. Darüber
hinaus sind im Gestüt 75 Gestütswärter, 65
Gestütshilfswärter und Reitburschen und ca. 40
Angestellte für Gestüt und Landwirtschaft tätig.

Gesütswärter Otto Bormann
bei der Fuchsherde auf dem Alten Hof
Quelle: Walter Franz: Im Lande der Pferde - Trakehnen ,
Grenzland Verlag 1937, S.80
Der Personalbestand der
Landwirtschaft umfasst 350 Landarbeiter, 330 Deputanten/
Saisonarbeitskräfte, 71 Handwerker. Zum
landwirtschaftlichen Betrieb gehören 450 warmblütige
Ackerpferde, 150 Zugochsen, 350 Stück Weide- und
Mastvieh, drei Herdbuchherden mit 190 Milchkühen sowie
zwei Schafherden mit 400 Mutterschafen. Dazu kommen
insgesamt noch mehrere Hunderte private Nutztiere der
Arbeiter und Angestellten.
Mensch und Tier leben in
Trakehnen in enger Verbundenheit. Die rührende
Sorgsamkeit der Stutmeister und Wärter, die Arbeit und
das große Einfühlungsvermögen der Reitburschen, die hohe
berufliche Kompetenz der Landstallmeister und
Veterinäre- alles basiert auf solidem Fachwissen und
großem Verständnis für die Wesensart des Pferdes. In
Trakehnen gibt es Gestüts- und Arbeiterfamilien, die
seit der Gestütsgründung dort ansässig sind. Dies
erklärt das hohe Maß an Verbundenheit und Verantwortung
dieser Menschen mit allem bzw. für alles, was mit dem
Gestüt und den Pferden zu tun hat.
H.J. Köhler ein
Enthusiast Trakehnens und seiner Pferde
Hans Joachim Köhler war
Kriegsteilnehmer, zuletzt Major und Abteilungskommandeur
in der Kavallerie-Division Fhr. v. Boeselager. Nach
Kriegsende wurde er freier Mitarbeiter des Verbandes
Hannoverscher Warmblutzüchter. Auf H.J. Köhler hat das
Hauptgestüt Trakehnen während seines ganzen Lebens immer
wieder eine magnetische Anziehungskraft ausgeübt. So
haben u.a. die legendären Trakehner Auktionen Pate
gestanden für die ersten hannoverschen
Reitpferdeauktionen, die H.J. Köhler Anfang der 50-er
Jahre wieder in Verden eingeführt hat. Jene Auktionen
waren für H.J. Köhler der Maßstab und klares Vorbild. In
das Vorbereitungstraining wurde bewusst die Galopparbeit
auf der Verdener Rennbahn mit einbezogen. Dem Käufer
sollten wie in Trakehnen leistungserprobte Elitepferde
angeboten werden, über deren inneren und äußeren
Eigenschaften verlässliche Beurteilungen vorlagen und
die auch zuvor von den potentiellen Käufern ausprobiert
werden konnten. Wie aus der Vergangenheit allgemein
bekannt ist, war dieses Konzept für den Hannoverschen
Verband und alle Nachahmer eine Erfolgsgeschichte.
Darüber hinaus hat H. J. Köhler in den 50-er und 60-er
Jahren, als es um die Umstellung vom Wirtschafts- auf
ein modernes Reitpferd ging, zu deren Veredelung aktiv
den Einsatz wertvoller Trakehner Hengste in der
Hannoverschen Reitpferdezucht gefördert. So fanden schon
bald Abglanz v. Termit- Poseidon, Semper Idem v.
Dampfross- Parcival und Lateran v. Helikon- Fetyzs bei
den Hannoverschen Züchtern großen Anklang.
v.%20Helikon-%20Fetyzs.jpg)
In strahlender Pose:
Lateran (Trak.) v. Helikon- Fetyzs
Bildprospekt des Verbandes Hannoverscher
Warmblutzüchter, 1962
Die beiden ersten konnten eigene
weitverzweigte Hengstlinien begründen und alle drei
Orginal- Trakehner lieferten in Serie eine Vielzahl
erfolgreicher Turnierpferde. H. J. Köhler wusste aus
eigener Anschauung um die Vererbungskraft und –
qualitäten dieser edlen und züchterisch konsolidierten
Rassevertreter.
%20v.Termit-Parcival.jpg)
Spitzenvererber der
Hannoverschen Reitpferdzucht Abglanz (Trak.) v.
Termit-Poseidon
Quelle: H. Sting, Celle , 1956
Hoch erfreut sind wir, wenn wir
bei einem Besuch des Deutschen Pferdemuseums in Verden
am Eingang den Zwillingsbruder des berühmten Tempelhüter
sehen, wie er dort in seiner ganzen Schönheit und Kraft
plastisch vor uns steht. Es ist der erste existierende
Abguss des Originals, den es nach jahrelangen Bemühungen
von H. J. Köhler gelang, 1974 aus Moskau nach Verden zu
holen. Viele Spender und ein Mäzen, der damals im
Galopp- und Rennsport engagierte Waldemar Zeitelhack,
haben es ermöglicht, der damaligen UdSSR die
Herstellungs- und Transportkosten in Dollar zu
erstatten. Die Feierlichkeiten zur Enthüllung des
“doppelten“ Tempelhüter fanden vor 10000 Menschen im
Verdener-Reiterstadion statt. H.J. Köhler fand zu jenem
Ereignis folgende Worte:“ Der Festakt und das
Tempelhüter-Denkmal nun in Verden stimmen wehmütig, aber
dennoch auch versöhnlich durch das Bewusstsein, dass
Trakehnen und Tempelhüter weiterlebt in den Pferden
seines Blutes überall in der Welt.“
Dr.
Horst Willer (Oktober 2020)
Erinnerungen an Trakehnen werden immer wach bleiben
Die Trakehner Pferde
haben als lebendes Kulturgut überlebt und nach Flucht
und Vertreibung in allen Teilen der Welt als beliebte
Sportpferde große Verbreitung gefunden. Da das
Hauptgestüt Ende des Krieges nahe der russischen Grenze
in einer Hauptkampfzone lag, wurden durch massive
Kriegseinwirkungen 60 bis 70% der Gebäude fast
vollständig zerstört. Ein Wiederaufbau durch die neuen,
sowjetischen Landesherren unterblieb. Auch die Weiden,
Wiesen und Äcker, die einst durch ein umfassendes
Entwässerungssystem eine einmalige Kulturlandschaft
darstellten, fielen der Devastation anheim. Mit anderen
Worten: Von dem ehemaligen traditionsreichen Hauptgestüt
ist bedauerlicherweise nur ein verschwindend kleiner
Teil der Nachwelt erhalten geblieben.
Das Trakehner Schloss, das
Trakehner Tor, das ehemalige Reitburschenhaus und die
Turnhalle, ehemals die Alte Reithalle, erscheinen nach
vielfältigen baulichen Erneuerungsarbeiten wahrlich
wieder in neuem Glanz. Getreu dem Motto „Der Tradition
verpflichtet und der Zukunft zugewandt“ hatte sich unser
“Verein der Freunde und Förderer des ehemaligen
Hauptgestüts Trakehnen e. V.“, auch Trakehnenverein
genannt, das Ziel vor gut 25 Jahren gesetzt, in enger
Kooperation mit den dort lebenden Menschen jene Gebäude
dieses einzigartigen Kulturdenkmals der Nachwelt zu
erhalten. Die Identifikation des Lehrerkollegiums und
der Schülerschaft mit dem historischen Erbe ist
bewundernswert. So ist auf Anregung und mit
Unterstützung des Trakehnenvereins ein kleines Museum im
Hauptgebäude entstanden, das den Besuchern Einblicke in
die ruhmreiche Vergangenheit Trakehnens geben soll.
Viele Menschen, die jenes
ehemalige sprichwörtliche Pferdeparadies in jüngerer
Zeit besucht haben, sind besonders erfreut
darüber, dass eine weitere Nachbildung des legendären
Tempelhüters nun wieder seit September 2013 auf seinem
angestammten Platz vor dem ehrwürdigen Trakehner Schloss
steht. Dieser lobenswerte Tatbestand geht auf eine
Initiative des Vereins “Hilfe für Trakehnen“ zurück.

Trakehnen heute - die
200 Jahre alte Eiche ziert noch heute den dem Trakehner
Schloss vorgelagerten Park
Foto: privat
Zunehmend mehr Menschen aus der
ganzen Welt sind immer wieder von dem Mythos Trakehnen -
ehemaliges Paradies der Pferde mit der Elchschaufel,
Paradestück der Preußischen Hauptgestüte, erstes
Leistungszentrum der deutschen Pferdezucht – ergriffen
und fühlen sich von jenem historischen Ort angezogen.
Was die Erwartungen der Besucher in Trakehnen angeht, so
können diese leider nicht erfüllt werden, zumal viele
historische Gebäude, wie z.B. der Hauptbeschälerstall,
die verschiedenen Paddocks, die Neue Reithalle sowie der
Alte Hof bis auf die Grundmauern nahezu abgetragen sind.
Insofern dürfte es für die Besucher ein kleiner
Lichtblick sein, wenn sie zumindest das
Landstallmeisterhaus (Trakehner Schloss) mit seinem
kleinen Museum annähernd in seiner ursprünglichen
Ausprägung wieder so vorfinden, wie es einmal dort
stand.
Die Erinnerungskultur
ist lebendig
Im Jahr 2007 konnte auf
Einladung der Schulleitung und unter Beteiligung des
Trakehnenvereins und zahlreicher Gäste aus ganz Europa
in Trakehnen erstmalig wieder nach dem 2. Weltkrieg das
275-jährige Gründungsjubiläum des ehemaligen
Hauptgestüts gefeiert werden. In jedem bedeutenden
Bildband über das ehemalige Ostpreußen finden sich immer
wieder einige wunderschöne Bilder über das damalige
Pferdeparadies Trakehnen. Bereits in den 30-er Jahren
des 20. Jahrhunderts widmete der Schriftsteller Rudolf
G. Binding dem Hauptgestüt Trakehnen ein Buch mit dem
Titel “Das Heiligtum der Pferde“. Die ehemalige
Herausgeberin der Wochenzeitschrift “Die Zeit“, Marion
Gräfin Dönhoff, hat Trakehnen noch aus eigener
Anschauung gekannt. Auch sie hat diesem
traditionsreichen Ort und seiner langjährigen Geschichte
einige lesenswerte Artikel gewidmet. Liebhaber des
Trakehner Pferdes werden das wunderbare Buch
“Tempelhüter“ von H.J. Köhler immer wieder gern in die
Hand nehmen. Auch der Autor des berühmt gewordenen
“Ostpreußischen Tagebuchs“ Hans Graf v. Lehndorff
beschreibt in seinem späteren Buch “ Menschen, Pferde,
weites Land“ das legendäre Gestüt Trakehnen, wo er einen
Teil seiner Jugendjahre verbracht hat. Erst jüngst, im
Jahr 2004, ist ein weiteres Buch der Engländerin
Patricia Clough, Korrespondentin der Times und des
„Independent“ in Deutschland, erschienen mit dem Titel
“In langer Reihe über das Haff“, in dem sie, basierend
auf historischen Quellen, eindrucksvoll die Flucht der
Trakehner aus Ostpreußen beschreibt.
Vermutlich war es eine
glückliche Fügung, die Abbildung des „Neuen Hofes“ in
Trakehnen mit dem Titel “Königliches Hauptgestüt
Trakehnen“, die als Gemälde oder kolorierte Lithographie
ganz zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden sein muss
und bislang im Verborgenen geschlummert hat, zu Gesicht
zu bekommen. In dieser wunderbaren Darstellung des
Herzstückes jenes Gestüts verdichtet sich wie in einem
Brennglas die damals schon 200-jährige Kultur und
Geschichte jenes sprichwörtlichen Paradieses der Pferde.
In Trakehnen haben viele Künstler, so Carl Constantin,
Heinrich Steffek, Georg Koch, O.Merte´, Karl Volkers,
Helene Meyer- Moringen, ihre Motive für zahlreiche
Bilder gefunden. Viele davon schmückten den Großen Saal
des Trakehner Schlosses, in dem bis zu 70 Personen Platz
fanden, und das Arbeitszimmer des Landstallmeisters.
Lasst Bilder sprechen
Jenes Bild zieht den Betrachter
sofort in seinen Bann. Sein Blick fällt direkt auf die
Vielzahl der Jungpferde, die sich spielerisch und
fröhlich in dem Trakehner Schloss vorgelagerten Park
tummeln. Während sich einige Youngster herumbalgen,
bewegen sich andere flott durch die Menge oder schauen
ganz aufmerksam in die Weite. Langeweile kommt nicht
auf. Alle schauen ganz edel aus und an Temperament fehlt
es ihnen auch nicht. Die Botschaft ist eindeutig: Wir
befinden uns im Zentrum eines der bedeutenden Gestüte
Europas. Im Hintergrund fällt sofort das etwas im
helleren Farbton gehaltene Trakehner Schloss mit dem
Turm und der aufgesetzten Wetterfahne ins Auge. Von dort
aus haben die Landstallmeister bis zum Schluss die
Geschicke des Hauptgestüts gelenkt. Dieses Haus - es war
bereits 1790 erbaut worden - war ehemals die
Schaltzentrale der großzügig angelegten Gestütsanlage.

Das Panoramabild vom
“Neuen Hof“ Trakehnens – eine Neuentdeckung
Quelle: Archivum Pan´stwove W OPOLU
In ihm haben 12 Landstallmeister
residiert. In dem großen Arbeitszimmer fanden die
wöchentlichen Beratungen des Landstallmeisters mit
seinen Wirtschaftsdirektoren, Gestütsassistenten,
Tierärzten, dem Rentmeister und dem Gestütsarchitekten
statt In den Arbeitsräumen wurden vom Landstallmeister
selbst die Bedeckungs-, Zucht-, und Aufstallungspläne
erstellt. Der Bedeutung dieses Hauses noch nicht genug:
In der Jagd- und Besuchssaison und während der
zweimaligen Reitpferdeauktionen im Jahr waren im
Trakehner Schloss viele hochrangige Persönlichkeiten aus
allen Teilen der Welt zu Gast.
Nicht zu übersehen ist die
Eiche, die bereits 1818 in der Mitte des Parks gepflanzt
worden ist und sich bis zum heutigen Tag zu einem
mächtigen Baum entwickelt hat und immer wieder die
besondere Aufmerksamkeit der Besucher auf sich zieht.
Auf der rechten Seite muss auch gegenwärtig noch jeder,
der den “Neuen Hof“ betreten will, durch das Trakehner
Tor, das Wahrzeichen dieses Ortes, schreiten, in dessen
Torbogen das Trakehner Brandzeichen und die Zahl 1732
als Gründungsdatum Trakehnens nicht zu übersehen sind.
Daran schließt sich das Sekretariat an. Von den zwei
Personen, die dem munteren Treiben der Jungpferde
aufmerksam zuschauen, dürfte der links Stehende der Chef
sein, Landstallmeister Burchard v. Oettingen.

Oberlandstallmeister
Burchard v. Oettingen, studierter Mathematiker,
Buchautor und großer Erneuerer des Preußischen
Hauptgestüts Trakehnen
Auf dem linken Flügel wird die
Szenerie eingerahmt durch den Kutschenstall und die
Wagenremise, die früher als Reitbahn diente.
Perspektivisch am oberen rechten Rand lenkt der Künstler
den Blick auf eines der überdachten Bewegungsrundelle
für den Nachwuchs und auf einen Teil des rechten Flügels
des berühmten Jagd- oder Boxenstalles. In den Jahren
1995 bis 1912 war es Landstallmeister v. Oettingen
gelungen, auf dem Neuen Hof den Boxenstall mit 150 m
Länge, ausgestattet mit 70 geräumigen Einzelboxen sowie
den Auktionsstall nach neustem Erkenntnisstand zu bauen.
Gegenüber auf der oberen linken Seite sticht ein
wunderbarer Pavillion hervor, von dem ein herrliches
Pferd auf den Beschauer hin geführt wird. Dieser
Pavillion war ein besonderes Schmuckstück und diente der
Musterungskommission als Aufenthaltsort während der
Vorstellung einzelner Pferde. Dort befand sich auf
dessen Ostseite die im Boden eingelegte Platte mit der
Inschrift: “Hic Rhodos, hic salta“.
Das Hauptgestüt war ein kleines
Wirtschaftsunternehmen. Es umfasste zum Schluss 6000 ha
Äcker, Wiesen und Weiden, 1100 Gestütspferde sowie 500
Arbeitspferde, 16 Vorwerke (Gutshöfe) und ca. 1000
Beschäftigte Es galt nicht nur die Wiesen und Weiden zu
pflegen, sondern auch beträchtliche Futtervorräte für
die lange Winterperiode zu produzieren. So mussten
jährlich ca. 5000 t Rauhfutter - Heu, Luzerne und
Kleeheu - sowie 2000 t Getreide eingebracht werden. Das
Betriebsergebnis wurde daran gemessen, ob es gelang,
jährlich ca. 40 gekörte Hengste für die Landgestüte und
ca.180 bis 200 Zucht– und Reitpferde, darunter auch
einige Remonten, bereitzustellen. Die eigentliche
Stutenherde – etwa dreihundert an der Zahl - war nach
Farben getrennt auf die einzelnen Vorwerke verteilt.
Züchten heißt in
Generationen denken
Im Mittelfeld des Gemäldes hat
der Künstler quasi als Verlängerung der ehrwürdigen
Eiche den Stammbaum, Pedigree würde man heute sagen, der
Trakehner Rappstute Pechfackel, geb.1897, v. Euphony xx
u. d. Peene v. J. Clavigo bis in die fünfte Generation
minutiös dargestellt. In der Mitte des Stammbaumes weist
die einfache Elchschaufel noch einmal unverkennbar auf
die hier dargestellte Örtlichkeit hin. Den Abschluss
ganz oben bildet der Preußische Adler. Die Stute
Pechfackel mit ihrem ausführlichen “Ahnenpass“ könnte
gleichsam stellvertretend für alle anderen wertvollen
Trakehner Pferde stehen, die schon seit vielen
Jahrzehnten gegründet sind auf züchterisch bewährten
Stutenfamilien und Vaterlinien. Pechfackel ist in dem
Vorwerk Gurdzen aufgewachsen, wo die Rappenherde
beheimatet war. Aus ihr wurden jährlich 30 bis 40 Rappen
für den kaiserlichen Marstall geliefert. H. J. Köhler
schreibt in seinem o.a. Buch “Generationen
rabenschwarzer Mütter haben in Gurdzen gelebt und in
ganzen Serien Beschäler, Mutterstuten und
Leistungspferde hervorgebracht. Hier standen im Frühling
jeden Jahres die schwarzen Hauptbeschäler Trakehnens:
Vorwärts, Fürstenberg, Hector xx, Hirtenknabe,
Polarsturm, Astor, Ararad. Insofern überrascht es nicht,
dass alle 26 aufgeführten mütterlichen Vorfahren der
Pechfackel nachweislich die schwarze Jacke tragen.
Folgerichtig war, dass Vater Euphony, wenn auch
Englischer Vollblüter, ebenfalls ein Rappe, in Gurdzen
stationiert war.

Rappenherde in Gurdzen,
wo auch die Störche zuhause sind
Quelle: Franz, W.: Im Land der Pferde- Trakehnen,
Grenzlandverlag G. Boettcher, Pilkallen- Leipzig ,
1937, S. 56
Welch` glückliche Umstände: Die
Mutterlinie der Pechfackel hat bis zum heutigen Tag
überlebt. Ihre ganz nahe Verwandte - die Rappstute
Polarfahrt v. Bussard, geb. 1940 in Trakehnen - die in
ihrem Pedigree in direkter Mutterlinie die gleichen
Ahnen, so Petition, Petze und Pepita, aufweist, konnte
1945 mit 14 weiteren Original- Trakehnerstuten in die
Bundesrepublik gerettet werden.

Pechfackel entstammt der
Trakehner Stutenfamilie 137, der der Polarfahrt mit dem
langen Ahnennachweis bis 1775
Quelle: Schilke, F.: Trakehner Pferde- einst und jetzt,
BLV – Verlag, 1964, S.131
Die Mutterlinie beider Stuten
reicht nachweislich zurück bis ins Jahr 1775. Als
würdige Vertreterin ihrer Rasse erhielt Polarfahrt in
den 50-er Jahren jeweils Siegerpreise auf zwei
Ausstellungen der Deutschen Landwirtschaftsgesellschaft
(DLG). Ihre Familie hat mit vielen hervorragenden
Nachkommen die Trakehner Reitpferdezucht später sehr
bereichert. Der Typ und der Habitus des Trakehner
Pferdes mit seiner unverwechselbaren Ausstrahlung wurde
während seiner fast bald 300-jährigen Geschichte trotz
aller bitteren Zäsuren konsequent und kontinuierlich in
Reinzucht mit hohen Anteilen des englischen und
arabischen Vollbluts entwickelt und bis zum heutigen Tag
bewahrt.

Polarfahrt. Rappe geb.
1940 in Trakehnen v. Bussard- Asto, zweifache
Siegerstute der DLG- Ausstellungen in Hamburg 1951) und
München (1955) Foto. Wedding
Nach Recherchen wurde Pechfackel
im Jahr 1901 auf einer Auktion in Trakehnen an Herrn
Major Kullak- Ublick verkauft. In dieser Zeit war es
durchaus üblich, dass der stolze neue Besitzer zur
Erinnerung an die Auktion und den Geburtsort der Stute
eine Abstammungstafel in der Art eines
Schmuckblatt-Stammbaumes anfertigen ließ . Diese
Abbildung wird in entsprechender Vergrößerung demnächst
einen gebührenden Platz in dem kleinen Museum Trakehnens
finden.
Dr.
Horst Willer (Juli 2020)
Selektion nach Leistung
Zu Beginn des 20.
Jahrhunderts hatte sich unter der Leitung des
Landstallmeisters Burchard v. Oettingen das Preußische
Hauptgestüt Trakehnen zu dem Leistungszentrum und
Musterbetrieb der deutschen und europäischen
Reitpferdezucht, aber auch zu dem später oft gerühmten
Paradies der Pferde entwickelt. So hatte er in Trakehnen
mit der systematischen Prüfung seines Nachwuchses im
Jagdfeld bereits Zeichen gesetzt: Das Zauberwort hieß
züchterische Selektion nach Leistung. v. Oettingen war
aber auch derjenige, der solche Spitzenvererber, wie
Perfektionist xx und Nana Sahib ox, zum Einsatz brachte
In den Landgestüten Ostpreußens, wie Georgenburg, Gudwallen,
Rastenburg, Braunsberg und Marienwerder, befanden sich
Anfang der 20-er Jahre ca. 500 Hengste. Jährlich wurden
zur Bestandserhaltung 70 bis 80 Junghengste benötigt.
Die Idee einer umfassenden Leistungsprüfung aller
Junghengste(HLP) eines Jahrgangs unter gleichen und
standardisierten Umweltbedingungen lag in der Luft. Nach
dem verlorenen Krieg war es mit den großen
Kavallerieverbänden vorbei. Der Absatz von Remonten war
eingebrochen. Fortan musste ein edles und vielseitig
verwendbares Warmblutpferd gezüchtet werden, dass nicht
nur für den aufblühenden Reit-und Turniersport attraktiv
bleiben, sondern auch in der Landwirtschaft einsetzbar
sein sollte. Dem neuen Zuchtziel entsprechend - es war
die Periode der Verstärkung - war fortan ein
umgängliches Reit- und Wirtschaftspferd gefragt, das
sich durch mehr Kaliber (Knochenstärke) und Rumpflänge
sowie durch noch geräumigeren Schritt und Trab
auszeichnet. Dabei sollten die bewährten Eigenschaften,
wie natürliche Schönheit, Eleganz und vor allem Härte,
Nerv und Energie erhalten bleiben. In Trakehnen hatte
Landstallmeister Siegfried v. Lehndorff das Zepter in
der Hand.
In Zwion entsteht die
erste Hengstprüfungsanstalt
1926 war es dann soweit: Gemäß dem alten Schlachtruf “Vorwärts
Preußen“ wurde in Zwion, 8 km westlich von Georgenburg,
die erste Hengstprüfungsanstalt gegründet. Sie wurde
später zum Vorbild und Modell für alle weiteren
Einrichtungen dieser Art. So begann dort am 15. Mai
erstmals für 92 gekörte dreijährige Hengste, darunter
auch 33 Aspiranten aus dem Hauptgestüt Trakehnen, die
gemeinsame Ausbildung mit dem Ziel, sie während eines
einjährigen Trainings einer vielseitigen
Leistungsprüfung zu unterziehen. Die preußische
Gestütsverwaltung hatte dafür genaue Richtlinien
vorgegeben. Das Ausbildungsprogramm war weit gespannt:
Schulung unter dem Reiter, insbesondere im Jagdfeld,
Fahren im Traberwagen, im Zwei- und Vierspänner sowie
möglichst auch Zugarbeit im landwirtschaftlichen
Betrieb. Die Leitung wurde Herrn Güntzel, dem späteren
Landstallmeister von Georgenburg, übertragen. Er galt
als vortrefflicher Meister in der Behandlung und im
Zureiten junger Pferde. Ihm oblag nicht nur die
Ausbildung, sondern auch die Vergabe der Trainingsnoten.
So wurden die Fähigkeiten der Hengste in den drei
Grundgangarten Schritt, Trab und Galopp jeweils benotet,
ebenfalls ihr Temperament und die Konstitution. Die
anfängliche Bewertungsskala reichte von eins bis vier:
sehr gut, gut, befriedigend und nicht genügend Als Probe
auf das Temperament eines Hengstes galt sein Verhalten
unter dem Reiter, im Jagdfeld und im Gespann. Die
Konstitution, d. h. ob weich oder hart, ließ sich am
besten aufgrund der physischen Entwicklung eines
Hengstes bzw. seiner Futteraufnahme und seiner
Futterverwertung während der Ausbildung beurteilen.
Schon bald nach dem Start der HLP war die Resonanz
überaus positiv und die Experten forderten „für jede
Reitpferdezucht ein Zwion“. Dieser Aufruf wurde bereits
1928 für Hannover in Westercelle (heute Adelheitsdorf)
Realität.

Gehorsams- und
Temperamentsprüfung
Wie in den beiden Jahren davor hatten sich zur Zwischenprüfung
im Oktober 1928 in Zwion der Oberlandstallmeister
Groscurth aus Berlin, sämtliche ostpreußische
Landstallmeister und viele Züchter eingefunden. In der
späteren Berichterstattung darüber ist folgendes zu
lesen: “Kein Hengst sah übertrainiert aus, alle hatten
sie mächtige Rippenwölbung behalten, die Muskeln sind
wundervoll herausgearbeitet, Sehnen und Bänder straff
geworden. Alle gingen sie in schöner Losgelassenheit am
langen Zügel im natürlichen Gleichgewicht schwungvoll
vorwärts. Bezaubernd ist bei den Ostpreußen die stets
wunderschöne Gleichgewichtshaltung, in der sie sich
bewegen, dies Schwingende, Flüssige, Spielende, mit der
die Körper vorwärts getragen werden und diese leichte,
graziöse, so kokett und auffallend wirkende regelmäßige,
zwanglose Fußfolge in allen Gangarten.“ Für das
Gütesiegel zweier “Musterschüler“ zwei Beispiele:
Eichendorf, F, geb.1925, v. Dampfross-Piquer;
Konstitution sehr hart, Schritt, Trab, Galopp sehr gut,
unter dem Reiter willig, lässt sich etwas schwer los, im
Wagen wenig erprobt, Temperament günstig; Gauß,
br.,geb.1925, v. Tempelhüter- Parsee xx, Konstitution
leichtfuttrig, hart, Schritt, Trab, Galopp sehr gut,
leicht zu reiten, braucht guten Fahrer, Temperament
lebhaft.
Bis an die
Belastungsgrenze
Imponierend sind immer wieder Bilder, die zeigen, wie die
Junghengste in der täglichen Arbeit das Vertrauen in
ihre Reiter bzw. gefunden haben. Sie konnten sich auf
die Kruppe stellen, Freiübungen machen und ihre
Vierbeiner auf den Boden legen, ohne irgendwelche Unruhe
aufkommen zu lassen. Nur wenige Hengste hatten zumeist
den ersten Test nicht bestanden. Dennoch galten für den
Ausleseprozess strenge Maßstäbe, die bis an die
natürliche Belastungsgrenze reichten. Im Durchschnitt
der Jahre erreichten 10 bis 15 % der Hengste das
Klassenziel nicht. Wegen nicht genügender Leistung,
gesundheitlicher Mängel oder unbefriedigender
Entwicklung kam für Sie das frühzeitige „Aus“. Der ein
oder andere schicke und typvolle Hengst scheiterte, weil
ihm ins Stammbuch geschrieben werden musste: “schwierig,
ungezogen, ab und an widersetzlich“. Zentrales Ziel der
HLP war, in jedem Fall die Minusvarianten aus der Zucht
auszuschalten und den jährlichen Ersatz durch eine
möglichst große Zahl gleichmäßig gut veranlagter
Junghengste zu garantieren.

Dreijährige Zwioner Hengste
Von den Ergebnissen der Zwischenprüfung hing die Verteilung
der Prüfungskandidaten auf die Landgestüte und das
Hauptgestüt Trakehnen ab. Am 15. Februar begann dann
auch für sie der erste Deckeinsatz auf den jeweiligen
Stationen. Im Juli stand für die nun mittlerweile
Vierjährigen die Abschlussprüfung an. Nach einer zwei-
bis dreiwöchigen Vorbereitungszeit galt es, in drei
aufeinander folgenden Tagen 200 km in einem Marschtempo
von 11 km pro Stunde unter dem Reiter zurückzulegen.
Erstaunlicherweise wurde diese Anforderung von den
bereits leistungserprobten Prüflingen spielend leicht
bewältigt. Über die besonderen Talente des einzelnen
Hengstes gab sie jedoch keine genügenden Aufschlüsse.
Deshalb war die erforderliche Revision konsequent:
Verzicht auf den Distanzritt, Trainingsbeginn bereits
mit zweieinhalb Jahren und zurück in das einmalige
Trakehner Jagdgelände mit seinen natürlichen Gräben,
Wällen, Wasserläufen und Ricks. So wurde im Oktober 1933
die Prüfungsanstalt von Zwion nach Trakehnen verlegt.
Dort erwartete die Junghengste jeweils im Sommer nach
einer gründlichen Ausbildung eine vielseitige
Abschlussprüfung: Absolvieren einer Geländestrecke von
je 10,10 und 13 km mit jeweils 10 bis 12 natürlichen
Hindernissen an drei aufeinander folgenden Tagen einzeln
unter dem Reiter. Am dritten Tag schloss sich an die
Geländestrecke noch ein gemeinsames Jagdfeld über eine
Distanz von 3 bis 4 km an. Die Geländestrecke von
insgesamt 33 km wurde von den Dreijährigen zumeist
leicht in 2 ¾ Minuten pro km zurückgelegt.
Wie die Väter so die
Söhne
Wegen mangelnder Unterbringungsmöglichkeiten in Trakehnen
musste dann aber doch die Prüfungsanstalt ab 1935 wieder
an ihren Gründungsort zurück. Fortan erfolgte die
Grundausbildung in Zwion, während Geländeschulung und
Abschlussprüfung weiter in den Sommermonaten in
Trakehnen durchgeführt wurden. Von Prüfung zu Prüfung
kristallisierte sich immer deutlicher heraus, dass die
mehr durchgezüchteten und höher im Blut stehenden
Trakehner Hengste deutlich besser abschnitten als ihre
Altersgenossen aus der Privatzucht. Auch die
Beobachtung: Wie die Väter so die Söhne, fand mehrfache
Bestätigung. So waren die Nachkommen der Hauptbeschäler
Dampfross, Tempelhüter, Pythagoras Jagdheld, Ararad,
Parsival, Hyperion, u. a .immer wieder in der
Spitzengruppe zu finden. Auch die Vollblüter Marduck xx,
Friedensfürst xx und Paradox xx konnten mit ihren
leistungsstarken Söhnen recht häufig glänzen. Das
Gesamtbild über die Leistungsanlagen eines jeden
Zöglings, wie Rittigkeit, Leistungsbereitschaft,
Springvermögen, Temperament und Gesundheit, rundete sich
vor allem für den Prüfungsleiter gegen Ende der
Ausbildungszeit immer deutlicher ab. Speziell für die
dreitägige Geländeprüfung wurden die Noten 0
(vorzüglich) bis 5 (ungenügend) vergeben.

Der viel gerühmte Hengst
“Dampfross “ in voller Aktion im Auslauf seines Paddocks
Für die Leitung der HLP
waren die erfahrensten Horsemen gerade gut genug.
So folgte auf Landstallmeister Güntzel im Jahr 1927 Dr. Udo v.
Kummer. Als leidenschaftlichem Jagd- und Rennreiter
gelang es ihm 1928 mit der ostpreußischen Stute Beate in
der Großen Pardubitz den zweiten Platz zu erringen.
Mitte der 30-er Jahre wurde er als Landstallmeister nach
Leubus und Fürstenstein in Niederschlesien berufen. Nach
dem 2. Weltkrieg fand er eine verantwortungsvolle
Anstellung als Leiter und Berater in den
Vollblutgestüten Asta (Besitzer Adolf Schindling) und
Fährhof (Besitzer Walther J. Jacobs). Er hat viele
Auszeichnungen bekommen, so die Große Gustav Rau-
Erinnerungsplakette, die Silberne Medaille des
Direktorium für Vollblut Zucht und Rennen sowie den
Trakehner Knopf. Letzteren erhielten alle diejenigen die
erfolgreich während einer gesamten Saison an allen
Trakehner Jagden teilgenommen hatten.

Die Platzierten in der
Pardubitzer Steeplechase 1928:
v.l.n.r. 1.H. Schmidt mit Vogler, 2. Dr. Udo v. Kummer
mit Beate, 3. H.Paulat mit Johanniterin
alle drei Pferde Ostpreußen Trakehner Abstammung
Im Jahr 1931 trat dann Dr. Wilhelm Uppenborn, der seine
reiterliche Ausbildung bei Felix Bürkner (Dressur) und
Wilhelm Graf Hohenau (Springen) in Berlin Düppel
erfahren hatte, die Nachfolge von Dr. v. Kummer an.
Später hat Dr. Uppenborn oft mit großer Hochachtung von
den ostpreußischen Pferden sowie Land und Leuten
gesprochen: “Die Menschen waren gastfreundlich, offen
und hundertprozentig zuverlässig. Die ostpreußischen
Gestütswärter hatten eine Pferdeliebe und Disziplin, wie
ich sie sonst nicht erlebt habe“. Auf die Frage, welches
ostpreußische Pferd ihm am meisten imponiert habe, gab
er Folgendes zum Besten: “Das war der Hengst Dampfross
v. Dingo- Pasvan, Vater von Pythagoras und Hyperion,
dessen Klugheit, dessen herrliches Temperament und vor
allem dessen unerhörte Bewegungen mich immer wieder
faszinierten.“

“Partisan“ , geb.1931,
Trak. v. Parsival
Dr. Uppenborn wurde danach
Landstallmeister in Osnabrück und Rastenburg, in den
60-ger Jahren war er Leiter des Vollblutgestüts in Bad
Harzburg und zählte später zu den profiliertesten
Hippologen seiner Zeit. Als Autor veröffentlichte er
zahlreiche Schriften und Bücher rund ums Pferd und den
Reitsport. Bekannt und sehr geschätzt ist sein
umfangreiches Standardwerk “Pferdezucht und
Pferdehaltung“, das in sechster Auflage publiziert
wurde. Später in den 30-er Jahren bis 1944 lag die
Leitung der HLP in Zwion / Trakehnen in den Händen von
Gestütsassistent Helmut Grieffenhagen, der noch vor
Kriegsende zum Landstallmeister des hessischen
Landgestüts in Dillenburg ernannt wurde.
In den letzten 50 Jahren wurde das Prüfungssystem ständig
fortentwickelt. An die Stelle der Tests in der
Traberkarre und Anspannung ist das Frei- und
Parcoursspringen getreten. Hinzu kamen zu Überprüfung
der Rittigkeit die Fremdreitertests. Die Dauer der
Stationsprüfung wurde gemäß Tierzuchtgesetz zunächst auf
100 Tage festgesetzt, später auf 70 Tage reduziert.
Gegenwärtig wird ein 50- tägiger Test verlangt, wobei
die Hengste- vier Jahre und älter -bereits einen
Ausbildungsgrad der Klasse A bzw. L erreicht haben. Die
Mehrzahl der Aspiranten hat im Alter von drei Jahren
bereits einen 14-tägigen Veranlagungstest durchlaufen.
Die Prüfung orientiert sich hinsichtlich der jeweiligen
Anforderungen gegenwärtig stark an der Praxis des
heutigen Dressur- und Springsports. Demzufolge wird
zwischen der spring- und dressurbetonten Ausrichtung der
Hengste unterschieden. Leider ist die Erprobung der
Youngster im Gelände nicht mehr üblich. Sie gibt es
nahezu nur noch ausnahmsweise für Hengste mit dem
Schwerpunkt “Vielseitige Veranlagung“ Die HLP ist seit
1974 bundesweit gesetzlich geregelt und als
Eigenleistungstest einer der wichtigsten Säulen einer
umfassenden Zuchtwertschätzung.
Dr.
Horst Willer (Juni 2020)
Trakehner Elchschaufel nur noch Symbol
Der preußische König
Friedrich Wilhelm II (reg. 1786 – 1797) erkannte den
großen wirtschaftlichen Nutzen der Landespferdezucht.
Mit der Berufung von Carl Heinrich Graf v. Lindenau zum
Oberstallmeister hatte er eine überaus gute Wahl
getroffen. Er galt zu seiner Zeit als der beste
Hippologe, Reiter und Organisator. Unter seiner Leitung
und mit Rückendeckung des Königs wurde die preußische
Gestütsverwaltung völlig neu konzipiert. Trakehnen
spielte dabei künftig eine zentrale Rolle.
Dem Hauptgestüt wurde auf
königliche Order hin nun endlich die vordringliche
Aufgabe zugewiesen, durch die Züchtung und
Bereitstellung von Hengsten für die preußischen
Landgestüte maßgeblich zur Verbesserung der
Landespferdezucht beizutragen. Die Belieferung des
Marstalles mit Nachwuchspferden war nachrangig geworden.
Im Jahr 1787 traf Graf Lindenau in Trakehnen ein, um
sämtlicher Pferde einer Generalmusterung zu unterziehen.
Es galt, die Spreu vom Weizen zu trennen. Er selbst
unterzog alle Trakehner Pferde einer scharfen Selektion.
Weiterhin nahm er unter Beachtung des Blutanteils und
des Exterieurs eine Aufteilung der Gestütspferde in
einen Reit- und Wagenschlag vor. Gleichzeitig wurden die
Stutenherden nach Farben auf die einzelnen Vorwerke
aufgeteilt.
Einführung des Trakehner
Brandzeichens
Eine weitere bahnbrechende Neuerung, die das
Gestütsleben bis zur Neuzeit geprägt hat, war 1787 die
Einführung des Brandzeichens, der einfachen
siebenzackigen Elchschaufel. Dieses unverwechselbare
Markenzeichen trugen zunächst nur die Pferde des
Reitschlags, später ab 1815 alle in Trakehnen geborenen
Pferde, auf dem rechten Hinterschenkel. Dies sollte
fortan zum unverwechselbaren Markenzeichen des
ostpreußischen Hauptgestüts werden. Gleichzeitig wurde
eine offizielle Gestütsbuchführung mit Zuchtregister und
Zuchtbuch eingerichtet. Trakehnen war eines der ersten
Gestüte, die ihre Pferde zur Wiedererkennung mit einem
Brandzeichen versahen. Später folgten zahlreiche Staats-
und Privatgestüte diesem Beispiel. In Ostpreußen mit
seinen zahlreichen Landgestüten erfuhr die Entwicklung
der Zucht edler Pferde für die Kavallerie einen stetigen
Aufschwung. Zu deren Kennzeichnung erhielten seit 1888
die im Stutbuch eingetragenen „ Warmblütigen Pferde
Trakehner Abstammung“ das Brandzeichen der doppelten
Elchschaufel auf dem linken Hinterschenkel.

Die ehemaligen
Ziermauer an der Auffahrt zum Trakehner Schloss konnte
erst erst jüngst 2018 wieder hergerichtet werden. Die
sie begrenzenden Söller mit dem Emblem der Elchschaufel
bilden einen besonderen Blickfang
Foto:
entnommen aus dem Buch Tempelhüter, Autor H.J. Köhler
Elch und Elchschaufel
Wappen Ostpreußens
Weiterführende Hinweise hinsichtlich der
Überlegungen, die zur Auswahl gerade diese Kennzeichens,
der einfachen Elchschaufel, geführt haben, sind in den
überlieferten Gestütsakten nicht zu finden. Zu jener
Zeit gab es eine königliche Order, die in ihrem Bestand
gefährdeten Elche in Ostpreußen zu schützen. Zu diesem
Anlass haben sich vermutlich häufiger Forst- und
Gestütsbeamte zu einem Informationsaustausch getroffen.
Auf diese Weise könnten, so die Hypothese, die
Forstleute dazu angeregt haben, das Symbol der halben
Elchschaufel als Brandzeichen zu verwenden (1). Nach den
Vorstellungen der Menschen, die in Ostpreußen gelebt
haben und dort aufgewachsen sind, verkörpert der Elch
wie kein anderes Tier die Schönheit der ostpreußischen
Landschaft. So wurden auch schon in der Zeit der
Befreiungskriege gegen Napoleon gerne Elchsymbole als
Truppenzeichen und Traditionsabzeichen bei
Freiwilligenverbänden verwandt. Später haben auch viele
Künstler Gefallen daran gefunden, den Elch zu
modellieren. So wurden zur Freude der Bevölkerung
entsprechende lebensgroße Standbilder an zentralen
Plätzen in Gumbinnen und Tilsit aufgestellt, wo sie auch
heute wieder - ähnlich wie die Tempelhüter – Statue in
Trakehnen - zu bewundern sind. Auch ist es kein Zufall,
dass das Emblem der schwarzen Elchschaufel auf weißem
Feld nach dem Zweiten Weltkrieg durch die
Landsmannschaft Ostpreußen zum Symbol für die
Vertriebenen geworden ist. Kluge Leute haben dann 1957
dafür gesorgt, dass dieses Symbol beim Deutschen
Patentamt als geschütztes Zeichen der Landsmannschaft
Ostpreußen eingetragen wurde.
Trakehner Pferde als
lebendes Kulturgut gerettet
Gottlob konnte das Trakehner Pferd mit der Elchschaufel
durch die Flucht der Menschen in den Westen als lebendes
Kulturgut über die Zeit hinaus gerettet werden. Dabei
war Trakehnen über mehr als zwei Jahrhunderte die
Keimzelle der gezielten Warmblutzucht Ostpreußens und
einer der ältesten und bedeutendsten Reitpferdezuchten
der Welt. Ungefähr 600 Stuten und 25 Hengste gelangten
in den Westen und bildeten nach 1945 den Grundstock für
den Wiederaufbau der Trakehner Zucht in der
Bundesrepublik Deutschland. In der späteren DDR haben
ungefähr ebenso viele Stuten Aufnahme gefunden, darunter
viele ohne Abstammungsnachweis. Nach der Identifizierung
der ostpreußischen Pferde aus den Flüchtlingsbeständen
gelang es 1947 den “ Verband der Züchter und Freunde des
Pferdes Trakehner Abstammung e. V“, auch“ Trakehner
Verband“ genannt, zu gründen. Dies war ein großes
Verdienst der Herren Dr. Fritz Schilke, Siegfried
Freiherr v. Schroetter und Dietrich v. Lenski. Durch
konsequente und kontinuierliche Reinzucht mit hohen
Anteilen des englischen und arabischen Vollbluts konnte
bis zum heutigen Tag der Typ und der Habitus des
Trakehner Pferdes mit seiner unverwechselbaren
Ausstrahlung bewahrt werden. Entsprechend der
langjährigen Tradition erhielten bis in die jüngste
Vergangenheit, bis 2018, die Fohlen zu ihrer
Kennzeichnung den Brand mit der doppelten Elchschaufel,
dem gesetzlich geschützten Zeichen der Ostpreußischen
Stutbuch -Gesellschaft, auf dem linken Hinterschenkel.
 |
 |
Stuten mit Fohlen
auf der Weide - die Elchschaufel eine Zirede
für jedes Trakehner Pferd
Quelle: Rudofsky, Hubert: Trakehner, Schwarz –
Bildbücherei, Hans Schwarz Verlag |
Käthe Franke, eine der erfolgreichsten
Reiterinnenvor dem Zweiten Weltkrieg, mit einem
Original – Trakehner, dessen Schenkelbrand dies
unzweifelhaft belegt, in vollendeter Manier. Die
heute gezüchteten Trakehner können nicht besser
sein. Quelle: Archiv
Käthe Franke |
Trakehner
Elchschaufel als Brandzeichen passé
Leider kam es in der Neuzeit mit dem Quasi- Verbot des
Schenkelbrandes zu einer beträchtlichen und umstrittenen
Zäsur. so dass fortan an nicht mehr von den Trakehner
Pferden mit der Elchschaufel gesprochen werden kann.
Maßgeblich für diese Entscheidung war die Übernahme der
EU Verordnung zur Kennzeichnung der Pferde in die
Viehverkehrsverordnung (ViehVerkV). Danach wurde das
Einsetzen eines Mikro-Chips auf der linken Halsseite in
den Muskel des Fohlens zur Pflicht. Jedoch war der
Schenkelbrand noch innerhalb der Karenzzeit bis Ende
2018 als zusätzliche Kennzeichnung möglich. Unter
Tierschutzaspekten hatte sich sehr frühzeitig der
Tierschutzbund gegen den Schenkelbrand positioniert.
Eigenartigerweise hatte sich auch der Berufsverband der
Tierärzteschaft dem angeschlossen. Hingegen bemühten
sich die Reitpferdezuchtverbände nachzuweisen, dass der
Brand die Fohlen weniger belastet als das Implantieren
eines Mikro-Chips unter Verwendung eines
Lokalanästhetikums. Der Gesetzgeber ermöglicht zwar noch
den Schenkelbrand, aber nur unter Anwendung einer
vorausgegangenen Lokalanästhesie. Deren praktische
Umsetzung scheitert aber daran, dass auf dem
großflächigen Bereich mehrere Injektionen erforderlich
wären. Diese wiederum würden das Fohlen stärker belasten
als der eigentliche Brand. Erschwerend kam hinzu, dass
ein streich- und pastenförmiges Präparat zur
Schmerzbeseitigung verfügbar wäre, dies aber nicht zur
Anwendung als Tierarzneimittel für Pferde zugelassen
wurde. Es ist bedauerlich, dass die über Jahrhunderte
bewährte Kennzeichnung mittels Schenkelbrand aufgegeben
werden musste. Dabei handelt es sich bei der Trakehner
Elchschaufel um den ältesten Gestütsbrand in der
deutschen Pferdezucht. Der Schenkelbrand war immer ein
Qualitäts- und Gütesiegel und zudem ein Zeichen der
Identifikation. Es ist durchaus fraglich, ob das
Einbringen eines Implantats vergleichsweise
tierschutzgerechter und sicherer ist. Politische und
ideologische Gründe waren letztlich für diese Änderung
ausschlaggebend. Es ist verständlich, dass die Trakehner
Züchter diese Bevormundung überaus bedauern. Sie
empfinden es sogar als einen gravierenden
Traditionsbruch, weil für den Beschauer eines Pferdes
dessen Herkunft nicht mehr unmittelbar erkennbar ist.
Namhafte traditionsreiche Autofirmen würden es nicht
hinnehmen, wenn ihnen ihr jeweiliges Markenzeichen, ihr
Logo, angebracht am Fahrzeug verboten würde.

Zahlreiche Besucher, u.a.
auch Trakehner Jungzüchter als Botschafter des Trakehner
Verbandes
zeigen am Herkunftsort ihre Verbundenheit mit dem Symbol
der Pferderasse
(1) Dilba, Benno: Der Elch und
die Elchschaufel - Symbole Ostpreußens. Landsmannschaft
Ostpreußen, Hamburg 1995, S. 14 f
Dr.
Horst Willer (April 2020)
Mein Trakehnen
Dorothea
Schneider, geboren in der Nähe von Trakehnen, hat 1953
nach Gesprächen mit ihrem Vater aus der Erinnerung den
folgenden anrührenden Bericht geschrieben. Sie nahm
selbst - gerade mal 12 Jahre alt - an Schleppjagden in
Trakehnen teil.
Schon für mich als Kind hatte
Trakehnen einen ganz besonderen Klang, denn damit waren
die Reitpferde meines Vaters, sein roter Rock und der
Eichenbruch verbunden, den mein Vater nach jeder
Reitjagd in Trakehnen mit nach Hause brachte.

Dorothea Schneider und
Schneider Senior während einer Schleppjagd. Quelle:
Familenarchiv Schneider
Wir wohnten ca. 10 km vom
Hauptgestüt entfernt in Wannagupschen und unsere
Ländereien grenzten an das Vorwerk Danzkehmen. Mein
Vater hatte Zugang zum Gestütsgelände und vom
Landstallmeister die Erlaubnis, vor der Jagdsaison zum
Training mit seinen Pferden die verschieden natürlichen
Sprünge zu nutzen.

Schneider Senior
überwindet das Koppelrick eines Wegesprungs. Quelle:
Familienarchiv Schneider
Schon kommt mir ein altes
ostpreußisches Reiterlied in den Sinn:
Horch, es klingt aus alten
Tagen wildes Lied und Heldensagen, Reiterkopf auf grüner
Heid: Vaterlands- und Heimattreue stets bewahrt, bewährt
aufs Neue, Reiter, denkt der alten Zeit: Kameraden
aufgesessen!
Wird kein Hindernis
gemessen, wenn das Herz im Felde fliegt. Jagdgalopp auf
grünen Weiten, seh`t wir reiten durch die Zeiten
ungehemmt und unbesiegt.
Sind der Heimat
eingeschworen, sind im Sattel schon geboren und auf ewig
ihm geschenkt. Denn die Preußenreiter reiten bis sie aus
dem Sattel gleiten und der Tod die Fahne senkt.
Im schönen Ostpreußen, dem Land
der Pferde, lag das Hauptgestüt Trakehnen in
unermesslicher Weite. Unter Friedrich Wilhelm I ist
Trakehnen 1732 gegründet worden und war ursprünglich
königlicher Besitz. Erst unter Friedrich dem Großen
wurde das Gestüt vom Preußischen Staat übernommen. Das
Zuchtziel Trakehnens war von Anbeginn an, ein
ausgesprochen edles, leistungsfähiges, hartes und
vielseitiges Pferd zu züchten. Das Erkennungszeichen für
orginal Trakehner Pferde ist der Brand mit der
siebenzackigen Elchschaufel auf dem rechten Schenkel.
Die doppelte Elchschaufel auf dem linken Schenkel
erhielt die Nachzucht der im Ostpreußischen
Hauptstutbuch eingetragenen Stuten. Mit der einfachen
halben linken Elchschaufel wurden die Pferde
gekennzeichnet, die zunächst im Vorregister eingetragen
waren. Vor dem Trakehner Schloss war 1932 anlässlich des
200- jährigen Gründungsjubiläums dem Ostpreußischen
Pferd ganz nahe der alten Eiche in Gestalt des berühmten
“ Tempelhüters“ ein bleibendes Denkmal gesetzt worden.
Die großzügigen baulichen und parkähnlichen Anlagen des
Gestüts sind den vielfältigen Initiativen des späteren
Oberlandstallmeisters v. Oettingen zu verdanken. Das
gesamte Gelände Trakehnens umfasste rd. 24.000 Morgen
(6.000 ha). Auf breiten von Eichen, Linden und Birken
eingerahmten Wegen gelangte man zu den 16 Vorwerken.

Die Rappenherde vor der
Eichenallee. Quelle: Heling Martin: Trakehnen, BLV
Verlagsgesellschaft Müchen Bonn Wien
Das Landschaftsbild erhielt
durch die wunderbaren Alleen, die großen Wiesen- und
Weideflächen und eingestreuten Waldstücke seine
besondere Note. Auf den Koppeln grasten die Stuten und
die jungen Jahrgänge nach Farben getrennt. Die
Hauptbeschäler waren im Sommer einzeln in versteckt
liegenden Paddocks untergebracht, an den sich ein ca. 1
Morgen großer Auslauf für sie anschloss. In große Stille
und Abgeschiedenheit hatte hier als ideale Sommerfische
jeder “König“ seinen Tempel.

Hauptbeschäler Hirtensang
in seiner Sommerresidenz. Quelle: Franz, Walther: Im
Land der Pferde- Trakehnen, Fotos: Walter
Raschdorff, Grenzlandverlag Leipzig Pillkallen, 1937
Die Aufzucht des Nachwuchses
erfolgte auf den einzelnen Vorwerken nach Alter,
Geschlecht und Farbe getrennt unter der Aufsicht der
Gestütswärter. Mit zweieinhalb Jahren kamen die als
künftige Beschäler geeigneten Junghengste in die
Hengstprüfungsanstalt Zwion in der Nähe von Insterburg.
Die übrigen Jungpferde (Stuten und Wallache) im gleichen
Alter kamen in den sog. Jagdstall und wurden im Winter
und Frühjahr angeritten, um sich dann später im Jagdfeld
bewähren zu können. Die jungen Stuten bei den Züchtern
auf dem Lande mussten, bevor sie zur Zucht eingesetzt
wurden, ihre Leistungsprüfung im Gespann absolvieren.
Das Gelände in Trakehnen war
geradezu vorzüglich zum Reiten, für schwere Geländeritte
und Querfeldeinrennen geeignet. Der Wiesenbaumeister war
für die gesamte Be- und Entwässerung der Landflächen
verantwortlich. Das Wiesengelände musste immer weich und
elastisch sein, um die jungen Pferde nicht so sehr zu
strapazieren. Sobald der Boden es im Frühjahr zuließ,
verließen die Reitburschen mit ihren Pferden den
Jagdstall und es ging heraus zu den ersten längeren
Galoppübungen. In den vorausgegangenen Monaten hatten
sich durch ein eifriges Training in der Reitbahn Reiter
und Pferd bestens miteinander vertraut gemacht. Mitte
bis Ende Juni nach dem ersten Heuschnitt begannen die
ersten Schleppjagden. Jeden Dienstag und Freitag um 6
Uhr setzte sich das Jagdfeld von jeweils anderen Punkten
des Geländes unter dem Geläut der Meute in Bewegung. Die
Anforderungen an Reiter und Pferd steigerten sich bis
zum Herbst. Der Abschluss, die Hubertusjagd stellte
höchste Ansprüche an Aufmerksamkeit, Gewandtheit und
Disziplin von Pferd und Reiter. Doppelsprünge wie der
Judenbach und der Große Reitdamm mit zweineinhalb Meter
breiten Wassergräben und 1,20 Meter hohen Koppelricks
waren in flotter Fahrt zu überwinden. Nach sechs km
langer Strecke bliesen die Bläser das “Halali“ und jeder
Reiter empfing nach dieser Jagd den „Tannenbruch“.

Nach der Jagd- Halali.
Quelle: Franz, Walther: Im Land der Pferde- Trakehnen,
Fotos: Walter Raschdorff, Grenzlandverlag Leipzig
Pillkallen, 1937
Hier in Trakehnen fand
alljährlich das v.d. Goltz-Querfeldeinrennnen über 6500
Meter statt Es war nach der Pardubitzer Steaplechase das
schwerste Rennen Europas. Nach der Jagdsaison folgte nun
die große Herbstauktion Es kamen Käufer aus dem In- und
Ausland und viele Gäste. Hervorragende Reiterinnern und
Reiter sowie Offiziere der Kavallerieschule Hannover
trafen sich hier mit den Züchtern Ostpreußens Viele
Trakehner Pferde verließen das Paradies der Pferde, um
ihren neuen Besitzern das Glück dieser Erde auf ihrem
Rücken zu schenken. Heute ist Trakehnen verödet und
vereinsamt, kein fröhliches Wiehern tönt von den Koppeln
und den Ställen her, und auch kein Hufschlag dringt mehr
in des Pferdefreundes Ohr. Wer je das Glück hatte, diese
Jagden mitreiten zu dürfen, wird in Erinnerung eines
alten Ostpreußischen Liedes mitfühlen:
Nun sind wir abgesessen wohl
für immer, zum Leben ohne Pferde noch zu jung, jedoch
uns blieb des Reiterglanzes Schimmer als strahlende
Erinnerung.
Und wie vor Jahren hör ich
wieder heute des Jagdhorns weichen Ruf vom Walde her.
Dazwischen das Geläut der flinken Meute. Jedoch … uns
tönt kein „Aufgesessen“ mehr.
Verloren ging das Paradies
der Pferde. Das letzte Halali uns längst verklang, doch,
die ihr schuft das höchste Glück ihr Pferde, ihr treuen,
edlen Pferde, habt Dank!
Quelle: Heimatbrief der
Kreisgemeinschaft Ebenrode ( Stallopönen) Nr. 56, S.136f
Dr.
Horst Willer (Januar 2020)
Vor 75 Jahren gegen Ende des 2. Weltkriegs mussten infolge Flucht und
Vertreibung die Einwohner Trakehnens und nahezu tausend
edle Trakehner Pferde ihre angestammte Heimat verlassen.
Eine Rückkehr war nicht mehr möglich. Damit war das Ende
des ruhmreichen preußischen Hauptgestüts Trakehnen
besiegelt. Gegenwärtig wird verschiedentlich dieses
traurigen Ereignisses gedacht. Im Folgenden soll an eine
ähnliche aber letztlich nicht ganz so folgenträchtige
Begebenheit erinnert werden, die sich vor mehr als 100
Jahren im fernen Ostpreußen zutrug.
Um die Jahrhundertwende hatte
Landstallmeister Burchard v. Oettingen (1895- 1912) in
Trakehnen ein Wunderwerk vollbracht. Durch umfangreiche
bauliche Erneuerungsarbeiten und Erweiterungen war in
relativ kurzer Zeit das traditionsreiche preußische
Hauptgestüt nicht nur zur modernsten Gestütsanlage
Europas geworden, sondern auch zu dem sprichwörtlichen
Paradies der Pferde. Mit dem Neuen Hof waren u.a. der
Boxenstall, ehemals mit 70 geräumigen Boxen für die
dreijährigen Trakehner Pferde bzw. Jagdpferde, sowie
eine neue geräumige Reithalle entstanden. Außerdem waren
unter seiner Ägide der Hauptbeschälerstall, zahlreiche
Paddocks und 60 neue moderne Wohnhäuser für 233 Familien
in Trakehnen und auf den Vorwerken gebaut worden. Als v.
Oettingen im Jahr 1912 zum Oberlandstallmeister ins
Preußische Landwirtschaftsministerium berufen wurde,
trat sein Schwiegersohn Kurt Graf v. Sponeck in
Trakehnen seine Nachfolge an. Als ehemaliger Leiter der
Landgestüte Braunsberg und Gudwallen hatte er bereits
eine besondere Vorliebe für das Ostpreußische Pferd
gewonnen. Er galt schon damals nicht nur als ein überaus
begnadeter Horseman sondern auch als ein außergewöhnlich
versierter Jagdreiter.

Graf v. Sponeck noch
während seiner Zeit als Gestütsdirektor in Gudwallen mit
dem Trakehner Hengst Tender v. Perfektionist xx im
Trakehner Jagdgelände. Quelle: “Zeitschrift das Edle
Ostpeußische Pferd“ Jg.1922
Flucht unausweichlich
Schockartig wurde die glanzvolle
Aufbauarbeit durch den heraufziehenden Ersten Weltkrieg
unterbrochen. Zwei russischen Armeen standen im
Nordosten nur einer deutschen Armee gegenüber. Aller
Voraussicht nach konnte die ostpreußische Grenze nicht
gegen die russische Offensive verteidigt werden. Dies
wurde rechtzeitig erkannt. Wiederum war
Oberlandstallmeister v. Oettingen, diesmal von Berlin
aus, gefordert, einen Evakuierungsplan für Trakehnen zu
entwickeln und rechtzeitig vor dem eigentlichen
Kriegsausbruch zu handeln. Auf keinen Fall sollten die
wertvollen Gestütspferde in die Hand des Feindes fallen.
Im Vorwort des Vierten Bandes des Trakehner Stutbuches
gibt v. Sponeck einen eindrucksvollen Bericht über den
Ablauf der Flucht aus Trakehnen. Bereits in der ersten
Augusthälfte 1914 wurden vom Bahnhof Trakehnen aus die
600 hochwertigsten Pferde auf drei Extrazüge verladen
und in die beiden Hauptgestüte Neustadt/Dosse und
Graditz abtransportiert. Darunter waren auch größten
Teils Stuten mit Fohlen bei Fuß. Das Verladen erfolgte
zumeist in der Dunkelheit, wobei die Verladerampe nur
ungenügend beleuchtet war. Trotzdem verlor nur eine
Stute ihr Fohlen, das aber noch rechtzeitig gefunden
wurde und sogleich in einen Personenzug verladen werden
konnte, um am nächsten Morgen wieder zu seiner Mutter
zurückkehren zu können. Da beide Gestüte mehr als an
ihre Kapazitätsgrenzen gerieten, wurden größere
Privatgehöfte in der Umgebung für die Unterbringung
angemietet.
Vor der großen Übermacht
der Russen musste dann am 18. August Trakehnen
vollständig geräumt werden. Der nahezu endlose
Flüchtlingszug sollte die Menschen und deren wichtigste
Hab und Gut, verladen auf einer Vielzahl von Ackerwagen,
die mit Pferden und Ochsen bespannt waren, in Sicherheit
bringen. 1850 Menschen, 462 weitere Gestütspferde, 260
Ackerpferde, 650 Stück Deputantenvieh, 250 Zugochsen und
313 Weideochsen mussten Haus und Hof verlassen. Es war
sommerlich warm und trocken. So gelang es dem damaligen
Landwirtschaftsdirektor Conradi, der den Zug leitete,
trotz aller Hemmnisse und unter großem persönlichen
Einsatz den Flüchtlingszug weitgehend ohne Schaden nach
Mühlhausen, an den ersten Zielort, und dann weiter per
Fußmarsch nach Marienwerder zu bringen. In Mühlhausen
konnten die restlichen 450 Gestütspferde auf die
Eisenbahn verladen und in den Westen transportiert
werden. Ein beträchtlicher Teil der Zuchtpferde wurde
weiträumig verteilt, so nicht nur im Raum Neustadt/Dosse
und Graditz, sondern auch auf drei Weideplätze im
Riesengebirge und sogar in der Nähe von Düren im
Rheinland. Hier wurde die ganze Rappenherde in dem
damals leerstehenden Vollblutgestüt Gürzenich
untergebracht.
Rettung der Pferde
gelungen
Dank des umsichtigen Einsatzes
von Graf Sponeck konnte der Pferdebestand weitgehend vor
dem Zugriff der Russen gerettet werden. Auch alle
Vorwerke Trakehnens waren total geräumt worden Zu jener
Zeit machte Martin Heling, der spätere Landstallmeister
von Braunsberg, Rastenburg und Georgenburg, als junger
Offizier und Angehöriger eines ostpreußischen Regiments
seine erste Bekanntschaft mit den weiten Fluren
Trakehnens, auf denen er einige Jahre später als junger
Gestütsassistent eine ganze Saison lang an den
Reitjagden teilnehmen durfte. Das Quartier fand er mit
seinem Pferd in dem Kalpakiner Stutenstall. Es war die
Zeit nach dem 29. September, nachdem Feldmarschall v.
Hindenburg nach der gewonnenen Schlacht bei Tannenberg
die Russen wieder aus Ostpreußen vertrieben hatte. Bis
dahin war Trakehnen mit seinen Gebäuden und Anlagen noch
glimpflich davongekommen. Die schonende Behandlung hatte
einen Grund: Der zaristische General und Heerführer v.
Rennenkampf hatte im Fall eines Sieges auf Trakehnen als
Dotation gehofft.
Kaum waren die Inspektoren,
Landarbeiter und Gespanne nach Trakehnen zurückgekehrt,
um die Herbstbestellung anzugehen, mussten sie am 5.
November Trakehnen ein zweites Mal räumen. Erneut wurde
Ostpreußen zum schrecklichen Kriegsschauplatz. Erst
Mitte Februar wurden die russischen Truppen in der
Schlacht an den Masurischen Seen endgültig vernichtend
geschlagen und zum Rückzug gezwungen. Trakehnen bot
diesmal ein Bild ärgster Zerstörungswut. Die
Königsberger Zeitung lieferte dazu einen authentischen
Bericht: Brandgeruch und noch rauchende Trümmer
verrieten, dass der Feind erst kurz vor seinem Abzug
gerade im Hauptgestüt sein grässliches Zerstörungswerk
angerichtet hat. Viele der erst kürzlich erbauten
Wohnhäuser entlang den Straßen, das neue Schulgebäude,
die Apotheke, das Gasthaus Elch, das Postamt und viele
Wirtschaftsgebäude sowie Scheunen waren aus- und
niedergebrannt. Der erst 1867 errichtete
Getreidespeicher war stark beschädigt. Der erst vor
wenigen Jahren fertig gestellte Hauptbeschälerstall, ein
Musterbau in seiner Art, in dem sich auch das Museum mit
seinen Skeletten und seinen hippologischen Sammlungen
befand, war an mehreren Ecken in die Luft gesprengt
worden.

Hauptbeschälerstall 1915,
von den Russen an verschiedenen Stellen gesprengt.
Quelle: Zeitschrift für Bauwesen, 72. Jg. 1922, 4.bis 6.
Heft
Die neue Reitbahn lag in
Trümmern. Wobei das Dachgefüge drohte, gänzlich
einzustürzen. Das Trakehner Schloss selbst war einem
Wunder gleich unversehrt geblieben, aber völlig
ausgeraubt worden. Davor fehlte jedoch der in Bronze
gegossene Hauptbeschäler “Morgenstrahl“. “Haben den die
Russen vielleicht als Briefbeschwerer mitgenommen?“, so
war es später in der lokalen Zeitung zu lesen. Insgesamt
waren 83 Gebäude total zerstört worden.
Schreckliche
Zerstörungen
Bitter enttäuscht kehrten die
Menschen mit ihrem Vieh und ihren wenigen Habseligkeiten
nach Trakehnen zurück. Sie sahen sich einer trostlosen
Verwüstung gegenüber. In mühevoller Arbeit galt es, erst
einmal den Schutt wegzuräumen und an den Wiederaufbau
heranzugehen. Gleichzeitig musste der
landwirtschaftliche Betrieb wieder in Gang gebracht
werden. An die Rückführung der Gestütspferde war vor der
neuen Ernte zunächst gar nicht zu denken. Obgleich die
Zuchtstuten und der gesamte Nachwuchs einigermaßen
passabel untergebracht waren, haben alle Pferde während
der Deportation stark gelitten. So haben im Jahr 1915
von den 409 Mutterstuten nur 124 lebende Fohlen zur Welt
gebracht, während 145 Mutterstuten verfohlt haben. Auch
die jüngeren Fohlenjahrgänge konnten die Folgen kurzer
Phasen einer Mangelernährung nicht wieder ausgleichen.
Mit Recht kommentierte v. Sponeck dies so: “Wer weiß,
wie sehr das Pferd ein Produkt seiner Scholle ist, wer
weiß, wie schwer die Verpflegung großer Pferdebestände
in so ungünstigen Zeiten ist, der wird ermessen können,
dass die indirekten Schäden, die Trakehnens
Pferdebestand erlitten hat, nicht gering eingeschätzt
werden dürfen.“ Ein erster Teil der Gestütspferde kam
dann im September 1915 nach Trakehnen zurück. Aus
Hirschfeld in Schlesien trafen erst im November 1919 die
letzten Jahrgänge wieder in der Heimat ein. Dennoch
wurden bereits im Herbst 1915 in Trakehnen wieder die
ersten Jagden geritten.

Graf und Gräfin v.
Sponeck zu Pferde vor dem Trakehner Schloss
(Gartenseite)
Deutsches Pferdemuseum Verden/Aller.
Dies hatte Gräfin v. Sponeck in
großer Dankbarkeit für die militärischen Erfolge
persönlich in einem Schreiben Feldmarstall v. Hindenburg
mitgeteilt. Dieser hat dann seinerseits in einer Antwort
seine Freude darüber zum Ausdruck gebracht. Das Reiten
über das prachtvolle Jagdgelände Trakehnens war jedoch
nur möglich mit den jungen Pferden, die schon angeritten
waren. Die Reitburschen waren fast alle zum
Kriegseinsatz beordert worden. Dafür waren die Schüler
Trakehnens in den Sattel gestiegen.
Tatkräftiger
Wiederaufbau
v. Sponeck hat unmittelbar und
tatkräftig mit dem Wiederaufbau begonnen. Dafür stand
bis Kriegsende eine große Zahl an Kriegsgefangenen zur
Verfügung. Wiederum war es Oberlandstallmeister v.
Oettingen in Berlin, der sich im Preußischen Landtag für
die Bewilligung der erforderlichen Finanzmittel mit
Nachdruck und Erfolg einsetzte. Noch unter der Leitung
von Landstallmeister v. Sponeck konnte das Hauptgestüt
um 1800 ha fruchtbaren Bodens vergrößert werden. So war
Anfang Juli 1921 das frühere Remontedepot Kattenau mit
seinen umfangreichen Ländereien zum Hauptgestüt
Trakehnen hinzugekommen. Das Hauptgestüt brauchte fortan
keine Barzuschüsse mehr für den Zukauf von Hafer, Heu
und Stroh, sondern konnte nun diesen Bedarf in eigener
Produktion selbst decken. Auch stand zusätzlich mehr
hervorragendes Weideland für die Aufzucht der
Junghengste zur Verfügung. v. Sponeck setzte das
Zuchtprogramm seines Vorgängers unter noch stärkerer
Verwendung des Englischen Vollblüters konsequent fort.
Durch die weitere Intensivierung der Schulung des
Pferdenachwuchses im Jagdgelände konnten die Trakehner
im internationalen Sport schon bald als hoch veranlagte
Halbblut-Leistungspferde Weltruhm erlangen. Obgleich v.
Sponeck die geforderte Verstärkung des Trakehner Pferdes
schon eingeleitet hatte, musste er das Feld räumen. Die
beiden Vollblutgestüte Altefeld und Schlenderhan, deren
Leitung er danach übernahm, machten durch große
Rennerfolge bald von sich reden.
Dr.
Horst Willer (Dezember 2019)
Das Schlimmste, was Menschen mit ihrem Hab und Gut
passieren konnte, war gegen Ende des Zweiten Weltkrieges
die Flucht aus Ostpreußen vor dem heranrückenden
sowjetischen Militär. Menschen und Pferde haben auf dem
sogenannten Großen Treck Leistungen vollbracht, die
heute nicht mehr vorstellbar sind. In wenigen Stunden
mussten in vielen Fällen die nötigsten Dinge auf die
schweren Treckwagen verladen werden. Die ehemaligen
Hofbesitzer und Pferdezüchter mit ihren Familien waren
über viele Tage hinweg bei klirrender Kälte eingereiht
in Kilometer lange Trecks unterwegs gen Westen und dabei
stets in der Angst, von den russischen Flugzeugen
entdeckt und beschossen zu werden. Es gab tragende
Zuchtstuten, die an einem Tag bis zu 120 km zurücklegen
mussten, zudem dies bei mangelnder Futterversorgung und
oft ohne Hufeisen. Die treuen Trakehner Pferde haben in
diesen Wochen und Monaten in zahlreichen Fällen ihren
Besitzern buchstäblich das Leben gerettet.
Niemals vorher stand die Zucht des
ostpreußischen Pferdes so in Blüte wie vor und noch
während des Zweiten Weltkrieges. Dr. Fritz Schilke, der
sein Leben lang aufopfernd für die Zucht des Trakehner
Pferdes gearbeitet hat, berichtet in seinem Buch
“Trakehner Pferde- Einst und Jetzt“ u.a. Folgendes: Im
Jahr 1939 betrug die Zahl der eingetragenen Zuchtstuten
43 000. Jährlich wurden 3 500 Jungstuten neu ins
Stutbuch eingetragen. Noch im Jahr 1941 wurden 161
zweieinhalbjährige Hengste auf der Körung in Königsberg
vorgestellt. Kein Pferdezuchtgebiet konnte je mit diesen
Zahlen aufwarten.
In diese Blüte der ostpreußischen Edelpferdezucht
fiel das Ende des verlorenen Weltkrieges. Die
sowjetische Armee überschritt die östlichen Grenzen des
Deutschen Reiches. Weitsichtige Pferdezüchter hatten
dies kommen sehen und versucht, schon vorher ihre
wertvollen Zuchtstuten und Hengste in westlichere
Gebiete zu bringen Doch das wurde von dem damaligen
Gauleiter Koch verboten. Verspätet wurde dann erst gegen
Ende des Jahres 1944 die Räumung in einigen Kreisen
angeordnet. Im Vergleich zur Flucht des Hauptgestüts
Trakehnen war die Flucht der vielen privaten Züchter und
ihrer Familien eine unendlich größere Strapaze. Viele
Pferde starben auf dem Treck, Stuten verfohlten oder
mussten wegen gravierender Verletzungen den Gnadenschuss
bekommen. Viele Fohlen und Jungpferde mussten in der
Heimat zurückgelassen werden.

Der Große Treck zieht bei
klirrender Kälte gen Westen
Fotonachweis: unbekannt
Erinnerung an den Großen Treck vor fast 75
Jahren
Mitte Januar, in der kältesten Jahreszeit, brachen
die Russen endgültig in Ostpreußen ein. Die
Flüchtlingsströme wuchsen an, die Straßen waren von
schweren Treckwagen verstopft, an den Flussübergängen
stauten sich die großen Wagenkolonnen. Nach dem 22.
Januar hatten die russischen Truppen halb Ostpreußen
eingekesselt. Es gab nur noch zwei Fluchtwege: über das
Pillauer Tief oder über den schmalen Landstreifen der
Frischen Nehrung. Durch das Pillauer Tief rollten
pausenlos Militärfahrzeuge. So blieb nur noch ein
Fluchtweg über das Frische Haff. Wahrscheinlich hat der
harte Winter des Jahres vielen Flüchtlingen das
Entkommen möglich gemacht. Denn wenn das Frische Haff
nicht zugefroren wäre, wäre dadurch jede
Fluchtmöglichkeit abgeschnitten gewesen. Die schmalste
Stelle über das Eis betrug ca. 8 km. Da die meisten
Treckwagen nicht den geradesten Weg nehmen konnten,
legten viele 10 und mehr km über das Eis zurück. Erst
wenn man sich die normale Beanspruchung, Pflege,
Unterbringung und Futterversorgungeines Pferdes
vergegenwärtigt, kann man ermessen, was Hunderte von
Trakehner Pferden auf dem Treck geleistet haben In den
ersten Tagen mussten die Treckwagen einen möglichst
großen Abstand zwischen die feindlichen Panzer und den
eigenen Standort bringen. Die meisten fuhren Tag und
Nacht, um ihr Leben zu retten. Viele Pferde mussten auf
dem Treck mit täglich vier bis sechs Pfund Hafer und
wenig Heu auskommen Die nächtlichen Quartiere an der
Treckstrecke waren zumeist überfüllt oder glichen einem
Notlager.
Einige Zeitzeugen berichten
Kurz nach dem Krieg schrieben einige Trakehner
Züchter ihre Erlebnisse aus jener Zeit auf. .Dr. Fritz
Schilke hat einige dieser Berichte in seinem Buch
veröffentlicht. Der bekannte Züchter Franz Scharffette
aus Hengstenberg Kallwischken, Kreis Insterburg,
schreibt: „ Über die Treckleistungen meiner Stuten
möchte ich sagen, dass mich meinen herrlichen
ostpreußischen Stuten vor der russischen Gefangenschaft
gerettet habe. Sehr oft mussten sie bei Tag und Nacht
bei furchtbarem Schneetreiben draußen bleiben, auf dem
Treck hat nur eine Stute verfohlt. Im Durchschnitt bin
ich 50 bis 60 km täglich marschiert und viele meiner
Pferde sind bis Mecklenburg ohne Eisen gegangen. Die
Futterration der Pferde betrug pro Tag sechs Pfund Hafer
und etwas Heu.“ Ein anderer Flüchtling, Albert Schenk
aus dem Kreis Tilsit- Ragnit, berichtet: „Über sechs
Wochen haben die Pferde bei Tag und Nacht nur am Wagen,
ohne abgespannt zu werden, in Wind und Wetter
durchhalten müssen. Wo es im Januar und Februar in
verschneite Wegen nicht voranging, wurden vier Pferde
zusammengespannt.“

Am “Tag des Pferdes“,
veranstaltet am 15. März 1963 in der Westfalenhalle
Dortmund,
wurde mit dem Treckwagen, bespannt mit vier Trakehner
Pferden, an die Flucht aus Ostpreußen erinnert
Fotonachweis: Menzendorf
Es wird angenommen, dass rd. 700 Stuten und 60
Hengste ostpreußischer Abstammung in die Bundesrepublik
Deutschland gerettet werden konnten. Sie befanden sich
verständlicherweise in einem erbärmlichen Zustand, der
nur langsam besser werden konnte, weil auch im Westen
des durch den schrecklichen Krieg geschundenen
Deutschlands kaum Futter aufzutreiben war. Trotzdem ist
es im Laufe der folgenden Jahre gelungen, aus den
Restbeständen einer heimatlosen und zerstörten Zucht
edler Pferde wieder eine respektable Trakehner
Reitpferdezucht aufzubauen, aus der in den vergangenen
Jahren wieder eine Vielzahl national und international
erfolgreiche Turnierpferde hervorgegangen sind.
Quelle: Auszug aus „ Pferde –
Das illustrierte Lexikon der Pferderassen, Nr. 4, 1976,
Sympoion Verlag Esslingen
Dr.
Horst Willer (Juli 2019)
Trakehner Pferde haben als lebendes Kulturgut die Zeit
überdauert
-
Eine späte Würdigung des Trakehner Hengstes Totilas
-
Bevor
der “Wunderhengst“ und mehrfacher internationale Grand
Prix- Sieger Totilas v. Gribaldi (Trak.) mit Edward Gal
die Pferde Welt verzauberte, gab es bereits ein halbes
Jahrhundert früher einen Namensvetter, der zu seinen
Ahnen zählt, der 1938 in Trakehnen das Licht der Welt
erblickte und der selbst bereits Zuchtgeschichte
geschrieben hat.
Die Pferde Trakehner Abstammung waren
einst die besten Soldaten- und Sportpferd der Welt.
Heute sind sie moderne Reitpferde der Extraklasse über
alle Grenzen hinweg. Der größte Teil der ostpreußischen
Edelpferde fielen vor mehr als 70 Jahren Krieg und
Vertreibung zum Opfer. Ungefähr 600 Stuten und 25
Hengste konnten in den Westen gerettet werden und
bildeten nach 1945 den Grundstock für den Wiederaufbau
der Trakehner Zucht in der Bundesrepublik Deutschland.
In die spätere DDR waren ungefähr ebenso viele Stuten
gelangt, darunter viele ohne Abstammungsnachweis. Der
Typ und der Habitus des Trakehner Pferdes mit seiner
unverwechselbaren Ausstrahlung wurde während seiner fast
bald 300-jährigen Geschichte trotz aller bitteren
Zäsuren konsequent und kontinuierlich in Reinzucht mit
hohen Anteilen des englischen und arabischen Vollbluts
entwickelt und bis zum heutigen Tag bewahrt.
Schon in
den 20-und 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts
zählten die Ostpreußischen Pferde Trakehner Abstammung
zu den begehrtesten Reitpferden in Deutschland. Auf der
Olympiade 1936 hatten die ostpreußischen Pferde acht
Medaillen errungen. Eindrucksvoller konnte das große
sportliche Leistungsvermögen dieser Rasse nicht unter
Beweis gestellt werden. Enormes hatte der letzte
Landstallmeister Dr. Ernst Ehlert in Trakehnen
geleistet. Als begabter Hippologe konnte er die
Trakehner Zucht bis zu dem Zeitpunkt, als das
schreckliche Ende des Krieges nahte, zu einer bis dahin
nicht erreichten Blüte bringen. Die ostpreußische
Pferdezucht in bäuerlicher Hand und auf den großen
Gütern befand sich zu jener Zeit gleichermaßen auf dem
Höchststand. Das preußische Hauptgestüt Trakehnen hatte
in den 30-er Jahren Kultstatus erreicht und war
gleichsam zum Mekka pferdegegeisterter Menschen aus
aller Welt geworden. Im Sommer war der Pilgerstrom mit
monatlich ca. 4000 Besuchern am größten.

Der Siegerhengst Totilas v.
Phytagoras würdig befunden für die Titelseite der
damaligen Fachzeitschrift
Im Frühjahr
1938 wurde auf dem Vorwerk Königseichen (Kalpakin), wo
die braune Stutenherde beheimatet war, ein stattliches
Hengstfohlen v. Phytagoras a.d. Tontaube v. Pilger, das
den Namen Totilas- so hieß ehemals ein namhafter König
der Ostgoten- erhielt. Der kleine Totilas war ungeachtet
seiner exzellenten Abstammung - dreimal führt er den
berühmten und den seit 1932 in Bronze gegossenen
Tempelhüter in seinem Pedigree - ein unbeschriebenes
Blatt. Dr. Ehlert sollte sich in ihm hinsichtlich dessen
Einschätzung als künftigen Beschäler nicht irren und
befand, dass er nach der Trennung von der Mutter zur
Hengstaufzucht in das Vorwerk Mattischkehnen zu seinen
Altersgenossen beordert wurde. Schon ein Jahr später
erfolgte seine “Versetzung“ in das Vorwerk
Neupreußenfelde ( Neu.- Pudupönen), wo die zweijährigen
Hengste – meist 20 bis 40 an der Zahl- aufwuchsen und
auf den weiten Koppeln im spielerischen Wettkampf ihre
Kräfte messen konnten. Der Januar 1941 nahte heran, die
gerade drei Jahre alt gewordenen Youngster waren bereits
an Trense und die Präsentation an der Hand vor einem
Richterkollegium gewöhnt, als sie zur Körung nach
Königsberg verladen werden mussten .Unter den prächtig
herausgebrachten Vierbeiner befand sich auch Totilas. Er
zeigte sich in bester Verfassung: Großrahmig, mit
perfekter Oberlinie, großen Partien hinsichtlich
Schulter und Widerrist sowie Hinterhand, einem
ausgezeichneten Fundament, lockeren und schwungvollen
Bewegungen sowie jugendlicher Ausstrahlung. Als gekörter
Hengst rangierte er ganz vorn und war einer der Besten
seines Jahrganges. Landstallmeister Martin Heling gab
ihm beste Noten und erwarb den ganz im Dampfross-
Phytagoras- Typ stehenden Hengst für das von ihm
geführte Landgestüt Georgenburg. Zum ersten
züchterischen Einsatz kam er auf der Station
Hengstenberg (Kallschwicken), wo der renommierte Züchter
Franz Scharffetter beheimatet war. Allein diese Tatsache
war bereits eine erste große Auszeichnung. Helings
Urteil hatte Gewicht. Bereits damals, nachdem er jeweils
für einige Jahre die Landgestüte Braunsberg,
Neustadt/Dosse und Rastenburg geleitet und schon als
junger Gestütsassistent in Trakehnen während einer
Jagdsaison selbst alle Jagden mitgeritten hatte, war er
als Hippologe hoch geschätzt. Totilas` erste
Fohlenjahrgänge waren vielversprechend. Im Jahr 1944
waren Martin Heling und Dr. Ehlert sich der möglichen
immensen Risiken des Kriegsausgangs bewusst und
veranlassten in kluger Voraussicht, dass eine größere
Zahl Hengste in den Westen Deutschlands gelangte.
Darunter befanden sich neben Totilas auch die später so
bedeutenden Trakehner Vererber, wie Humboldt,
Tropenwald, Semper Idem, Lateran und Abglanz, die in den
Landgestüten Osnabrück bzw. Warendorf und Celle ihre
neue Heimat fanden.

Totilas schaut genüsslich
aus seiner Box hervor
In den folgenden Jahren nach dem
schrecklichen Kriegsende ging es zunächst darum, in den
total zerstörten Städten Deutschlands , Wiederaufbau zu
leisten und auf dem Lande dafür zu sorgen, dass wieder
genügend Nahrungsmittel für die notleidende Bevölkerung
produziert wurden. Als Zugkraft auf den Höfen waren
damals die kräftigen Wirtschaftspferde gefragt. Insofern
fiel die Nachkommenschaft der Trakehner Hengste recht
spärlich aus. Einige Hengste Trakehner Abstammung wurden
sogar gelegt und als Reit- und Wagenpferde verkauft.
Erst als Ende 1947 in Hamburg der “ Verband der Züchter
und Freunde des Warmblutpferdes Trakehner Abstammung e.
V“ gegründet worden war, bekam die Trakehner Pferdezucht
in Westdeutschland allmählich wieder neuen Auftrieb.
Totilas siedelte 1949 nach Schleswig-Holstein über und
bekam im Privatgestüt Rantzau ein neues Wirkungsfeld.
Später von 1954 bis 1956 deckte er als Leihhengst auf
der Station im benachbarten Schmoel. Während dieser Zeit
und auch noch später in Timmendorf und Wetterade bei dem
mehrmaligen Fahrderby-Sieger Franz Lage fand Totilas
bei den Trakehner Züchtern großen Zuspruch, jedoch auch
bei einigen Holsteiner Züchtern. Allein 60 Töchter –für
die damalige Zeit ein Rekordergebnis- wurden in das
Trakehner Stutbuch eingetragen, darunter so bedeutende
Stuten, wie Schwalbe, Toga, Herbstgold, Tip Top, Memel,
Herbstsonne, Barbara, Flugpost, Bergfee und Amsel.
.Damit bildete Totilas, der schon damals alle positiven
Eigenschaften eines modernen Reitpferdes in sich
vereinigte, eine der wesentlichen Säulen beim erneuten
Aufbau der Trakehner Reitpferdezucht nach dem Zweiten
Weltkrieg. In der männlichen Linie konnte Totilas
bedauerlicherweise nicht Fuß fassen, da zwei seiner
exzellenten Söhne krankheitsbedingt frühzeitig
ausgeschieden sind.

Totilas in seinem
imponierender Auftritt als Preisträger auf der
Landespferdeschau in Rendsburg 1958
Rückblickend gleicht es einem
Wunder, dass Totilas sein wertvolles genetisches Erbe
gleich dreifach über seine Töchter Herbstsonne und
Flugpost an seinen Ur -Urenkel Gribaldi v. Kostolany-
Ibikus , geb.1993, und letztlich dann auch an dessen
prominenten Sohn Totilas weitergeben konnte. Gribaldi,
Siegerhengst auf der Körung in Neumünster, kam in den
Beritt von Edward Gal, der ihn bis zur Grand Prix- Reife
förderte und mit ihm international viele Siege und
Platzierungen erringen konnte. Im internationalen
Ranking galt er weltweit als der gewinnreichste
Trakehner im Sport. Auch züchterisch hat Gribaldi
Schlagzeilen gemacht. So hat er mehr als 40 gekörte
Söhne und Enkeln hervorgebracht. Die bekanntesten unter
Ihnen sind: Millenium, Hofrat, Distelzar, Painted Black
(KWPN), Herakles, All Inclusiv, und Hoftänzer (Trak.),
die auch bereits zu Championatsehren gekommen sind.
Gribaldi führt mit seinen zahlreichen Söhnen, Töchtern
und Enkeln die Weltzuchtrangliste (WBFSH) Dressur an.
Jene Gribaldi-Nachfahren wie auch viele andere seiner
Nachkommen zeichnen sich ebenfalls in ihren Bewegungen
durch Leichtigkeit, Eleganz und Elastizität aus. Nahezu
500 Töchter dürften gegenwärtig im Stutbuch des KWPN
eingetragen worden sein, wobei wiederum ein gutes
Drittel die Staatsprämie erhalten hat. In den
Niederlanden wurde Gribaldi mit dem Keur-Prädikat und in
Deutschland als “Trakehner des Jahres 2008“
ausgezeichnet. Es ist das große Verdienst von Otto
Langels, Hämelschenburg, als Aufzüchter die besonderen
Qualitäten dieses hervorragenden Pferdes, das bei Marita
Werner, Mittenaar, geboren wurde, erkannt zu haben. Mit
dem Stempelhengst Gribaldi und seinen wertvollen Ahnen
kommt das ehemalige preußische Hauptgestüt Trakehnen zu
späten Ehren. Die Namensgebung des Weltmeisters sollte
kein Zufall sein.
Auch die Züchter in Holstein wussten
schon bald um die besondere Qualität des Trakehners
Totilas als Veredelungshengst und erteilten ihm die
Anerkennung für die Holsteiner Reitpferdezucht, zumal er
beachtliches Springvermögen an seine Kinder weitergab.
Nachweislich wurden 15 Töchter in das Holsteinische
Stutbuch eingetragen. Davon sollten zwei - Mamba v.
Totilas (St.4507) und Lyk v. Totilas St.8829) - in der
5. Generation mütterlicher- und väterlicherseits jeweils
zu Stammmüttern der beiden Vollgeschwister und
Weltpferde Cornado I (geb.2003) und Cornado II
(geb.2005) werden. Die Vollbrüder - zwei wunderbare
Schimmelhengste und Leistungspferde, geritten von Marus
Ehning bzw. Christian Ahlmann – zählen mit ihren
zahlreichen Siegen und Platzierungen in Großen Preisen
und Weltcup-Springen in Paris, Genf, Bordeaux, Lyon,
Göteborg, Herning und Herzogenbosch gegenwärtig auf
internationalen Turnieren zu den erfolgreichsten
Springpferden.

Totilas als Alter Herr im
Alter von 24 Jahren
Der Phytagoras - Sohn Totilas beendete im
Jahr 1965 mit 27 Jahren sein ruhmreiches Leben. Eine
besondere Genugtuung ist die Tatsache, dass sein
wertvolles Trakehner Blut bis zum heutigen Tag in
weltbekannten Sportpferden und wiederum auch in deren
Nachkommen der Neuzeit tief verankert ist.
Dr.
Horst Willer (März 2019)
Hommage an Trakehnen
Felix
Bürkner erinnert sich an viele Besuche anlässlich der
Reitpferdeauktionen
Schon
seit 1924 besuchte ich jede Auktion in Trakehnen. Die
Auswahl wirklich erstklassiger Pferde war damals enorm
groß: 90 bis 120 Pferde wurden in einer Aufstellung
angeboten und jährlich fanden zwei Auktionen statt, im
Frühjahr und im Herbst. Im Herbst nahm ich mir die Zeit,
einige Trakehner Jagden auf dem herrlichsten Geläuf der
Welt mitzureiten , die Querfeldeinrennen zu sehen und
Pirschfahrten in der Romintener Heide zu unternehmen,
meist unter Führung des unvergesslichen Herrn Rothe, des
Züchters so guter Pferde wie Absinth, Aquamarin und
Kronos, des Olympiasiegers von 1936.
Trakehnen
war ein Paradies. Ich kannte und liebte es schon seit
den Zeiten des Landstallmeisters Graf Sponeck und seiner
unübertrefflichen Gattin (des großen Oettingen Tochter),
die jedes Pferd zu beschreiben wusste, als wären sie
ihre Kinder, und die mit vorbildlichem Schneid bei den
z. T. wirklich schweren Jagden vor dem Felde und bei den
schnellen Hunden meist Dreijährige ritt. Seit 1922 war
Graf Siegfried Lehndorff, Landstallmeister von
Trakehnen. der Sohn des langjährig berühmten
Oberlandstallmeister, Graf Georg Lehndorff, dessen Ruf
und Ruhm als absolute Autorität in allen Zuchtfragen und
größter Förderer der gesamten deutschen Pferdezucht
einzig dasteht.

Der spätere Landstallmeister
Siegfried Graf v. Lehndorff hatte zunächst seine
Karriere als Gardeulan und als erfolgreicher Renn-und
Hindernisrennreiter begonnen
Siegfried Graf Lehndorff war 1. Garde- Ulan in Potsdam.
Er gewann in den 90-iger Jahren eine große Zahl von
Hindernisrennen und 1898 sogar das Championat der
Herrenreiter mit 36 Siegen. Nach 564 Ritten in z. T.
größten Rennen auf eigenen und fremden Pferden wechselte
Graf Lehndorff in die Gestütslaufbahn. Sein enormes
angeborenes Verständnis für die Zucht des edlen Pferdes
und weiteres ständiges tiefgründiges Studium als Leiter
der drei Staatsgestüte Neustadt /Dosse, Graditz und
Trakehnen machten ihn zu einem Experten allergrößter
Klasse. In seiner stillen überlegenen Art und seinem
bewundernswerten Gedächtnis besaß er einen so
zielsicheren Blick für Pferde, o dass ein persönlicher
Rat von ihm immer eine Gewähr darstellte. Bei allen
Trakehner Jagden ritt Lehndorff selbst als Jagdherr, im
Felde gefolgt von seinen prächtigen Söhnen, während die
Gräfin - eine Tochter des Kammerherrn v.
Oldenburg-Januschau - das prächtige Landstallmeisterhaus
den Jagd- und Auktionsteilnehmern in überaus
gastfreundlicher Weise offen hielt.

Landstallmeisterhaus
(Trakehner Schloss), Foto: Lilli Roth
Von
1931 an war Dr. Ehlert Landstallmeister in Trakehnen und
führte mit seiner verehrten Gattin die Lehndorff´sche
Tradition weiter - und so gehörten meine Erinnerungen
von zwanzig Jahren in Trakehnen mit zu den schönsten
meines Lebens. Außerdem hatte ich das große Glück, dort
verschiedentlich Spitzenpferde erwerben zu können, von
denen ich an dieser Stelle nur Isphahan, Bober, den
unübertrefflichen Herder sowie Ostwind erwähnen möchte –
nicht zu vergessen den Nana Sahib- Sohn (späteren
Springderby- Sieger) Morgenglanz.
Mit
einem Areal von über 24.000 Morgen umfasste das
Trakehner Jagdgelände fast 10.000 Morgen an Wiesen und
Weiden und ca. 8.000 Morgen Gehölze. Auf diesem
Riesenreich mit seinen unendlichen Weiten, seinen
breiten, fairen Wassergräben, Dämmen und Ricks die
dreijährigen edlen Pferde galoppieren und mit ihnen den
vorzüglich eingejagten Hunden folgen zu können, war eine
wahre Herzenslust, die durch nichts überboten werden
konnte. Mustergültig war die Erziehung der Jagdpferde,
ein hohes Verdienst des Sattelmeisters Kiaulehn, der
jedes Jagdpferd genau kannte und immer bemüht war, es so
beritten zu machen, wie seine Eigenart es erforderte Der
prächtige Adomat unterstützte ihn dabei, das besondere
Augenmerk galt der reiterlichen Erziehung der Trakehner
Jungens beim Anreiten der jungen Pferde. Diese wurden
zum Vertrauen erzogen. Sie standen beim Auf- Und
Absitzen still, gingen im Schritt am langen Zügel hinaus
ins Gelände, ohne zu zackeln, und trabten mit leichter
Zügelanlehnung auf einen Pfiff hin. Nach der Jagd wurden
sie trocken geführt, dann wieder in freiem, ruhigem
Schritt nach Hause geritten und stets wurde darauf
geachtet, dass unruhige Pferde, die zum Zackeln neigten,
nach vorn kamen und unbedingt Schritt gehen lernten. Das
Einspringen für die Jagden geschah lose ohne Reiter im
Sprunggarten über feste Hindernisse und Gräben. Im
Gelände wurde ohne Sporen, nur mit dem Stöckchen das
Tempo der Hunde geritten Bei diesen gingen die
sichersten Pferde, meist zwei Saisons über. Sie kamen
dann ein Jahr älter zur Versteigerung und waren
natürlich besonders begehrt.

Trakehner Hengst beim
Freispringen im Sprunggarten
An den
Tagen vor der Versteigerung wurden die Auktionspferde
den Interessenten zur Probe zur Verfügung gestellt. Da
gab es oftmals komische Bilder und unfreiwillige
“Trennungen“. Abends im Gasthof “Elch“ wurde dann
sondiert und hin und her überlegt. Man sprach sich mehr
oder weniger offen aus über die Kaufabsichten - und am
nächsten Tag kam es dann bei den Auktionen doch oft ganz
anders als man geplant und verabredet hatte. Ich habe
mit keinen einzigen der vielen Trakehner, die ich im
Laufe der Jahre in meinem Stall bekam, Enttäuschungen
erlebt: Man musste nur den Dreijährigen oder
Vierjährigen genügend Zeit zur Entwicklung geben und sie
trotz ihres hohen Blutanteils , trotz ihrer guten
Aufzucht und der Leistuntgen, die sie so jung schon bei
den Jagden zeigten, ausreifen lassen und schonen, denn
auch sie waren noch im vollen Wachstum begriffen , und
selbst Stuten wie Hochmeisterin wurden im Laufe der der
ersten beiden Jahre noch fünf Zentimeter größer.
Eine
Sicherheit hatte man beim Ankauf der jungen Trakehner,
sie wurden immer nobler und schöner, je älter sie wurden
, während privat gezogene Pferde sich oft im Sinne
gewöhnlich – auswuchsen. Selbst pummelige, unscheinbare
dreijährige Trakehner bekamen Linien, die man nicht
vermutet hatte, weil sie eben über Generationen auf
edelstes Blut durchgezüchtet waren. Die absolute
Sachlichkeit, Nüchternheit und Kürze einer jeden
Trakehner Auktion war geradezu vorbildlich. Die
Auktionskataloge mit den Beurteilungen und den Preisen,
welche die einzelnen Pferde gebracht hatten wurden in
all `den vielen Jahren aufbewahrt und bildeten
allmählich einen regelrechten Bestandteil der
hippologischen Literatur.
Am
Abend nach der Auktion fuhren alle im Schlafwagen nach
Berlin und tauschten stundenlang die Tageserlebnisse aus
mit all` den großen Hoffnungen und Erwartungen, die sich
nun an die Neuerwerbungen knüpften.

Felix Bürkner mit dem
Trakehner Hengst Spion v. Friedensfürst xx-Tender.
Foto entnommen aus: Felix Bürkner: Ein Reiterleben.
Felix
Bürkner (1883-1957), Kavallerieoffizier und einer der
profiliertesten Dressurreiter in Deutschland neben Otto
Lörke und Oskar Stensbeck in der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts; Olympiateilnehmer 1912 in Stockholm,
Ausbilder am alten Militärreitinstitut Hannover,
gründete 1830 die “Deutsche Reitschule“ in
Berlin–Düppel, führte die “Deutsche Schulquadrille“ ein,
war nach dem 1. Weltkrieg 14 mal deutscher Meister in
der Dressur, ab 1939 Leiter des Schulstalles der
Kavalllerieschule Berlin-Krampnitz, nach dem 2.
Weltkrieg tätig als Ausbilder und Richter.
Quelle: Auszug aus dem einschlägigen Kapitel des Buches
Bürkner, Felix: Ein Reiterleben. Olms Verlag, Hildesheim
1979, (Documenta Hippologica) Biographie, 355 Seiten,
mit zahlreichen interessanten Fotos.
- mit freundlicher Genehmigung des Georg Olms Verlag -
Dr.
Horst Willer (Februar 2019)

Ostpreußenfahrt
– Besuch in Trakehnen 1927
Mein
Leben lang habe ich mit ostpreußischen Pferden zu tun
gehabt. Eine ganze Anzahl habe ich selbst besessen.
Tausende sind an mir während einer immerhin länglichen
Dienstzeit in der Kavallerie in der Truppe
vorübergegangen. Trotzdem bin ich nie in Ostpreußen
gewesen, habe nie Gelegenheit gehabt, die
ostpreußische Pferdezucht an der Quelle zu studieren.
Als ich in diesem Jahr zum “Olympiadeturnier“ nach
Insterburg eingeladen worden war, habe ich dann doch
die Gelegenheit genutzt und bin abends bei
Strippenregen in Berlin- Charlottenburg in den
Schlafwagen gestiegen, um nach Insterburg zu fahren.
Dort fand ich im berühmten Hotel Dessauer Hof eine
vorzügliche Unterkunft.
Charly
Miller alias Karl Ritter (Mitte) im Gespräch mit
Gleichgesinnten
Das
große Insterburger Turnier hat mich in mehrfacher
Weise fasziniert. Der bei Lenkeningken gelegene
Turnier- und Rennplatz ist landschaftlich ein Idyll
und sportlich mustergültig angelegt. Mit ihm hat sich
sein Erbauer Major Wöhlki ein Denkmal geschaffen. Mir
kommt es immer komisch vor, dass man ausgerechnet an
die Grenzen des Reiches nach Aachen und Insterburg
reisen muss, um wirklich großzügige Turnierplatz-
Daueranlagen zu sehen. Was dort möglich ist, sollte
eigentlich auch in und um Berlin, wo die
Reichsverbandsturniere immer noch den Charakter eines
Wanderzirkus haben, möglich sein. Der neue Doppelwall
mit dem Rick in dem mittleren Graben sieht “feierlich“
aus. Als ich ihn zu Fuß mit Hilfe einer Leiter
bestiegen hatte, war ich – unter uns gesagt-
eigentlich ganz froh, dass ich nicht zu Pferde darüber
musste. Aber nachher beim Springen stellte sich
heraus. dass kaum ein Pferd Fehler machte Die
Insterburger Rennen sind herzerfrischend. An den
beiden Turniertagen wurden vier Jagdrennen – zwei über
5000 und zwei über 4000 m gelaufen - bei denen
buchstäblich die Funken flogen. Man muss das gesehen
haben, um zu verstehen, was in den ostpreußischen
Halbblütern und in den jungen, ostpreußischen Reitern
steckt.

Axel
Holst über dem Insterburger Doppel-Wall mit
Hochmeisterin v. Master Magpie xx – Shilfa xx
Zweimal
während der Insterburger Turnierwoche bin ich in
Trakehnen gewesen, und ich will hier gleich ehrlich
gestehen, dass ich mir dumm vorgekommen bin; dumm
deswegen, weil ich es mir nicht schon früher angesehen
habe. Herrgott, ist es in Trakehnen schön; nichts als
grüne Weiden, alte Alleen, und überall, wohin man
sieht, edle Pferde! Ich habe mein Leben lang in
Mitteldeutschland in Garnisonen gestanden, aber den
ostpreußischen Regimentern ist doch so manches geboten
worden, von dem wir nichts oder nur wenig ahnten. Was
muss es schön sein, als junger Kerl auf den edlen
Dreijährigen des Gestüts, die noch keine Untugenden
gelernt haben, am langen Zügel über die Trakehner
Fluren und all die verschiedenen einfachen und
kombinierten Sprünge zu reiten, und dabei das Gefühl
zu haben, her kannst du reiten, soweit der Himmel blau
ist, und das alles habe ich verpasst und habe mich mit
meinen anderthalb Lungenflügeln damit begnügen müssen,
bei einer Jagd zuzusehen und nur die letzten 1200 oder
1500 m herunterzukantern und am Tage des Geländerittes
mit den vier jungen Grafen Lehndorffs etwas im Gelände
herumzureiten und ein paar Galoppspritzer zu machen -
Warum kann ich nicht noch einmal jung sein? Dann würde
ich mich, wenn im Herbst die Blätter gelb werden, in
das Hotel „ Zum Elch“ einquartieren, und würde dann
bei fröhlichem Jagdreiten alles das vergessen, was
mich heute mal verärgert oder bitter macht. Nun bin
ich alter Knabe doch beinahe elegisch geworden und
muss sehen, dass ich wieder zu meiner alten
philosophischen Ader zurück finde: „Glücklich ist, wer
vergisst, was nicht mehr zu ändern ist!“
In Trakehnen habe ich mir zuerst die Auktionspferde
angesehen und habe dann einigen Hengsten in ihren
eleganten Privatvillen bzw. Laufgärten meinen Besuch
abgestattet. Erst habe ich Pretal xx, Friedensfürst xx
und Strudel und dann die Veteranen Tempelhüter und
Jagdheld besucht. Tempelhüter ist nun schon 23 Jahre
und Jagdheld, soweit ich erinnere, etwa ebenso alt,
und beide sind frisch und vergnügt. Es zeigt sich da
so recht, wie gute Wohnungs- und
Verpflegungsverhältnisse eine ansonsten auch
sorgenfreie Existenz und vor allem auch eine
berufliche Tätigkeit, der man mit Lust und Liebe
nachkommen kann, die Lebensdauer verlängert.

Friedensfürst
xx v. Ard Patrick xx- Talion xx vor seinem
Paddock
Nach
dem Frühstück im Trakehner Schloss, zu dem ich
freundlicherweise eingeladen war, ging es dann hinaus
zur Jagd.
Hier wäre nun, wenn ich den vorletzten Absatz nicht
schon geschrieben hätte, und wenn ich nicht Sorge
hätte, dass die Wahrheit doch rauskommt eine schöne
Gelegenheit, der staunenden Sportsgemeinde zu
erzählen, wie ich im White - Melvilleschen Stil über
den Juden-, den Tränkegraben, den Reitdamm, den Pissa
- Kanal u. a. gesprungen wäre; da ich aber einmal
Geschriebenes nicht gern ausradiere und meinen Ruf als
streng wahrheitsgetreuer Schriftsteller nicht in
Gefahr bringen möchte, begnüge ich mich damit
festzustellen, dass ich mich nach dem Randezvous in
Bajorgallen mit einem Gestütswärter von der Masse
getrennt und an den Judengraben gestellt habe, um mir
von dort aus den Zauber anzusehen. Der Judengraben ist
breit, und da er ziemlich am Ende der Schleppe gelegen
war, wo die Pferde durch den tiefen Boden schon etwas
erschöpft waren, musste ich unwillkürlich an den alten
Rittmeister a. D. denken, den wir beim Ausrücken in
den Krieg in der Garnison zurückließen und der, als
wir ihn deswegen anulkten, ganz ruhig sagte: „ Ja,
jetzt lacht Ihr!- Wenn ihr dann später nach Hause
kommt ohne Arme und ohne Beine und ohne Kopf, dann
lache ich!“
Das zweite Mal war ich in Trakehnen zum Geländeritt
der Vielseitigkeitsprüfung und habe auf dem
Rappwallach mit dem Namen Protest - einem Gentleman
reinsten Wassers, was Manieren und Gehen anbetrifft-
ein paar glückliche Stunden verlebt und mir die
Geländestrecke in allen Einzelheiten angesehen. Ich
konnte mich davon überzeugen, dass mit den
Wegestrecken und dem Rennbahngalopp - zumal bei dem
tiefen Boden- wohl es an die Grenzen dessen ging, was
man den Pferden mit gutem Gewissen vorsetzen darf.
Wenn wir unsere Olympiapferde weiter so scharf prüfen,
liegt es durchaus im Bereich der Möglichkeit, dass bei
der naturgemäß begrenzten Zahl der Pferde, die wir zur
Olympiade zur Verfügung haben, unsere Teilnehmer in
Amsterdam die Military zu Fuß erledigen müssen.

Harald
v. Chatou xx mit Lt. v.
Hülsen,
Auf dem Heimweg von der Jagd
Sieger der vorolympischen Vielseitigkeitsprüfung in
Trakehnen
Nun zu
den Menschen in Ostpreußen selber- sie gelten im
Gegensatz zu den quecksilberigen, von Lebensfreude
übersprudelnden Rheinländern als ernst und
zurückhaltend. Ich habe das -offen gesagt- nicht so
empfunden, sie brauchen nur eine Zigarre im Munde und
etwas Verständiges zu trinken haben , dann werden sie
trotz der trüben Zeiten kreuzfidel, und es lässt sich
gut mit ihnen leben Die Ostpreußen haben auch viel
mehr Poesie im Leibe als man ihnen gemeinhin zutraut.
Das zeigt sich in den Namen, die sie ihren edlen
Pferden geben. Was kann schöner sein als Namen wie:
Preußenstolz, Heiliger Speer, Heimathorst, Augapfel,
Jubellaut, Doppeladler. Das klingt doch ganz anders
als Nalminda, Nalpunda, Sabadoza, Sababolla u.s.w. mit
denen meine hannoverschen Freunde ihre Pferde
benennen. Ein schöner Name ist wie eine gute
Visitenkarte
Was den Alkoholgenuss anlangt, so bin im Großen und
Ganzen besser durchgekommen, als ich erwartet hatte.
Nur zweimal bin ich mit den diesbezüglichen
Landessitten in gefährliche Berührung gekommen. Einmal
auf dem Turnierplatz, wo ich mir des Regenwetters
wegen erst einen und dann auf Zureden einer jungen
Dame an der Theke einen zweiten Kirsch eingeflößt
hatte und danach in die Hände eines ostpreußischen
Pferdezüchters fiel, der darauf bestand, mit mir erst
einen und dann noch mehrere Kornschnäpse zu trinken -
aber als ich gerade anfing, die Welt rosa anzusehen,
musste ich weg zum Richten, und das Schlimmste wurde
vermieden. Letztlich ist die Alkoholfrage nicht so
gefährlich, wie sie immer gemacht wir, wenn man nicht
gerade an den Bärenfang – Schnaps gerät.

Unvergesslich
bleiben mir zwei Dinge: Einmal die Fahrt durch die
schöne Romintener Heide, die ich noch unternehmen
konnte, und zum anderen die freundlichen Menschen, die
mich armen Fremdling so liebenswürdig aufgenommen,
mich bei sich zuhause mit Gänsebraten “gefüttert“ und
dann – für meinen Geschmack viel zu früh- nach
Darkehmen zum letzten Zug nach Insterburg geschickt
haben. Hoffentlich sehen wir uns in diesem Leben noch
einmal wieder! Nur noch wenige Worte: Dass ebenso wie
der Prophet auch der Sportphilosoph in seinem
Vaterland nichts gilt, ist mir während Turniertage in
Insterburg so recht klar geworden. Während in und um
Berlin kein Deibel Charly Miller kennt, bin ich in
Ostpreußen bekannt wie ein bunter Hund, und das hat
mir oft verkanntem Manne gut getan. Überall bin ich
mit offenen Armen aufgenommen worden, und wenn ich all
die Einladungen hätte annehmen können, die ich
erhalten habe, dann wäre ich bis Weihnachten versorgt
gewesen.
Charly
Miller mit bürgerlichem Namen Karl Ritter und
Oberstleutnant betätigte sich in den 20-er Jahren als
Richter und Sportjournalist, er karikierte oft den
Turnier- und Pferdesport
Quelle: Auszug
aus dem einschlägigen Kapitel der “Turnier-
Erinnerungen und anderes“ von Charly Miller,
Herausgegeben vom Deutschen Pferdemuseum e. V.
Hippologisches Institut- im Liebhaber Verlag,
Verden/ Stuttgart, 1971, Bd. 3
Dr.
Horst Willer (August 2018)

Enkelin
bei ihren Großeltern in Trakehnen
- Erinnerungen-
Weihnachten
1939 fuhr meine Mutter mit meinem Bruder und mir wie
in jedem Jahr zu meinen Großeltern nach Trakehnen. Es
herrschte Krieg und unser Vater war als Hauptmann der
Reserve im Feld. Die Großeltern rieten den
Kriegsverlauf in Trakehnen abzuwarten.
Landstallmeister
Dr. Ernst Ehlert zusammen mit Oberlandstallmeister
Gaterman ( Mitte)
und Landstallmeister Ehlers ( Marienwerder ) in
der Reithalle in Trakehnen
So
habe ich unvergessliche Erinnerungen an meine Zeit in
Trakehen, in denen sich mein Großvater (Dr. Ernst
Ehlert) noch in ungehinderter Schaffensfreude seiner
Lebensaufgabe hingeben konnte. Sein mit Arbeit
reichlich angefülltes Tagesprogramm verlief nach einer
festgelegten Abfolge:
Tägliche
Pflichten
Morgens die täglichen Ausfahrten zu den Vorwerken. Auf
dem Bock des Jagdwagens saß kerzengerade in blauer
Uniform mit blankgeputzten Knöpfen Herr Kowahl, der
Erste Kutscher im Fahrstall, oder Herr Meiser. Mein
Großvater nannte die jeweiligen Anlaufstellen. Ein
kaum merkliches Anheben der Zügel und ruhig zogen die
Rappen an. Auf den Vorwerken eilten die Stutmeister
oder Oberwärter herbei, machten ihre Meldung und
halfen dem Großvater aus dem Wagen. Vom Stutmeister
oder Oberwärter begleitet schritt er über die Koppel
und sein Blick erfasste dabei jedes einzelne Pferd.
Beim Wiedereinsteigen konnte man an seinem Gesicht
erkennen, ob alles in Ordnung war oder ob es Anlass
zur Sorge gab um “seine “ Pferde oder um die ihm
anvertrauten Menschen. Nach der Rückkehr waren
Besprechungen angesetzt mit dem Sattelmeister, dem
Administrator, dem Tierarzt oder dem Wiesenbaumeister.
Das
Landstallmeisterhaus (Trakehner Schloss), davor der
berühmte “Tempelhüter“
Um die
Mittagszeit ertönte der Gong. Die großflügeligen
Fenster des Esszimmers gaben den Blick frei hinaus in
den weitläufig angelegten Park. Großvater und
Großmutter saßen sich an den Tischenden gegenüber.
Aber bevor man sich setzte, sprach Großmutter das
Tischgebet. Sie erstellte einmal wöchentlich mit ihrer
Mamsell (Köchin), Hannchen Rose, einen Essensplan.
Meistens gab es eine Größere Tafelrunde, da sehr oft
Gäste zu bewirten waren: Verwandte, Freunde des
Hauses, Amtskollegen, auch Minister, höhere Offiziere
und ausländische Attache`s. Auch der Sohn des
Vorgängers, Arzt Dr. Hans Graf Lehndorff, kehrte
verschiedentlich ein, um das Paradies seiner Jugend
wiederzusehen. Ganz besondere Gäste, an die ich mich
erinnere, waren Prinz Louis Ferdinand von Preußen und
Prinzessin Kyra.
Kamen solche Besuche mit der Bahn in Trakehen oder
Gumbinnen an, wurden sie vom Ersten Kutscher in
festlichem Livree und mit Zylinder zumeist im
Landauer abgeholt. Großvater empfing die Herrschaften
vor der Tür und Großmutter erwartete sie im Salon mit
einer kleinen Erfrischung. Danach stand fast immer
eine Besichtigung der Hauptbeschäler auf dem Programm.
Zum Mittagessen fand man sich wieder im Trakehner
Schloss ein und nach dem Mocca ging es mit der
Besichtigung der Pferde im Jagd- und Auktionsstall
weiter. Oftmals begab man sich auch auf den „Alten
Hof“, wo die Fuchsherde stand. Nun noch zum
Tagesablauf: Wenn am Nachmittag keine zweite Ausfahrt
erforderlich war, zog sich Großvater an seinen großen
Schreibtisch im Arbeitszimmer zurück.

Hoher
Besuch wird erwartet- eine Kutsche mit vier Rappen
bespannt vor dem Trakehner Bahnhof
Beschauliche Anlässe
Im Winter, wenn die Abfohlzeit begann, saßen wir an
einigen Abenden bei einer guten Flasche Wein
beisammen und die Fohlen wurden „getauft“. Die Namen
mussten möglichst mit den drei Anfangsbuchstaben der
Mutterstute beginnen, z. B. Kokarde, ihr Fohlen hieß
dann Kokette , oder Halma, ihr Fohlen war dann
Halenssee. Es waren immer recht fröhliche Abende, oft
war auch Besuch da, Geschwister der Großeltern oder
Nichten und Neffen. Jeder wollte den anderen mit
Namensvorschlägen, zum Teil sehr originelle bis
unmögliche, übertrumpfen, aber Großvater hatte immer
das letzte Wort. Oft durchzog am Abend der Duft von
Bratäpfeln das Zimmer. Hier wurde abends auch oft
gelesen und Musik gehört. Im großen Bücherschrank
standen Werke zu allen möglichen Wissensgebieten,
natürlich zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen
zur Pferdezucht, Stutbücher und andere Dokumentationen
zur Hippologie. Ein Lieblingsthema meines Großvaters
war die Deutsche Geschichte, in der er sich blendend
auskannte. Er hatte sich übrigens vorgenommen, nach
seiner Pensionierung an der Albertus Universität in
Königsberg Geschichte zu studieren.
Im Sommer hörte man an lauen Abenden, wenn wir in der
Veranda oft bei Wein oder Bowle beisammen saßen, das
Quark- Konzert der Frösche und Unken. Am nächtlichen
Himmel zwischen dem Dunkel und den Baumkronen
huschten die Fledermäuse lautlos dahin und aus den
uralten Bäumen strömte würziger Wohlgeruch. Zu diesen
Abenden gehörten auch ein Schälchen mit eingezuckerten
Erdbeeren.
Besondere Ereignisse in Trakehnen waren die
Reitpferdeauktionen, die Hengstkörungen, der Trakehner
Renntag mit dem berühmten „ von der Goltz-
Querfeldeinrennen“ und die immer wieder stattfinden
Reitjagden. Die Köchin und zwei Hausmädchen,
unterstützt von den Kutschern aus dem Fahrstall,
hatten an solchen Tagen alle Hände voll zu tun, denn
bei solchen Veranstaltungen wurden nahezu 70 Personen
zum Essen erwartet. Herr Kowahl ließ es sich nicht
nehmen, Mundschenk zu sein. Herr Meiser und andere
Kutscher bedienten mit Routine. Gespeist wurde im
Landstallmeisterhaus im Großen Saal und in der Diele.
Eine besonders schöne Erinnerung ist für mich auch
Weihnachten. Nachdem der Weihnachtsbaum, der bis zur
Decke reicht, aufgestellt war, durfte niemand mehr den
Raum betreten. Großmutter schmückte liebevoll den Baum
mit weißen Kerzen und silbernem Lametta. Auf der
Spitze des Baumes, die bis zur Decke reichte, wurde
ein Glockenspiel befestigt. Für uns Kinder hingen in
Reichweite Süßigkeiten am Weihnachtsbaum. Auf dem mit
Tannengrün geschmückten Gabentisch standen „ Bunte
Teller“. Diese waren gefüllt mit Äpfeln, Nüssen,
selbst gebackenem Pfefferkuchen, Keksen und selbst
zubereiteten Marzipan. Am Morgen des Heiligen Abends
legte Großmutter die Geschenke auf den Gabentisch, man
hörte von außen eilige Schritte und das Geraschel von
Papier.
Und endlich um fünf Uhr nachmittags, nachdem alle sich
festlich gekleidet hatten, erklang eine Glocke.
Großmutter verschwand, sie zündete die Kerzen an und
setzte sich ans Klavier, die Flügeltüren wurden
geöffnet, die Familie und das Personal standen bewegt
an der Schwelle. Nun las die Großmutter die
Weihnachtsgeschichte aus der Bibel vor, wir sangen
gemeinsam altbekannte Weihnachtslieder und wir Kinder
sagten mit Kniks und Diener und rotem Kopf unsere
Gedichte auf. Alle wünschten sich gegenseitig
gesegnete Weihnachten und dann begleitete Großmutter
jeden zu seinen Geschenken. Von meinem Großvater
musste ich mir mal im spaßigen Ton eine leichte
Kritik anhören: „ Lillichen , ich glaube, die
Bartbürste bekomme ich heute zum dritten Mal
geschenkt.“ Der Kirchgang war immer am 1. Feiertag,
weil sich die Kirche in Rodebach ( Enzuhnen) befand.
Unruhigere
Zeiten
Aber bald sollte sich alles ändern. Im Juni 1941
begann der Russlandfeldzug und im Landstallmeisterhaus
bezogen hohe Offiziere der Wehrmacht Quartier. Auch
mein Schulweg änderte sich bald: Ich ging in die
Luisenschule in Ebenrode. In den ersten Jahren brachte
der große Schulwagen uns mit Pferdegespann zum Bahnhof
Trakehnen. Nach Beginn des Russlandfeldzuges hatten
die Züge oft Verspätung. Es passierte auch später,
dass die Züge von russischen Tieffliegern beschossen
wurden. Großvater sagte: „So kann es nicht weiter
gehen.“ Und so fuhr nun jeden Morgen in aller Frühe
ein Pferdewagen vor, der mich und noch andere Kinder
direkt zur Schule fuhr. Im Winter kam ein
Pferdeschlitten. Ein Blick auf das Thermometer zeigte
oft 20°C minus an, dann hieß es „ warm anziehen“ und
auf dem Herd in der Küche stand heiße Milchsuppe
bereit, die ich unbedingt essen musste. In den
Sommermonaten durften mein Bruder und ich unseren
Großvater immer wieder auf seinen Ausfahrten
begleiten. Gerne und dankbar denke ich an diese
schönen Tage zurück. Man saß geborgen neben ihm. Wir
sahen immer wieder die ruhig grasenden edlen Pferde
auf den Koppeln, Störche stolzierten gravitätisch
inmitten der Herde. Vergessen werde ich nicht den
würzigen Duft im Sommer nach Heu und reifendem Korn
und im Herbst nach satter Erde.

Ein
Storch besucht die Rappenherde in Gurdzen
Nach
dem wir im Sommer 1942 die bittere Nachricht bekommen
hatten, dass unser Vater in Russland gefallen, und im
Oktober 1943 unsere Großmutter gestorben war,
herrschte in Trakehnen große Traurigkeit. Das Gesicht
unseres Großvaters wurde immer sorgenvoller, zumal das
auf uns zukommende Unheil schon zu spüren war. Große
Schwierigkeiten gab es im Gestüt in personeller
Hinsicht. Immer mehr Reitburschen und Gestütswärter
wurden an die Front einberufen. Trotzdem blieb der
Betrieb intakt, aber Reitunterricht kam für mich nicht
mehr infrage. Zur Hengstkörung im September 1944
trafen sich noch einmal alle Landstallmeister. Bei
dem anschließenden Beisammensein, zudem der Großvater
eingeladen hatte, gab es kaum noch fachliche
Gespräche, denn das Wissen um die Letztmaligkeit einer
solchen Zusammenkunft war allgegenwärtig. Jede
Fluchtvorbereitung war bei Höchststrafe verboten. Der
Zeitplan mit den täglichen Fahrten zu den Vorwerken
wurde eigehalten. Noch häufiger tauchten jetzt
russische Tiefflieger auf und nahmen zur Zielscheibe
alles, was sich bewegte, so auch den Wagen, in dem
Kutscher und Großvater die Gefahr missachtend saßen.
Das Heu war eingebracht, das Getreide geerntet. Über
allem aber lag das Erkennen des nahen Aufbruchs ins
Ungewisse. Der Herbst hatte sich ein herrlich
farbenprächtiges und leuchtendes Farbenkleid zugelegt.
„Trakehnen zeigt sich uns noch einmal in dieser
einzigartigen, unbeschreiblichen Schönheit, um sich
von uns zu verabschieden.“ Dies waren die Worte
unseres von mir so verehrten und geliebten Großvaters
am Tag unserer Flucht am 17. Oktober 1944.

Halensee
v. Hannibal a. d. Halma von Dampfross , geb.1942,
eine der wenigen Stuten aus Trakehnen, die nach
Westdeutschland gelangt sind. Sie erhielt 1953 auf
der DLG-Ausstellung in Köln den Siegerpreis
Quelle: Auszug aus “Sich
erinnern heißt: Eine vergangene Welt wird noch einmal
lebendig“ Bericht von Lilla Roth geb. Grundmann
Dr. Horst
Willer (Mai 2018)

Nicht wie im Fall des
neuen Erdenbürgers „Rabe“, Trakehner
Hengstfohlen der Stute Rotkehlchen, stand
die Geburt eines später sehr berühmten
Hengstfohlens unter einem guten Stern.
Dieser kleine Braune erblickte am 20.
Dezember 1905 kurz vor Weihnachten in
Danzkehmen, wo zu jener Zeit die braune
Herde beheimatet war, das Licht der Welt.
Der Überlieferung nach wurde er mit sehr
krummen Vorderbeinen geboren, so dass – wie
H.J. Köhler ausführt - “ihm eigentlich ein
Weiterleben erspart bleiben sollte“. Der
damalige Landstallmeister v. Oettingen hatte
ihn bei einer ersten Besichtigung fast
aufgegeben, zog aber dann doch den
zuständigen Gestütsveterinärrat Paul Matthias (1897 bis 1924 in Trakehnen) zu
Rate. Er war wie viele andere, die sich in
Trakehnen dem Dienst am Pferd verpflichtet
hatten, ein passionierter Reiter und
Pferdefreund und zudem auch noch ein guter
Hippologe. Er mahnte zur Geduld und konnte
seinen Dienstherren umstimmen, so dass der
Sprössling, dann doch seine Chance, am Leben
zu bleiben, erhielt. Wider Erwarten wuchs
sich die Fehlstellung schon bald aus. Dieses
Hengstfohlen v. Perfektionist xx, dass
später der Trakehner Zucht so viel Ruhm und
Ehre einbrachte, bekam schon in jungen
Jahren den verheißungsvollen Namen
Tempelhüter. Seine Mutter Teichrose v.
Jenissei- Cliff`s Brow xx entstammte der
größten der fünf Trakehner Hauptfamilien,
der Teresina-Linie.

Braune Stutenherde
in Kalpakin (Königseichen)
Der
großen Fachkenntnis und dem Weitblick
jenes Gestütsveterinärrates ist es zu
verdanken, dass Tempelhüter sich dann
zu einem überragenden Hauptbeschäler
entwickelte und als hervorragender
Vererber Weltruhm erlangte. Nun seine
Vita im Einzelnen: Tempelhüter wurde
1908 gekört. Im Hengstprüfungsrennen
in Königsberg belegte er den zweiten
Platz. Zunächst musste er sich von
1909 bis 1915 als Landbeschäler im
Landgestüt Braunsberg bewähren- man
könnte auch sagen: mühsam hochdienen -
bis Landstallmeister Graf Sponeck die
besonderen Vererbungsqualitäten dieses
ausdruckstarken Hengstes erkannte und
ihn 1916 an seinen Geburtsort als
Hauptbeschäler zurückholte. Welch`
eine Karriere: Als Neugeborener nahezu
abgeschrieben und dann schließlich in
der zweiten Hälfte seines Pferdelebens
Aufstieg bis zum Hauptbeschäler erster
Klasse.

Gestütsveterinärrat
Paul Matthias mit 75 Jahren noch hoch zu
Ross
Die
Tierärzte – zumeist waren zwei
ständig in Trakehnen tätig - hatten
dort eine große Verantwortung und
genossen großes Ansehen. Sie waren
nicht nur, wie gerade geschildert
“Herrn über Leben und Tod“, sondern
waren neben ihrer ständigen
kurativen Tätigkeit auch im Einsatz,
wenn es um Behandlung von
Verletzungen und Beinschäden,
Kastrationen und sonstige
Operationen, Prophylaxe von Seuchen,
Geburtshilfe und Behandlung von
Neugeborenen sowie Bekämpfung von
Wurmbefall ging. Dem gut
ausgebildeten gesamten
Gestütspersonal war bewusst, dass
nur durch die stetige
Gesunderhaltung der wertvollen
Gestütsbestände der züchterische und
wirtschaftliche Erfolg gewährleistet
ist. Das Betriebsergebnis wurde
daran gemessen, ob es gelang,
jährlich ca. 40 gekörte Hengste für
die Landgestüte und ca.180 bis 200
Zucht – und Reitpferde, darunter
auch einige Remonten,
bereitzustellen. In Trakehnen wurde
schon damals und die heute immer
noch gültige Lehrmeinung des
Oberlandstallmeisters Georg Graf
Lehndorff akribisch befolgt: “Zu
einem guten Reit.- und Rennpferd
gehört erstens Gesundheit, zweitens
Gesundheit und drittens viel
Gesundheit……. Unverzichtbare
Voraussetzungen dafür sind in den
ersten Lebensjahren stetiger
Weidegang, viel Bewegung und langer
Aufenthalt der Pferde bei Sonne und
Regen in frischer Luft.“ So wurden
bereits 1897 auf dem späteren Neuen
Hof ein Laufstall für 120
Hengstfohlen gebaut und damit sich
diese auch im Herbst, Winter und
Frühjahr im Freien tummeln konnten,
wurden in unmittelbarer Nähe zwei
Laufgärten und zwei runde überdachte
Laufställe angelegt. Auch auf den
Vorwerken gab es im Umfeld der
Ställe befestigte Laufhöfe, so dass
auch während der Winterzeit die
einzelnen Herden (Stuten,
heranwachsende Fohlenjahrgänge) sich
täglich für ein bis zwei Stunden im
Freien bewegen konnten.
Welch`
immenser Aufgabe sich die Veterinäre
gegenüber sahen, wird auch an der
Größe des Gestüts und der Dimension
der dort vorhandenen Tierbestände
deutlich. Das Hauptgestüt mit seinen
16 Vorwerken (Betriebshöfen)
umfasste 6 000 ha Nutzfläche, die
sich aufteilte in 3 600 ha Ackerland
und 2400 ha Wiesen und Weiden. Zur
Zucht dienten 15 Hauptbeschäler, 3
Probierhengste, und 275
Mutterstuten, die je nach Farbe auf
5 Herden aufgeteilt waren. Die Zahl
der Gestütspferde betrug insgesamt
rd. 1000 Stück. Zum
landwirtschaftlichen Betrieb
gehörten 440 Gespannpferde, 190
Zugochsen sowie 320 Stück Weide- und
Mastvieh. Darüber hinaus gab es eine
größere Schafherde und 180
Milchkühe, die auf 3 Herden
aufgeteilt waren. Nicht unerwähnt
bleiben sollten auch die 370
Deputantenkühe.

Lehrschmiede für
Hufbeschlag in Trakehnen
Die Trakehner
Veterinäre haben über die täglichen
Vorsorge-, Behandlungs- und
Überwachungsnotwendigkeiten hinaus auch
in wissenschaftlicher Versuchs- und
Forschungsarbeit den Erkenntnishorizont
der Tierheilkunde auf verschiedenen
Gebieten erweitern können. So haben sich
besonders die Veterinärräte Dr. Otto
Meyer und Dr. Otto Fischer große
Verdienste erworben, indem sie dem
Entwicklungszyklus der Parasiten
angepasste Entwurmungen mit der
Verabreichung moderner Präparate
durchführten. So wurde auch schon damals
mit der Wurmbehandlung bereits bei den
tragenden Stuten begonnen. Ein weiteres
Betätigungsfeld war die Bekämpfung von
seuchenhaften Erkrankungen, denen nur
durch strikte Hygiene begegnet werden
konnte. Ganz im Grenzbereich des
Hauptgestüts, im Vorwerk Burgsdorfshof,
gab es eine Quarantänestation. Hier
wurden mutmaßlich infizierte Pferde
prophylaktisch untergebracht, aber auch
vorübergehend alle Neuzugänge. Weitere
große Anstrengungen der Veterinäre waren
darauf gerichtet, möglichst hohe
Befruchtungs- und Abfohlergebnisse zu
erzielen. Durch eine konsequente
Überwachung und regelmäßige Untersuchung
der Stutenbestände war es gelungen, die
Fruchtbarkeitsquote auf 90 % zu
steigern. Letztlich dürfte auch die
naturgemäße Haltung zu diesem
hervorragenden Ergebnis beigetragen
haben. In Trakehnen war auch frühzeitig
eine Lehrschmiede für Hufbeschlag und
eine Forschungsstation für moderne
Grünlandbewirtschaftung eingerichtet
worden.
Abschließend die
Aphorismen jenes begnadeten Veterinärs
Paul Matthias, dem wir den später
ruhmreichen Tempelhüter verdanken:
Mit der der Zucht
des Pferdes befasse dich nur, wenn dir die
Liebe zum Pferd angeboren ist.
Pferdezucht ist
keine sichere Kapitalanlage. Willst du
rasch reich werden, werde Rosschlachter
oder Autofabrikant.
Treibe Reinzucht!
Benutze tiefe Stuten mit gutem Fettpolster
und schwungvollem Gang. Beurteile die
Stuten genauso streng wie den Hengst. Lege
Stammtafeln an und versieh sie mit
Bildern. Paare nach Exterieur, aber
berücksichtige die Abstammung.
Untugenden und
Charakterfehler vererben sich treu. Roarer
(Kehlpopfpfeifer) und dämpfige Pferde
meide. Periodische Augenentzündung ist
kein Erbfehler.
Beim Verkauf sei
ehrlich! Ein teuer verkauftes fehlerhaftes
Pferd schadet dir mehr, als zehn reell
verkaufte Pferde gut machen können. Beim
Kauf lass kein Körperteil unbeachtet. Von
dem, was du siehst, zieh` ein Fünftel ab;
denn so viel ist das Pferd weniger, wenn
du es im eigenen Stall hast.
Zieh` Pferde nicht
im Stall auf, denn Pferde und Kaninchen
sind grundverschiedene Tiere.
Für dein Pferd
bist du verantwortlich, nicht dein
Kutscher. Sind deine Pferde misstrauisch
und böswillig, entlasse den Pfleger.
Gute Rossgärten,
gute Zucht! Treibe Wechselweide mit
Rindvieh. Lass die Pferdeäpfel auseinander
werfen oder aufsammeln; du vermeidest
Schädlinge und vermeidest Geilstellen.
Zualtwerden der Gräser ruiniert die Weide,
nach dem Weiden die Mähmaschine, nach
dieser die Wiesenwalze. Kompost ist der
beste Weidedünger.
Wen irgend
möglich, baue Luzerne an. Sie ist gleich
wertvoll grün und trocken. An tragende
Stuten gib Wiesenheu. Meide versumpfte
Weiden und tränke nicht aus Teichen
Bei Absatzfohlen
und Jährlingen spare nicht an Hafer. Ein
Ersatz für Hafer gibt es nicht.
Salzlecksteine und Kreide sollen in keiner
Krippe fehlen.
Knochenstärke und
Rumpfigkeit erreicht du nur durch gute
Weide und viel Heu. Klee- Luzerne und
Esparsettenheu ist das Beste für wachsende
Pferde.
Das gesunde Pferd
bedarf der Bewegung. Ein Feiertag mag
hingehen, zwei sind von Übel.
Pferdezucht ist
konservativ, Pferdehandel ist
demokratisch. Das Pferd stellt den
Idealismus, das Auto den Materialismus
dar. Jeder hat das Pferd, das er verdient.
Die beste Prüfung
des Edelpferdes ist die Jagd hinter der
Hundemeute. Wer Pferde und Hunde nicht
mag, betrachte mit Misstrauen – Reite,
dann bleibst du jung!
“Färben grau sich
deine Haare,
Bleib` im Bügel! - straff`
den Zügel!
Mit der Jahre flücht`ger
Meute -
um die Beute, um das heute
-
um der Jugend -reite,
reite!“
Lebensdaten des Paul
Matthias: geb. 1863 auf dem väterlichen Gut
Kappe, Kreis Deutsch- Krone, Studium der
Veterinärmedizin in Berlin und Hannover,
Eintritt in den Gestütsdienst, 1886 bis 1894
Graditz, 1894 bis 1897 Beberbeck, 1897 bis
1924 Trakehnen, danach Privatpraxis in
Packledimm, dort auch Ausbilder von
bedeutenden ostpreußischen Dressurpferden,
so auch von „Bojar“ v. Bulgarenzar,
erfolgreich in Schweren Dressurprüfungen mit
Käthe Franke, Paul Matthias stieg auch noch
mit 75 Jahren täglich in den Sattel. Er war
ein strenger Verfechter des Konzepts
“Selektion nach Leistung“.
Dr. Horst
Willer (Februar 2018)

“Rabe“,
Lebensbild eines Trakehner Pferdes
Es wurde in einer
dunklen, stürmischen Januarnacht im Jahr
1911 geboren. Trübes Lampenlicht fiel auf
das nasse kleine Etwas, das von der Mutter
zärtlich abgeleckt wurde. Rundum standen
die Gestütswärter mit aufgekrempelten
Ärmeln und sahen befriedigt auf den neuen
Zuwachs der 80 Köpfe starken Rappenherde.
„Et is an Hangst“, wurde festgestellt, und
der Oberwärter füllte stolz den
Geburtsausweis aus: „ Hengst, Rappe, ohne
Abzeichen von Ingrimm a. d. Rotkehlchen v.
Polarsturm a.d. Egesta v. Euphony xx ,
korrekt und edel“. Alle sahen wie fast bei
jeder Geburt eines Fohlens schon den
zukünftigen großen Hauptbeschäler aus ihm
werden. Der Schneesturm, der draußen um
die warmen Stallungen von Gurdszen, dem
Vorwerk von Trakehnen, das die Rappherde
beherbergte, heulte, wusste es vielleicht
besser. Feine Ohren, die die Sprache der
Natur zu deuten verstanden hätten, würden
für den kleinen Neugeborenen ein anderes
Schicksal aus seinem Raunen herausgehört
haben.
Rotkehlchens kleiner
Sohn bekam den Namen “Rabe“ und er wuchs
und gedieh. Sein Vater “Ingrimm“, ein
Barristersohn, war durch ein sonderbares
Schicksal berühmt geworden. Dreijährig
wurde er für wenige hundert Mark verkauft,
kein Mensch wusste was in ihm steckte.
Damals – Ingrimm wurde 1889 geboren -
wurden die jungen Pferde noch nicht
durchweg auf Herz und Nieren geprüft wie
heute. Er kam in einen Offiziersstall und
wurde über Hindernisse geschult und gewann
unzählige Rennen. Durch einen Unglücksfall
verlor er ein Auge, was ihn aber nicht
hinderte, siegreich weiter zu laufen. Er
war aus Stahl und Eisen -und Pflichttreue
zusammengesetzt, welch` letztere
Eigenschaft leider meist von
Exterieurleuten nicht geprüft und erkannt
wird. Die Gestütsverwaltung kaufte Ingrimm
zurück, natürlich um ein Erhebliches mehr,
es gab nicht so viele harte Rappen auf der
Welt, geschweige denn Vaterpferde.
Eines von Ingrimms
vielen Fohlen war der kleine Rabe, dessen
Mutter Rotkehlchen wieder in langer Linie
auf den großen Liverpoolsieger „ The
Colonel“ zurückging und deren Vater
Polarsturm das beste und goldenste
Temperament hatte und auch vererbte. Auch
der vielbenutzte prachtvolle
Vollbluthengst “Hector xx “ kam in Rabes
Stammbaum vor, der vererbte ihm das
sprühende Temperament, das er vielen
Kindern und Großkindern mitgab.

Landstallmeister
Burchard v. Oettingen mit seinem
Lieblingshengst Polarsturm v. Optimus-
Hartenfels xx
Rabe verbrachte seine
Kinder- und Jugendjahre sorglos und froh,
wie alle Trakehner Pferde, sie bestanden in
Spielen, Toben und Fressen. Da er als Hengst
und Vaterpferd doch nicht in Frage kam,
wurde er gelegt und kam mit seinesgleichen
auf das Vorwerk “Guddin“, wo er auf der
Weide oft staunend dem Schauspiel der
vorbeiführenden Schleppjagden zusah, die
gerade bei Guddin den berüchtigten Entenbach
zu überwinden hatten.
Im August 1914 kam der
große Krieg, für Trakehnen etwas besonders
Schlimmes, da es nur 22 km von der
russischen Grenze entfernt liegt. Die 300
besten Mutterstuten und Saugfohlen wurden in
drei Extrazügen in die Mitte des Reiches
gebracht. Alle anderen Pferde folgten bald
darauf in Herden getrieben per Fußmarsch bis
an die Weichsel, von wo sie dann auch
verladen wurden. Der ganze Zug war 5 km
lang, Pferdeherden, Vieh, Wagen mit Menschen
und den nötigsten Vorräten, alles strömte
westwärts, möglichst auf kleinen Nebenwegen,
um unsere gen Osten marschierenden Truppen
nicht zu stören. Geführt wurde der Zug von
dem Administrator von Trakehnen, Conradi,
der sein Werk so meisterhaft verstand, dass
nicht ein einziges Pferd den Russen in die
Hände fiel, obschon die feindlichen
Patrouillen dichtauf nachrückten und manch
ostpreußische Flüchtlinge gefangen nahmen. -
Gott sei Dank! Es war Sommer und wo es
Wasser und Weide gab, da wurde gerastet und
übernachtet.
Der kleine Rabe, nun
schon drei Jahre alt, wanderte brav mit. Er
lernte für die Zukunft, ohne es zu ahnen. So
kam er mit einem Teil seiner
Schicksalsgenossen nach Graditz, wo der
größte Teil der Trakehner Pferde Kriegsasyl
fanden. Noch sehe ich den Zug einlaufen, der
die Flüchtlinge - Menschen und Tiere-nach
Graditz brachte. Es war glühend heiß und die
Pferde waren so durstig, das sie alles Eisen
in und an den Wagen abgeleckt hatten. Wir
hatten im Dorf Tränkevorrichtungen
getroffen, aber dies alles war wie ein
Tropfen auf einen heißen Stein und erst die
kühle Flut der Elbe konnte den Durst ganz
stillen. In einem nahen Dorf von Graditz
fanden Rabe und seine Kameraden Stall und
Weide, um sich endlich von den Strapazen zu
erholen. Auch der Rest der Trakehner
Schlepphunde war in Graditz stationiert. Da
sie ja bewegt werden mussten, lebte auf
meine Initiative hin ein Jagdstall ganz im
Kleinen wieder auf. Wir hatten uns sogar
einen kleinen Springgarten eingerichtet,
denn etwas sollten die paar jungen Pferde
doch lernen. In Graditz war es auch, wo wir
einige spätere Springkoryphäen entdeckten,
so den späteren Hauptbeschäler “Coronel“ und
die Nanatochter „ Peuma“, beides Pferde mit
viel Können, vor allem aber Tiere mit
Löwenherzen. Als uns eines Tages im
Jagdstall noch ein Pferd fehlte, schlug uns
der Oberwärter den kleinen Rappe Rabe vor.
Als wir zufällig mit den Jagdpferden an
Rabes Dorf vorbeikamen und der Oberwärter
seinen Schützling unter dem Reiter bemerkte,
sagte er ganz überrascht: „Na, der hat sich
aber schnell anreiten lassen.“ Erst da
stellte sich heraus, dass der kleine
Schwarze noch nie vorher einen Sattel oder
Decke getragen hatte. Das war der goldenen
Charakter von Großvater Polarsturm, den er
geerbt hatte, wie auch vieles andere bei
Rabe seinen Ahnen ähnelte.
Als vor Jahren die
Kaiserin einmal in Trakehnen weilte, freute
sie sich darüber, wie ungemein gutmütig alle
Pferde waren, so dass sogar die
Hauptbeschäler am Halfter vorgeführt wurden.
Daraufhin erwiderte mein Vater, dass er den
nächsten Hengst nur an den Ohren
herausführen lassen könnte. Großes Erstaunen
aller Anwesenden, als Polarsturm nun, nur an
den Ohren geführt, vor sie gestellt wurde
und dann liebevoll an meines Vaters
Ohrläppchen zu krabbeln anfing, so dass die
Kaiserin doch etwas ängstlich zu werden
schien. Ich glaube, mein Vater hatte zu den
meisten einzelnen Pferden ein absolut
persönliches Verhältnis und eine ganz
besondere Gabe, mit ihnen umzugehen.
Im August 1915, genau
nach einem Jahr seit dem Abzug, kam das
“Erlösungstelegramm“, dass Hindenburg nichts
dagegen hatte, dass das Trakehner Gestüt
wieder bezogen würde. Herrlich war das
Zurückkommen, obwohl man ungefähr alles
verloren hatte und in Trakehnen viele schöne
neue Gebäude durch Kriegseinwirkungen
zerstört worden waren. Im Herbst ritt ich
mit wenigen Jungen unsere erste Schleppe
wieder auf unseren geliebten Weiden und
unter den Jagdpferden war auch der kleine
Rabe. Er war ein außergewöhnliches Genie,
aber er tat alles, was man von ihm
verlangte. Er war ein mittelgroßes Pferd,
trocken und muskulös mit viel Gurtentiefe,
einem recht strammen nicht langen Rücken,
dazu pechschwarz. Diesmal stimmte der Name.
Sehr bald nach der
Rückkehr des Gestüts in die Heimat kam ein
ministerieller Erlass heraus, dass das
Gestüt geeignete Pferde an Offiziere ins
Feld abzugeben habe. Es gingen so mehrere
Pferde hinaus, so auch der spätere
Pardubitzsieger Herero. Auch der kleine Rabe
blieb nicht verschont und zog in den großen
Krieg. Major v. Brandenstein wurde sein
Herr. Im April 1918 setzte die Abteilung
Brandenstein von Estland nach Finnland über.
Schwer arbeiteten sich die Dampfer durch das
Packeis und der kleine Rabe und seine
Genossen werden da wohl manchen Puff
ausgehalten haben bis sie glücklich wieder
ihre Hufe auf Land setzen konnten. Dann
konnten in schweren Märschen und blutigen
Treffen mit den Bolschewiken sich die
vereinigten deutschen und weißfinnischen
Truppen lange behaupten bis am 6. Mai die
Kampftätigkeit der deutschen Ostsee –
Division in Finnland im Allgemeinen als
beendet angesehen werden konnte. Es war
nicht nur das feindliche Feuer, das Mensch
und Tier in größerer Anzahl dahingerafft
hatte, sondern vielfach auch Krankheiten.
Lange, lange hatte der kleine Rabe allem
widerstanden, trotzdem auch er schon lange
von einem schrecklichen Husten geplagt
wurde. Oben in Finnland stand er mit seinem
Kameraden in einem kalten Schuppen, die alle
erschöpft aussahen und erbärmlich husteten.
Die kranken Tiere wurden so gut es ging
gepflegt und traurig kam der Kommandeur des
Trupps, um die kranken Tiere zu besuchen. Er
strich ihnen liebevoll über den Hals und
Rücken und auch seinem Raben, der ihn durch
so viele Strapazen so tapfer getragen hatte,
gab er die vom Kaffee abgesparten Stückchen
Zucker. Jedoch weder Medikamente noch alle
Liebe konnten heilen. Es sollte noch
schlimmer kommen, die Pferde hatten sich mit
Rotz ( anzeigepflichtige Seuche) angesteckt.
Um ihnen weitere unnötige Qualen zu
ersparen, mussten alle noch lebende Pferde
aus diesem Krankheitsschuppen erschossen
werden. So endete auch der kleine Rabe -
sein kurzes, aber inhaltsreiches
Pferdeleben. Dies ist das Schicksal eines
“meiner Kinder“, wie mag wohl das der vielen
anderen geworden sein, die damals in den
großen Krieg hinauszogen.
Quelle: Marissa
Gräfin Sponeck geb. v. Oettingen (Autorin)
, in: Deutsche Reiterhefte , Ausgabe 32,
11. Dez. 1938

Marissa
Gräfin Sponeck mit einem ihrer
Lieblingspferde Trocadero im Trakehner
Jagdfeld
Marissa Gräfin
Sponeck, Tochter des Oberlandstallmeisters
und des langjährigen Gestütsleiters in
Trakehnen Burchard v. Oettingen, war eine
hervorragende Reiterin. Zunächst unter
Anleitung ihres Vaters und später zusammen
mit ihrem Mann, Kurt Graf Sponeck,
begründete sie in Trakehnen die
Leistungsprüfung der Jungpferde im Jagdfeld.
Sie war eine der ersten Frauen, die im
Herrensattel ritten. Von ihren zahlreichen
Erinnerungen ist das Skizzenheft über die
Trakehner Jagden im Jahr 1921am
bekanntesten.
Dr. Horst
Willer (Dezember 2017)

Ehemaliger
Reitbursche Trakehnens wird Olympiasieger
Im Übergang zum 20.
Jahrhundert herrschte in Trakehnen
Aufbruchstimmung. Im Jahr 1895 war der
vielseitig begabte und durchsetzungsfähige
Hippologe Burchard v. Oettingen zum
Landstallmeister in Trakehnen berufen
worden. Mit ihm begann eine überaus
segensreiche Ära für das Preußische
Hauptgestüt. Die meisten Bauten in Trakehnen
und auf den Gutshöfen waren größten Teils
über 100 Jahre alt und entsprachen nicht
mehr den neuzeitlichen Ansprüchen. Schon in
den Jahren 1998 bis 1900 war es möglich, auf
dem Neuen Hof den Boxenstall mit 150m Länge,
ausgestattet mit 70 geräumigen Einzelboxen,
und den Auktionsstall nach neustem
Erkenntnisstand zu bauen. Später rahmten der
Boxenstall (auch Jagdstall genannt),
Reitbahn, Auktionsstall, Reitburschenhaus
und Fohlenstall einen mit Rasen, Reitplatz,
Laufbahnen besetzten und mit Bäumen und
Sträuchern bepflanzten großen Schmuckhof
ein. Damit war der Neue Hof geschaffen.
Fortan wurden die dreieinhalbjährigen Stuten
und Hengste in ein spezielles Reit-und
Geländetraining genommen. Hier auf dem
großen Reitplatz und in der Reithalle gaben
sich zweimal im Jahr anlässlich der
Reitpferdeauktionen die Turnierreiter,
Offiziere und Pferdeliebhaber aus allen
Teilen des Deutschen Reiches ein
Stelldichein. Er hatte mit seinen
bahnbrechenden Neuerungen Trakehnen nicht
nur zu einem der modernsten Hauptgestüte in
Europa, sondern auch zu dem sprichwörtlichen
Paradies der Pferde gemacht. v. Oettingen
war aber auch derjenige, der solche
Spitzenvererber, wie Perfektionist xx und
Nana Sahib ox, zum Einsatz brachte und mit
der systematischen Prüfung des züchterischen
Nachwuchses im Jagdfeld erstmals das
Selektionsprinzip Züchtung nach Leistung in
Vollendung verwirklichte.

In Trakehnen fing
alles an ………. Friedrich Wilhelm Gerhard
als Reitbursche
Wie viele Jugendliche im
größeren Umfeld von Trakehnen, so findet
auch der Schulabgänger Friedrich Wilhelm
Gerhard, ein begeisterter Pferdefreund und
Bauernsohn aus Trakehenen, 1898 im
Hauptgestüt eine Anstellung als Reitbursche.
In Trakehnen geboren zu sein und dort zu
leben, das ist schon etwas ganz Besonderes.
Das größte Glück eines Jugendlichen ist
jedoch Reitbursche im Jagd- oder
Auktionsstall zu sein. Die Neuankömmlinge,
die von außerhalb mit Sack und Pack
angereist sind, werden als “Ruppsäcke“
begrüßt. So beginnt die Karriere eines jeden
Gestütsangestellten, der zumindest die
Aussicht hat, nach zehn Jahren Preußischer
Beamter zu werden. Das Leben eines
Reitburschen ist kein Zuckerschlecken. Sie
wohnen gruppenweise in kleineren Schlafsälen
im Reitburschenhaus. Spätestens gegen fünf
Uhr morgens sind sie auf den Beinen und dann
geht es im Trab zum Dienst. Wer zu spät
kommt, der hat eine Nachtwache an der Backe.
Jeder der dreißig Jungs, später waren es
mehr, hat zwei bis drei gerade angerittene
Pferde oder eine entsprechende Zahl an
Auktionspferden zu versorgen. Nachdem
Füttern und dem Frühstück geht es mit der
ersten Abteilung in die Reitbahn. Unter der
Leitung des Obersattelmeisters verlassen die
Reitburschen jeweils ihr Pferd an der Hand
die Stallungen in “Reih und Glied “. Ein
gewisser preußisch- militärischer Drill hat
auch hier seine positive Wirkung nicht
verfehlt. So müssen nicht nur die Pferde
sondern auch Sattelzeug und persönliche
Kleidung stets blitzblank sein. In der
Reitbahn beim täglichen Training kommen
nicht nur die Vierbeiner sondern auch ihre „
Jockeys“ ordentlich ins Schwitzen. So ist es
sicherlich auch Friedrich Wilhelm Gerhard
ergangen.
Besonderer Mut, Geschick
und Geduld der Reitburschen sind gefragt,
wenn die Dreieinhalbjährigen zum ersten Mal
mit dem Sattel und dem Reiter auf dem Rücken
Bekanntschaft machen. Die Erfahrung der
altgedienten Obersattelmeister kommt in
diesem Fall allen Beteiligten zu Gute.
Nachdem die Youngster erst einmal an der
Longe oder im größeren Pulk mit dem
ungewohnten Sattel auf dem Rücken sich in
der Reitbahn in rasanter Vorwärtsbewegung
ausgebuckelt, dabei ordentlich Dampf
abgelassen haben und erste
Ermüdungserscheinungen sichtbar werden, ist
der Zeitpunkt gekommen, dass die
Reitburschen in den Sattel gehoben werden
können. Wehrt sich ein Pferd recht
hartnäckig, so ist es unvermeidlich, dass
der Reiter dann auch mal unsanft auf dem
Boden der Reitbahn landet. Die größte
Erfüllung seines Reiterlebens genießen die
Reitburschen, wenn dann im Frühsommer die
Jagdreitsaison beginnt. Die Jagden führen
dann durch die wunderbare Kulturlandschaft
Trakehnens über Gräben, Wälle und Zäune.
Dies ist die eigentliche Bewährungsprobe für
Reiter und Pferd.
F. W. Gerhard dürfte
schon in Trakehnen durch sein großes
Reitertalent aufgefallen sein und zählte
unter seinen Altersgenossen zu denjenigen,
die zu “Höherem“ berufen waren. Mit einem
exzellenten Zeugnis und Empfehlungsschreiben
von Landstallmeister v. Oettingen bewarb er
sich 1902 als Freiwilliger bei dem 12.
Ulanenregiment in Insterburg, in das er dann
auch eintreten konnte. Dieses Regiment hatte
einen besonders guten Ruf. Es hatte
erfolgreich im Deutsch- Französischen Krieg
1870/71 gekämpft. Am Ende seiner Dienstzeit
1905 wurde er als Unteroffizier an das
Militärreitinstitut (MRI) in Hannover
abkommandiert. Dies war für ihn ein weiterer
entscheidender Karriereschritt.
Wie es an der Hochburg
der Reiterei, dem MRI, zuging, hat sehr
lebendig und anschaulich der berühmte
Dressurreiter und Ausbilder Felix Bürkner in
seinen Memoiren “Ein Reiterleben“
beschrieben. So berichtet er: “Die
Farbenpracht und Mannigfaltigkeit all der
hundertundzwanzig Uniformen und jungen,
drahtigen Reitergestalten war wohl ein
einmaliger Anblick, und das Bewusstsein:
Dazu gehörst Du nun auch! ließ wirklich das
Herz höher schlagen“. Andererseits wird die
harte und lehrreiche Schule aus folgenden
Worten deutlich: “Sitz und wieder Sitz sowie
peinlich genaue Bahndisziplin wurde mit uns
Einjährigen auf drei Pferden täglich bis zur
buchstäblichen Erschlaffung exerziert –
natürlich zunächst ohne Bügel. Es war so,
dass wir uns nach den vier Reitstunden
gleichsam an den Chausseebäumen nach Hause
zogen“. F.W: Gerhard konnte sich recht
schnell reiterlich weiter qualifizieren und
wurde 1907 zum berühmten Schulstall
versetzt. Hier genoss er unter der Leitung
von Oberbereiter Gebhard und Rittmeister
Osterley die weitere Ausbildung zu einem der
besten Dressurreiter. Während des Krieges
kam er an zahlreichen Fronten in Russland,
Rumänien und Frankreich zum Einsatz. Er
hatte das Glück, unbeschadet aus dem
bitteren Kriegsgeschehen nach Hannover
zurück zu kehren.

Major Friedrich
Wilhelm Gerhard in der Kavallerieschule
Hannover bei der Arbeit seines Pferdes
Fels in den Pilaren
Es war sein Wunsch
tatkräftig am Aufbau der Kavallerieschule
(KS), so die neue Bezeichnung, mitzuwirken
Besonders widmete er sich zusammen mit Major
v. Flotow der Reaktivierung des
Schulstalles. Schon bald konnten sie mit
einer speziellen Schulquadrille und einem
Pas de Deux auf den großen Turnieren das
Publikum begeistern. Panther und der
Ostpreuße Raubgraf waren die einzigen
Stammpferde, die als Kriegsteilnehmer
überlebt hatten und in die vertrauten
Stallungen in Hannover wieder eingestellt
werden konnten. Gerhard schaffte es
innerhalb kurzer Zeit, sie zu Dressurpferden
für anspruchsvolle Lektionen auszubilden.
Dabei war Panther ursprünglich nur ein
“Stammbulle“ gewesen. So nannten etwas
belustigend die jungen Kavalleristen jene
gut ausgebildeten Schulpferde, auf denen sie
ihren ersten reiterlichen Schliff auf dem
Viereck und im Gelände erfuhren. Der
Schulstall blieb auch in der K S das
Herzstück der einzelnen Sektionen. Die
Dressur und ihre Vollendung in der
klassischen Hohen Schule sollten nie
Selbstzweck sein, sondern bildeten die
Grundlage jeder Reiterei, vor allem im
Hinblick auf das Springreiten, die Military
(Vielseitigkeit) und das Jagdreiten. Bereits
im Jahr 1923 wurde F.W: Gerhard aufgrund
seines vorzüglichen Reitens zum Leiter des
Schulstalles ernannt. Hier machte er sich
als vorbildlicher Ausbilder einen besonderen
Namen. In der Würdigung zu seinem 50.
Geburtstag 1934 im “Sankt Georg“ heißt es:
„Seine Pferde sind auf das feinste
durchgearbeitet, sehr gehorsam, stehen sehr
leicht an den Hilfen und sind in jeder
Beziehung von hinten nach vorn geritten. In
seinem prachtvollen, tiefen, eleganten Sitz,
in der schwungvollen Art, wie er die Pferde
vorstellt, repräsentiert er den besten Typ
deutscher Reiterei. In allen Vorzügen.“
Sogar ausländische
Offiziere kamen zu ihm zur Ausbildung an die
KS, darunter auch Rittmeister Strömfeld aus
Schweden. Er berichtet nicht nur begeistert
von der exzellenten reitsportlichen
Atmosphäre des Schulstalles unter Leitung
von F.W. Gerhard sondern auch von der Art,
wie dort das Weihnachtsfest gefeiert wurde.
In der weihnachtlich geschmückten Reithalle
kamen nach einigen reiterlichen Darbietungen
– Quadrillien und Pas de Deux – auch die
Senioren unter den altgedienten Pferden zu
ihrem Recht. Raubgraf, Geburtsjahrgang 1910
und mittlerweile im fortgeschrittenen Alter,
wurde die Ehre zuteil, nicht nur als St.
Martins-Pferd aufzutreten sondern auch an
der Hand von F.W. Gerhard unter dem Jubel
des Publikums die schweren Lektionen der
Passage und Piaffe zu zelebrieren. An der
anschließenden Weihnachtsgratifikation in
Form einer Extra- Schwinge Hafer und einer
Ration Möhren ließen es sich die Pferde wohl
sein. Nicht zuletzt aus Liebe zu seinem
Heimatland nahm Gerhard immer wieder
ostpreußische Pferde in Beritt. Den
absoluten Höhepunkt seiner reiterlichen
Karriere erlebte er auf der Olympiade 1936
in Berlin. Mit dem Ostpreußen Absinth wurde
er in der Großen Dressurprüfung nur knapp
geschlagen von seinem Schüler Heinz Pollay
auf Kronos. Dritter im Goldteam der
deutschen Mannschaft war Hermann v.
Oppeln-Bronokowski auf Gimpel.
 |
 |
Mannschaftsolympiasieger
und Gewinner der Silbermedaille,
Berlin 1936, in der Großen
Dressurprüfung, Major Friedrich
Wilhelm Gerhard mit dem Ostpreußen
Absinth v. Carol |
Die
siegreiche Olympiamannschaft in der
Großen Dressurprüfung 1936 Berlin
,Oberleutnant Heinz Pollay, Major
Friedrich Wilhelm Gerhard,
Rittmeister Hermann v. Oppeln-
Bronokowski |
Überschwänglich
berichtete die Presse über den Ritt des
Mannschaftsgold- und
Silbermedaillengewinners Gerhard auf
Absinth: “Der Reiter übertrifft sich selbst.
Es fällt keine Hilfe auf. Das Pferd gleitet
dahin wie von unsichtbaren Hilfen getragen.“
Dies war nicht nur ein Triumpf der deutschen
Dressurequipe sondern auch der
ostpreußischen Reitpferdezucht. Alle drei
siegreichen Pferde waren ostpreußischer
Abstammung. Während des 2. Weltkriegs war
Gerhard als Chefreitlehrer an der
Militärreitschule in Jüterbog tätig. Nachdem
er nach dem Zusammenbruch in Berlin begonnen
hatte, wieder einen kleinen Reitstall
aufzubauen, erkrankte er 1950 schwer an
einer Lungenentzündung, die er nicht
überlebte. Sein früher Tod war besonders
bitter für seine Tochter Marga Erler und
seine Enkelin. Ihm zu Ehren fand am Tag der
der „ Großen Pferdeleistungsschau in Berlin“
am Funkturm eine große Trauerfeier statt. Zu
diesem Anlass waren neben den zahlreichen
deutschen auch viele ausländische Reiter in
die Arena eingeritten.
Dr. Horst
Willer (November 2017)

Erinnerungen
an die Kindheit und die Jugendjahre in
Trakehnen: Ein Zeitzeuge berichtet
Fritz Alshuth
gehörte im Jahr 1993 zu den
Gründungsmitgliedern des Trakehnenvereins.
Fritz Alshuth ist Trakehner Urgestein.
Im Jahr 1911 wurde er
noch zu Kaiser Wilhelms Zeiten als Sohn des
Oberrentmeisters, Waldemar Alshuth, im
Preußischen Hauptgestüt Trakehnen geboren.
Wie könnte es anders sein: Mit Herz und
Seele ist er seiner Heimat, jenem viel
gerühmten Heiligtum der Pferde, tief
verwurzelt geblieben. Nach dem bitteren
Kriegsende fand er mit seiner Familie seine
zweite Heimat in Bad Oldesloe, wo er als
Gymnasiallehrer für Deutsch und Musik über
viele Jahre tätig war, bis er Mitte der
70-er Jahre als Studiendirektor in Pension
gehen konnte.
Als im Jahr 2007 der
Trakehnenverein erstmalig wieder nach dem 2.
Weltkrieg in Trakehnen das 275-jährige
Gründungsjubiläum des ehemaligen
Hauptgestüts feiern konnte, war unter den
zahlreichen Gästen aus ganz Europa auch der
damals 96-jährige Studiendirektor Fritz
Alshuth. Die Liebe zur Musik und zum
Musizieren auf dem Klavier hat ihn in seinem
Lebensmut bis in die letzten Lebensjahre
bestärkt.

Das folgende Interview
mit ihm hat im Jahr 2007 stattgefunden.
Fritz Alshuth war ein langes Leben vergönnt,
er ist im Alter von 101 Jahren gestorben.
Herr Alshuth,
wenn Sie an ihre ehemalige Heimat, jenes
sprichwörtliche Paradies der Pferde,
zurückdenken, welche ersten
Kindheitserlebnisse begleiten Sie noch
heute?
Wir- meine Eltern,
meine Geschwistern und ich - wohnten im
Haus der Gestütskasse. Diese lag zwischen
dem Alten Hof und dem Neuen Hof oberhalb
der Rodupp. Am Garten unseres Hauses kamen
im Sommer jahrein, jahraus die Ackerpferde
vorbei, die zur Ochsentränke geführt
wurden. Sie prägten am stärksten eines
meiner Erinnerungsbilder, wenn ihre
beschlagenen Hufe auf dem
Kopfsteinpflaster widerhallten. Das dumpfe
Poltern auf der Brücke und das Rauschen
und Plätschern des Wassers beim Schwemmen
waren unüberhörbar und es schallte durch
unseren Garten bis zu unserem Haus hinauf.
In den Jahren meines Heranwachsens hörte
ich häufiger das durchdringende Wiehern
der Hauptbeschäler und erforschte die
etwas abgelegenen Paddocks. Viele ihrer
Bewohner lernte ich kennen - sowohl die
kraftvollen Zuchthengste als auch ihre
Wärter. Dort sah ich Tempelhüter,
Jagdheld, Cancara, Dampfross, um nur
einige zu nennen.

Der
Hengst Cancara v.Master Magpie xx u.
Cymbal v. Nana Sahib x, geb. 1917, vor
seinem Paddock auf der “Wartburg“
Am nächsten stand mir
Ararad, den ich jahrelang von meinem
Elternhaus beobachten konnte, wenn er aus
seinem Paddock oberhalb der Rodupp in
rasantem Tempo zum Fluss
heruntergaloppierte. Dort verharrte er
meist eine Weile und äugte über die ihn
schützende Mauer hinüber. Später erlebte
ich einmal, dass Ararad fast aus dem Stand
über diese Mauer sprang.
Konnten Sie denn
in ihrer Kindheit und frühen Jugendzeit
schon eine gute Beziehung zu den Pferden
aufbauen?
Natürlich wäre es
undenkbar gewesen, mit derartig edlen
Pferden verschiedensten Alters und
aufgeteilt in mehrere größere Herden
aufzuwachsen, ohne ihnen besondere
Aufmerksamkeit zu schenken. Ohne dass ich
eine überschwängliche Begeisterung für die
Pferde verspürte, erfreute ich mich jedoch
an diesen herrlichen Geschöpfen wie
jemand, der von den Klängen wunderbarer
Musik ergriffen ist. Ich sehe meine
Begegnung mit den Pferden in Trakehnen
immer im Zusammenhang mit den sie stets
begleitenden Menschen. Wer sie erlebt hat,
diese Gestütswärter, Kutscher,
Gespannführer und Reitburschen, der kam zu
der Überzeugung, dass sie beim Umgang mit
den Pferden ihre Kraft im Wesentlichen aus
großer Zuneigung zu den ihnen anvertrauten
Schützlingen einsetzten und dadurch zu
ihrem Teil an deren Charakterbildung
mitwirkten.

Allmorgentlich
wurden über viele Jahre hinweg Trakehner
Kinder mit der “Glaskutsche“ , im Sommer
mit der offenen “Brettdroscke“, auch Linie
genannt, zum Bahnhof Trakehnen gefahren
und dort auch wieder nach ihrer Rückkehr
von der Schule in Gumbinnen abgeholt
Wie sah es mit
ihren ersten Reitversuchen aus?
Da gab es den
Gestütswärter Urbanski bei der
Fuchsstutenherde. Er war ein bisschen
rundlich, sein ganzes Wesen strahlte
Gutmütigkeit aus, alles was er sagte war
von gewinnender Herzlichkeit. Seit Jahren
kam er in unser Haus, um meinem Vater und
mir die Haare zu schneiden. Seiner
Aufforderung, ihn bei der Stutenherde auf
der Weide zu besuchen, bin ich dann auch
gefolgt. Dort setzte Urbanski, dem ich
vertraute, mich auf sein gesatteltes
Pferd. Zunächst hielt ich mich krampfhaft
am Sattelknauf fest. An den folgenden
Tagen durfte ich schon einige Runden an
der Longe Schritt und Trab reiten. Ich war
ja noch ein kleiner Pimpf, gerade mal
sieben Jahre alt. Gelegentlich meiner
Ausflüge zu Urbanski erlebte ich nicht nur
eine ruhig grasende Herde von siebzig
Stuten und Fohlen, sondern auch mal eine
für mich damals beängstigende Situation,
als die gesamte Herde plötzlich in Aufruhr
geriet und in voller Pace in Richtung des
Taukenischker Wäldchens davongaloppierte.

Jeder Trakehner
Schuljunge lernte das Reiten, besonders in
Kriegszeiten waren sie gefragt, wenn ihre
Väter und Brüder im Kriegseinsatz waren
Ihr Vater hatte
in Trakehnen eine überaus
verantwortungsvolle Aufgabe. Als
Oberrentmeister war er der Finanzchef des
ganzen Gestüts. Können Sie sich in dem
Zusammenhang an besondere Begebenheiten
erinnern?
Da mein Vater
manchmal zur Begutachtung bestimmter
Betriebsvorgänge auf einzelne Vorwerke
(Gutshöfe) fahren musste oder eine Fahrt
zum Bahnhof Trakehnen anstand, wurde ich
häufig in den Fahrstall geschickt, um
einen Kutschwagen zu bestellen. Dies war
besonders aufregend, weil ich auf dem Weg
zum Oberkutscher am Meutezwinger vorbei
musste. Zumeist sprangen die Meutehunde
mit lautem Gebell und ihren braun
gefleckten Leibern gegen den
Drahtverschlag. Mit äußerster
Pünktlichkeit fuhren die Wagen zu der
angegebenen Zeit vor unserem Haus vor. Ob
Rappen oder Füchse vorgespannt waren, sie
sahen alle glänzend aus Manchmal fuhren
wir auch in die Romintener Heide. Am
liebsten nahm ich dann den Platz auf dem
Bock neben dem Kutscher ein, und häufig
durfte ich auf dem Rückweg eine weite
Strecke die Leinen führen.
Eines Tages musste
mein Vater eine Waffe, einen Revolver,
ausprobieren. Mir kam das etwas merkwürdig
vor, bis er mir erklärte, dass er
verpflichtet sei, diese Waffe beim
Geldtransport von Gumbinnen nach Trakehnen
bei sich zu tragen. Am Monatsende wurden
in Trakehnen an alle Bediensteten,
Gestüter und Landarbeiter, der Barlohn
ausgezahlt. Insgesamt war das ein
stattliches Sümmchen Geld. Mein Vater ließ
sich dies auf der Reichsbank in Gumbinnen
auszahlen, um es dann, bewaffnet mit dem
besagten Revolver, sicher in seinem
schnellen Gefährt nach Trakehnen in den
Tresor zu bringen. In der Zeit nach dem
Ersten Weltkrieg waren natürlich ab und an
etwas zwielichtige Gestalten auf den
Straßen unterwegs.
Wie war das mit
den Landstallmeisterfamilien? Bekamen Sie
mal etwas persönlichen Kontakt oder lebten
die oberen Chefs und ihr Anhang doch recht
isoliert?
Mein Vater war oft zu
Dienstbesprechungen beim Landstallmeister.
Wir als Kinder und Jugendliche sahen ihn
nur flüchtig, wenn er mit dem Kutschwagen
oder zu Pferd unterwegs war zu den
Vorwerken, um dort nach dem Rechten zu
schauen.
Eberhard – Pip
genannt- der Sohn des Grafen und der
Gräfin Sponeck war mit mir gleichaltrig.
Wir spielten zuweilen miteinander. Gräfin
Sponeck, mehr bekannt als wagemutige
Jagdreiterin, hatte auch eine
ausgesprochen mütterliche und liebevolle
Art, mit Kindern umzugehen. Daran kann ich
mich noch gut erinnern.
Mitte der 20-er
Jahre, als ich dann das Reiten lernen
wollte, nahm mich mein Vater eines Tages
mit zur Dienstbesprechung bei
Landstallmeister v. Lehndorff. Ich sollte
ihm vorgestellt werden und gleichzeitig
wollte mein Vater ihn bitten, mir die
Erlaubnis zur Teilnahme am Reitunterricht
zu geben, um später an den Geländeritten
und Jagden teilnehmen zu können. Die
Antwort des Grafen: “Selbstverständlich!
Ein Trakehner Junge muss reiten können“.
Dies waren kurz und knapp seine Worte, und
schon war ich wieder entlassen.
Die Söhne des
Landstallmeisters - etwas älter als ich -
waren recht mutige und waghalsige
Jagdreiter, zu denen ich damals
respektvoll hinaufschaute. Mit Hans Graf
Lehndorff, er ging wie ich auf das
Friedrich-Gymnasium in Gumbinnen, hatte
ich ein besonderes Erlebnis: Die
Fahrschüler und -Schülerinnen fanden sich
morgentlich um sieben Uhr zwischen Post
und Hotel zum Elch ein, um von dort im
Winter mit der “Glaskutsche“ und im Sommer
mit der „Linie“ , bespannt mit zwei
kräftigen schnellen Pferden, an die
Bahnstation Trakehnens gebracht zu werden.
Einmal wollte es das Schicksal, dass wir
auf dem Bahnhof den Zug verpassten. Hans
Graf Lehndorff wollte als Primaner nicht
den Unterricht versäumen. Er und ich
entschieden uns, spontan die 14 km bis zur
Schule zu Fuß zurückzulegen. Wir folgten
den Schienen, oft im Laufschritt, und
hatten in zwei Stunden unser Ziel
erreicht. Dort wurden wir von unseren
Lehrern für unseren Eifer gelobt.

Die vier Söhne des
Landstallmeisters Siegfried v. Lehndorff v.
l. Siegfried, Hans, Georg und Elard auf
Trakehner Pferden während einer Jagd in
Trakehnen
Wen traf ich während
meiner Studienzeit, ich studierte Deutsch
und Musik, in Berlin wieder? Ich hatte
eine schwere Lungenentzündung und war ins
Krankenhaus eingeliefert worden. Da stand
nun zu meiner großen Überraschung mein
Schulfreund Hans Graf Lehndorff, der sich
für den Arztberuf entschieden hatte, an
meinem Krankenbett. Damals spürte ich zum
ersten Mal, wie stark gemeinsame Heimat
und unvergessliche Jugenderlebnisse
verbinden. Dank seines persönlichen
Einsatzes für mich wurde ich schon bald
wieder gesund.
Haben Sie denn
das Reiten soweit gelernt, dass Sie später
auch Jagden reiten konnten?
Jagdreiten, das war
ja letztlich das Salz in der Suppe allen
Reitens in Trakehnen. Im Frühsommer hatte
ich mit dem regelmäßigen Reitunterricht
begonnen. Schon bald im Spätsommer durfte
ich an Geländeritten in der Abteilung
unter Leitung des Sattelmeisters Kiaulehn
teilnehmen. Als es dann an die Sprünge
ging, kamen immer wieder die gleichen
Instruktionen: “Zügel frei!“, “In die
Mähne fassen!“, Nicht vornüber fallen!“ In
den Herbstferien durfte ich dann meine
erste Jagd reiten. Zuvor bekam ich vom
Sattelmeister noch zwei spezielle
Weisungen: “Dass Du mir nicht am Grafen
vorbeireitest! Und den großen Trakehner
Sprung am Schluss lässt Du aus!“ Der große
Trakehner Sprung war allgemein gefürchtet.
Er bestand aus einem nahezu zwei Meter
hohen Wall, wobei sich davor und dahinter
jeweils ein Graben befand. Westlich von
Gurdzen begann die Jagd, vorweg die Meute
mit den beiden Huntsmen dahinter der Graf
– Master der Jagd – und dann das Jagdfeld.
Zwar gelang es mir, mein Pferd – es war
ein vierjähriger Fuchswallach mit Namen
“Dämon“, der bereits die zweite Jagdsaison
lief- zurückzuhalten, aber schließlich
bekam er die Oberhand. Er preschte davon,
holte schleunigst das Jagdfeld ein, schoss
an dem entsetzt blickenden Sattelmeister
vorbei, ging dann noch an dem amüsiert
lächelnden Grafen vorbei, setzte entgegen
aller Order über den großen Trakehner
Sprung und erreichte zugleich mit den
Huntsmen und der Meute das Jagdziel in der
Nähe des Vorweks Taukenischken. Es war
noch alles gut gegangen, gottlob keine
harten Vorwürfe, sondern ein befreiendes
Aufatmen und Lächeln des Sattelmeisters.
Ich erhielt meinen Bruch und hatte mein
Jagddebüt hinter mir.
Als ich 1952 Kiaulehn
im Landgestüt Traventhal in Holstein zum
ersten Mal nach sehr langer Zeit
wiedersah, waren nach dem spontanen Ausruf
“Herrjeh, der Fritz!“ seine ersten Worte
“Erinnerst Du dich noch an den großen
Trakehner Sprung bei Taukenischken auf
Dämon!“ Sofort meine Gegenfrage: “Wie hoch
war er?“ Seine spontane Antwort:“1 Meter
80!“ Und dann erst kam die herzliche
Begrüßung.
Als Jugendlicher
meldete ich mich in den Sommer- und
Herbstferien regelmäßig zum Reiten an. Auf
diese Weise lernte ich die Gefilde meiner
Heimat näher kennen. Da waren die
Vorwerke, zwischen denen die Jagden
stattfanden, so zwischen Guddin und
Kalpakin oder zwischen Birkenwalde und
Pissakanal, der so manchesmal durchritten
wurde. Auch führte mancher Geländeritt von
Bajohrgallen aus über das Gelände mit
Reitdamm und Judenbach an den Gurdszer
Eschen vorbei.
Ein besonderer
Höhepunkt der Reiterei in Trakehnen war
der Renntag anlässlich der Ostpreußischen
Turnierwoche in Insterburg. An diesem
Renntag fanden unter großer Beteiligung
der renommiertesten Renn- und Jagdreiter
Ostpreußens vier große Hindernisrennen
über das Trakehner Jagdgelände statt. Das
bedeutendste war das von der
Goltz-Querfeldein, das schwerste
Jagdrennen Deutschlands. Wir
reitbegeisterten Trakehner Jungens kannten
die Favoriten und schlossen vorher
untereinander Wetten auf die mutmaßlichen
Sieger ab. Am Abend nach dem Rennen
bestand Gelegenheit, im Hotel Elch, wo
sich zu einem fröhlichen Umtrunk die
Rennreiter und Schlachtenbummler ein
Stelldichein gaben, den oft recht
amüsanten Berichten über den Rennverlauf
zu lauschen. Wir bewunderten solche
“Größen“, wie G. Heiser-Degimmen, H.
Schmidt, P. Gilde oder G. Scharffetter,
die immer wieder auf den vorderen Plätzen
zu finden waren.
Sind Sie nach
Kriegsende wieder mal in Trakehnen
gewesen?
In meinen Gedanken
und Träumen habe ich Trakehnen nie
verlassen. Erst am Ende des Kalten Krieges
und nach dem Fall der Mauer konnte ich
meine lang ersehnte Reise nach Trakehnen
antreten. Es war im Januar 1990. Ich habe
mich von Memel aus mit einem Taxi nach
Trakehnen bringen lassen. Schon auf der
Hinfahrt und auf meinem Rundgang über das
ehemalige weitläufige Gestütsgelände hatte
ich viele wunderbare Kindheits-und
Jugenderlebnisse wieder vor Augen.
Natürlich überkam mich tiefe Wehmut, als
mir mit jedem Schritt der Niedergang
bewusst wurde, den Trakehnen kriegsbedingt
erfahren hatte.

Lageplan von
Trakehnen: 1 Landstallmeisterhaus, 2
Sekretariat, 3 Wirtschaftsamt und Kasse, 4
Hotel Elch , 5 Post, 6 Hauptspeicher, 7
Ackerhof, 8 Alter Hof, 9 Neuer Hof, 10
Wartburg mit einigen Paddocks, 11 Reithalle,
11a Auktionsstall, 12 Boxenstall oder
Jagdstall, 13 Hundezwinger, 14
Hauptbeschälerstall, 15 Frisör, 16 Apotheke
Viele Bauten waren zu
Ruinen geworden, so der große
Getreidespeicher und Teile des
Jagdstalles. Der neue Hauptbeschälerstall
war eine Ruine und die angrenzenden
Paddocks waren bis auf die Grundmauern
abgetragen. Holundersträuche und
Brennnesseln hatten viele ehemalige
parkähnliche Anlagen überwuchert.Tröstlich
für mich war dann doch, als ich
feststellte, dass das Trakehner Schloss
und das Trakehner Tor weitgehend
unversehrt geblieben waren. Dort war mit
der Schule schon in den 50-er Jahren
wieder Leben eingekehrt. In den
zurückliegenden Jahren habe ich mich dann
immer wieder einmal im Jahr auf den Weg in
mein Jugendparadies gemacht.
Dr. Horst
Willer (September 2017)

Ostpreußische
Reit- und Wagenpferde begehrt
Auch schon vor einem Jahrhundert waren Reitpferdeauktionen und
Pferdeschauen
voller Überraschungen und hatten
etwas Reizvolles. Wer wird den Sieger
stellen? Wer wird den Spitzenpreis
erzielen? Diese und andere Fragen bewegten
die ostpreußischen Pferdezüchter, die
potentiellen Käufer und Pferdeliebhaber bereits
damals genauso
wie heute. Ziel
aller züchterischen Anstrengungen war auch
damals schon die Präsentation eines
marktkonformen Reit- und Sportpferdes.
Die 20-er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts , die für
Deutschland durch hohe Kriegsfolgelasten,
tiefgreifenden Strukturwandel, Inflation und
eine wirtschaftliche und politische
Neuorientierung gekennzeichnet waren,
erforderten auch in der ostpreußischen
Pferdezucht ein Umdenken und eine
Neuausrichtung. Die Zeit der großen
Kavallerieverbände war vorbei, damit auch
der bis dahin hohe Bedarf an Heeresremonten.
Andererseits war durch den allgemeinen
Aufschwung des Turniersports, getragen von
Privatleuten und ehemaligen Offizieren, und
das Aufblühen der ländlichen Reiterei die
Nachfrage nach Sport- und Turnierpferden
deutlich gestiegen. Ostpreußen war nach wie
vor eines der pferdereichsten Gebiete
Deutschlands, lag aber von den Zentren
Deutschlands 1000 km entfernt und war zudem
durch den sog. Korridor vom Mutterland
abgeschnitten. Der Schritt, die
ostpreußischen Pferde näher an die
potentiellen Käuferschichten heranzuführen,
musste gewagt werden. Dies geschah bereits
zum ersten Mal im Winterkriegsjahr 1917 mit
einem Angebot von 350 Ostpreußischen Reit-
und Wagenpferden Trakehner Abstammung in der
Reichshauptstadt Berlin.
Neben der Ostpreußischen
Stutbuchgesellschaft war der maßgebliche
Initiator hierfür Hugo Steinberg, der
damalige Züchter in Drosdowen, Kreis
Oletzko, und Direktor der “Insterburger
Tattersall AG“, die als Ausbildungs- und
Verkaufszentrum der Vereinigung
Ostpreußischer Pferdezüchter gegründet
worden war. Alle Pferde, die er als
Auktionator auf dem Zentralviehhof in Berlin
–Friedrichsfelde selbst versteigerte, fanden
ihre Käufer. Der Erfolg gab ihm recht.
Später wurden sogar Auktionen ostpreußischer
Reit- und Wagenpferde im Kernland
Deutschland, so in Frankfurt, Köln,
Magdeburg, Breslau, Dresden und sogar in
Karlsbad ins Leben gerufen wurden. Diese
Auktionen wurden schon bald zum
unverwechselbaren hippologischen
Aushängeschild des Ostpreußischen Pferdes
und zum Vorbild für alle späteren
Eliteauktionen in Deutschland. Zusammen mit
dem Hauptgeschäftsführer der
Stutbuchgesellschaft, Dr. Schilke, war Hugo
Steinberg stets darauf bedacht, für jede
Auktion die geeigneten Pferde sorgfältig
auszuwählen. Hugo Steinberg war ein
ostpreußisches Original. Guten Freunden war
es erlaubt, ihn „Onkel Hugo“ zu nennen. „Bei
seinen Landsleuten, seinen Ostpreußen, war
er überall zuhause und alle ihre Pferde
waren auch seine Pferde. Steinberg lebte bei
ihnen und mit ihnen wie ein irdischer St.
Georg, als ihr Beschützer, Förderer,
Verkäufer, Künder und Verherrlicher“, so
Ernst Bilke.

Hugo Steinberg war
nicht nur als beliebter Auktionator stets
gern gesehen , sondern ist auch als “Onkel
Hugo“ und ostpreußisches Original in die
ostpreußische Pferdezuchtgeschichte
eingegangen. Foto:
Archiv Menzendorf
In Berlin, der
Metropole Deutschlands, in der die
wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung am
deutlichsten spürbar wurde, wurden zwischen
den beiden Weltkriegen auf Auktionen jeweils
Ende und Anfang des Jahres stets in der
Regie von Steinberg Ostreußische Pferde
verkauft. Dem Transport mit der Eisenbahn
nach Berlin war eine strenge Auswahl und
eine zwei- bis dreiwöchige Ausbildung und
Vorbereitung der Auktionspferde im
Tattersall Insterburg vorausgegangen. Für
die Ostpreußenschau und Auktion bildeten im
Februar die „Grüne Woche“ und das
gleichzeitig stattfindende achttägige „Große
Berliner Reit- und Fahrturnier“ den
gewünschten Rahmen. Der erste Tag der
Turnierwoche wurde schwerpunktartig den
Material- und Eignungsprüfungen für
Reitpferde gewidmet, in den in aller Regel
auf den vorderen Plätzen die Pferde aus
Ostpreußen brillierten.
Die Auktionsplätze
wechselten im Laufe der Zeit. Die
anfänglichen Versteigerungen im Berliner
Zirkus Busch, begleitet von „Onkel Hugos“
unübertrefflichem Humor, Zigeunermusik und
anderen Scherzen, sind in die
Pferdegeschichte eingegangen. Der Zirkus
Busch hatte damals in seinem Marstall Platz
für über 100 Pferde. In seinem umfangreichen
Pferdebestand befanden sich auch 16
prächtige Pferde mit der Elchschaufel
(jeweils vier Füchse, Braune, Rappen und
Schecken), die kein anderer als Hugo
Steinberg im Heimatland bei den Züchtern
ausgewählt und beschafft hatte. Einmal kam
während einer der ersten Auktionen im Circus
Busch der Zuruf eines Querulanten in
Richtung Steinburg: „ Nun haben Sie ja das
richtige Lokal gefunden!“ Sofort kam die
schlagfertige Antwort: „ Hätte ich wegen
Ihnen im Zoo die Auktion abhalten sollen?“
Natürlich hatte Steinberg die Lacher auf
seiner Seite. Viele seiner Auktionspferde
entwickelten sich schon bald zu
erfolgreichen Turnierpferden. So gehörte zu
einer der ersten Reitpferdekollektionen auf
der Auktion in Königsberg der später so
berühmte Balte, Dressursieger der Olympia-
Miltary Paris 1924. Hugo Steinberg liebte
vor allem Pferde, die die Schönheit und die
Ausstrahlung des Arabers vereint mit den
langen Linien des Englischen Vollblüters in
sich vereinigen.

Prämierte Trakehner
Stuten auf der DLG-Ausstellung in Berlin
1933. Im Vordergrund Direktor Hugo
Steinberg und Stutmeister Kniephof,
verantwortlicher Betreuer der Trakehner
Fuchsherde.
Foto: Archiv Menzendorf
In den späten 20-er
Jahren und danach war der renommierte
Tattersall Beermann, das führende
Reitinstitut Deutschlands mit seiner großen
Reitbahn, in dem der Altmeister Oskar M.
Stensbeck und Major F. Bürkner ihre Pferde
arbeiteten, die Örtlichkeit, wo die edlen
ostpreußischen Pferde, die zuvor prämiert
und an der Hand und unter dem Reiter
vorgestellt worden waren, versteigert
wurden. Diese Veranstaltungen waren auch
zumeist ein besonderes gesellschaftliches
Ereignis, zu dem sich nicht nur
Kaufinteressenten aus dem Inland und ganz
Europa einfanden, sondern auch hohe
Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und
der Pferdewelt gern kamen. Die Olympiade im
August 1936 in Berlin war auch Grund genug
für die Ostpreußische Stutbuchgesellschaft,
dort im Sommerstall des Tatteralls Beermann
an der Deutschlandhalle 15 hochwertige und
bereits turniererfahrene Spitzenpferde auf
einer speziellen Ausstellung und
Verkaufsschau zu präsentieren.
Im Februar 1937 fand
die Ostpreußenschau und Auktion in Berlin
besondere Aufmerksamkeit und großes
Kaufinteresse. Auch diese und die folgenden
Auktionen lagen wie bisher in den Händen von
Hugo Steinberg. Die großartigen Olympiasiege
der ostpreußischen Pferde in der Dressur und
in der Military sowie der Sieg des Schimmels
Herold v. Cornelius in der Pardubitzer
Steeplechase sorgten in der damaligen
Pferdewelt für reichlich Gesprächsstoff. So
hatte Ostpreußen mit seinen Pferden
Trakehner Abstammung eine aktuelle
Erfolgsserie und einen frischen
Leistungsnachweis, wie ihn damals keine
andere Zucht in Deutschland zu erbringen
vermochte In den Jahren vor dem Zweiten
Weltkrieg war die Nachfrage häufig größer
als das Angebot, so dass beachtliche
Durchschnittspreise erzielt wurden.
Bestaunt wurden oft
die Ausgeglichenheit und der gute
Pflegezustand der Verkaufspferde. So waren
alle Pferde blank im Haar, gut im
Futterzustand, fachgerecht frisiert und sehr
frisch, wobei die Pferde oft einen langen ,
zeitaufwendigen und nicht zuletzt auch
kostenträchtigen Transport bei frostigen
Temperaturen hinter sich hatten. Für das
Jahr 1940 wird beispielsweise berichtet,
dass der Transport im Güterwagen per Bahn am
Montagabend bei 30 Grad Kälte in Königsberg
abging, über acht Stunden in Schneidemühl
festlag, um dann endlich Donnerstag früh das
Ziel Berlin zu erreichen. Alle 34 Pferde
kamen unbeschlagen und unbeschadet über die
vereisten Berliner Straßen in die
Uhlandstraße. Ein erheblicher Anteil der
Auktionspferde war ausgereift und damit
bereits fünf- und sechsjährig, außerdem
waren viele von diesen auch eingefahren.

Ostpreußische
Pferde auf der Verladerampe des Bahnhofs
in Königsberg
Parallel zu den
Auktionen in Berlin und an den bereits
genannten anderen Orten Deutschlands wurden
eine wesentlich größere Zahl von Reit-,
Wagen- und Zuchtpferden über große
Versteigerungen in Königsberg, Insterburg,
Tilsit, Marienburg und Gumbinnen vermarktet.
In Königsberg beispielsweise war die
Ausstellung und der Verkauf von
Warmblutpferden Trakehner Abstammung
gekoppelt an die jährlich dort stattfindende
Deutsche Ostmesse. Diese hatte von jeher
ausgesprochen landwirtschaftlichen
Charakter, präsentiert wurden alle Arten
landwirtschaftlicher Maschinen, eine weitere
Attraktion waren die vielfältigen
Tierschauen (Pferde, Rinder, Schweine,
Schafe). Eine besondere jährliche Attraktion
war der Ende April Anfang Mai in Königsberg
stattfindende Hengstmarkt. Ca. 100 Hengste -
sie waren bereits dreijährig und
größtenteils bereits angeritten - wurden
nach einer vorausgegangenen Vorauswahl von
den namhaften ostpreußischen Züchtern jener
Zeit zur Körung vorgestellt, von denen
zumeist 60 bis 70% gekört wurden. Ein
Drittel davon wurden von der Staatliche
Gestütsverwaltung angekauft. Die anderen
gekörten Hengste gingen in private Hände und
ins Ausland. Hochwertige Zuchthengste und
Zuchtstuten wurden schon damals auch nach
Nord- und Südamerika exportiert.

Auf der ersten
Schau deutscher Reitpferde 1930 in Aachen
konnte der Trakehner Ispahan v, Dampfross,
geritten von Sattelmeister Kiaulehn, den
Siegerpreis der Leistungsprüfung für
fünfjährige Pferde erringen. Foto: Archiv
Menzendorf
Hugo Steinberg, der
große Promotor der Ostpreußischen
Pferdezucht war mit fast allen
Oberlandstallmeistern der ostpreußischen
Gestütsverwaltung freundschaftlich
verbunden. Seine besondere Wertschätzung
genoss der letzte Landstallmeister
Trakehnens, Dr. Ernst Ehlert. Wenn dieser
nach den gelungenen Ostpreußenschauen am
Klavier saß und das Ostpreußische Reiterlied
sang, dann war dies für Hugo Steinberg und
jeden Ostpreußen ein besonders feierliches
Erleben, so die Berichterstattung aus jener
Zeit. Die Ostpreußische Gestütsverwaltung
überreichte anlässlich der 25.
Ostpreußenschau in Anerkennung seiner großen
Verdienste Direktor Steinberg ein
Bronzestandbild der mehrfachen Siegerstute
Palmenblüte v. Bulgarenzar. Diese war damals
eine der schönsten und typvollsten Stuten
Ostpreußens. Seine Dankesworte beendete
Direktor Steinberg mit den Worten: „Erhalten
Sie, meine Züchter, diesen Ostpreußen: Draht
muss er haben, Gang muss er haben, schön
muss er sein.“

Dressurausbilder O.M.
Stensbeck auf dem Trakehner Nicolo in der
Piaffe. O. M. Stensbeck kaufte gern und
oft auf den Auktionen ostpreußische
Pferde, auch Original-Trakehner
Anlässlich der
Jubiläumsfeierlichkeiten der Ostpreußischen
Stutbuchgesellschaft im September 1938 in
Königsberg wies Herr v. Schrötter, damals 1.
Vorsitzender der Stutbuchgesellschaft, in
seiner Festansprache u. a. darauf hin, dass
bis dahin die Ostpreußische Pferdezucht seit
1922 ca. 50.000 Remonten ans Heer geliefert
habe, davon allein 25.000 seit 1933. Auch
dürfte kein anderes Zuchtgebiet zu jener
Zeit in der Lage gewesen sein, monatlich 50
bis100 Pferde für Reit- und Turnierzwecke im
In-und Ausland bereit zu stellen. So wurden
nahezu monatlich die Auktionen innerhalb und
außerhalb Ostpreußens mit ausgewählten Reit-
und Wagenpferden beschickt. Daneben wurden
im Zuchtgebiet selbst jährlich noch 10
Fohlenauktionen und eine Reihe von
Zuchtstutenauktionen durchgeführt. Im Jahr
1940 - der Krieg war schon im vollen Gang-
betrug die Zahl der im Ostpreußischen
Stutbuch eingetragenen Stuten ca. 24.000 und
es befanden sich 775 Hengste Trakehner
Abstammung (zumeist in Staatsbesitz) im
Deckeinsatz. Es war eines der größten
geschlossenen Zuchtgebiete Deutschlands. In
Ostpreußen gab es neben dem Hauptgestüt
Trakehnen die vier Landgestüte Georgenburg,
Rastenburg, Braunsberg und Marienwerder.
Damals war das
wichtigste Verkehrs- und Transportmittel die
Eisenbahn. Tausende und abertausende
Remonten sind so in Krieg und Frieden über
die Rampen der Königsberger und Insterburger
Bahnhöfe in den Heeresdienst und als edle
Reitpferde zu den Auktionen und Käufern ins
Kernland Deutschland und ins Ausland
gegangen.
Dr. Horst
Willer (August 2017)

Aus
einem Aschenputtel wird ein Weltstar
Zum Renntag in Trakehnen
anlässlich der Insterburger Turnierwoche
Anfang Oktober 1929 haben sich wieder
tausende Pferde- und Reiterfreunde auf den
weiten Koppeln Trakehnens eingefunden. Sechs
Jagdrennen, darunter allein zwei für
Trakehner Jagdpferde, stehen auf dem
Programm. In dem schwersten Jagdrennen, dem
v. der Goltz-Querfeldeinrennen, gehen
diesmal neun Pferde an den Start. Die
Distanz beträgt 6000 m. Auf natürlichem
Geläuf sind 33 respektable natürliche
Hindernisse zu überwinden. Nach einem harten
Rennverlauf wird der geheime Favorit Ben Hur
v. Benjamin xx, ein etwas unscheinbarer
Schimmel, geritten von dem jungen ländlichen
Reiter Gustav Schwandt, von der Trakehner
Stute mit dem kuriosen Namen Badewanne und
P. Gilde im Sattel knapp geschlagen. Ben Hur
war gerade mal siebenjährig. Nach diesem
grandiosen Erfolg stellte sich dem Reiter
eine sehr schwierige Frage. Sollte er es
wagen, mit seinem wackeren Schimmel schon
bald die weite Reise in die damalige
Tschechoslowakei antreten, um dort an dem
schwerste Jagdrennen des Kontinents, der
Pardubitzer Steeple Chase, teil zu nehmen.
In der Vergangenheit hatten dieses in jeder
Hinsicht anspruchsvolle Hindernisrennen
Ostpreußische Pferde schon mehrfach gewinnen
können. In den Jahren 1923 und 1925 siegte
Landgraf II v. Irrwisch II und 1924 Herero
v. Shilfa xx. Im Jahr 1928 kamen von 14
Pferden 10 ins Ziel, darunter drei aus
Ostpreußen: Vogler v. Christian de Wet xx
mit Hans Schmidt als Sieger, Beate v. Blanc
Bec xx mit Udo v. Kummer als Zweiter und
Johanniterin mit Herbert Paulat als Vierter.
Gustav Schwandt, damals
mit 22 Lenzen noch jung an Jahren kannte
mittlerweile die Stärken seines Pferdes und
war auch bereits durch manches “Feuer“ mit
ihm gegangen. Bevor dieser umgängliche und
charaktervolle Schimmel, der ein absoluter
Spätentwickler war, zu seinem Reiter
gelangte, hatte er schon manche
Enttäuschungen erlebt. Er ging durch mehrere
Hände. Sein Züchter Gruber- Schleifenau
(Lenkutschen), Kreis Insterburg verkaufte
ihn an Schäfer- Blocken, dieser wiederum gab
ihn ab an Nickel- Güldenau (Schwirbeln) bis
er schließlich bei Gustav Schwandt
Kl.-Stoboy , Kreis Elbing, landete.
Zwischenzeitlich war er vielen
Kaufinteressenten und Remontekommissionen
vorgestellt worden. Sie alle lehnten ihn ab,
darunter auch eine russische
Ankaufskommission. Sie alle wollten von dem
Schimmel mit dem etwas herben Gesicht, der
ziemlich schmalen Brust und den etwas eng
gestellten Vorderbeinen nichts wissen.
Allein Gustav Schwandt hatte die wahren
Qualitäten dieses Vierbeiners erkannt und
ihn schließlich gern in seine reiterliche
Obhut genommen. Schon bald konnten sich die
beiden in einer Reihe von Eignungs-,
Dressur- und Springprüfungen sowie
Jagdrennen auf den vorderen Plätzen
platzieren. Ben Hur erwies sich frühzeitig
als ausgezeichnetes Vielseitigkeitspferd.
Auf dem Insterburger Turnierplatz hatte das
Paar bereits auf seinen Ritten über
verschiedene Parcours mit den respektablen
Naturhindernissen, wie dem Insterburger
Wall, der Irischen Bank und den breiten
Wassergraben mit Koppelrick, positive
Bekanntschaft gemacht.

Die Reiterkameraden, die
erfolgreich von ihrer vorjährigen Expedition
aus Pardubitz zurückgekehrt waren,
ermutigten Gustav Schwandt, den Hut in den
Ring zu werfen und seine Teilnahme an der
48. Pardubitzer Steeplechase zuzusagen.
Schließlich waren es dann vier aufrechte
Reitersleute, W. Dannenberg mit Beate, P.
Gilde mit Johanniterin, L. Staudinger mit
Freischütz und G. Schwandt mit Ben Hur, die
sich per Bahn auf die weite Reise begaben
und ungefähr zwei Wochen vor dem
eigentlichen Rennen in Pardubitz, 100 km
östlich von Prag, eintrafen. Nun galt es,
das Gelände ausgiebig zu inspizieren und die
Pferde weiter fit zu halten für den großen
Auftritt. Dieses Hindernisrennen hat eine
lange Tradition und ist hervorgegangen aus
den Parforcejagden, die in dieser Region
jährlich abgehalten wurden. Das Ende der
Reitjagdsaison sollte durch einen würdigen
Renntag gekrönt werden.
Seit 1874 werden
entsprechende Rennen ausgeschrieben, wobei
die “Große Pardubitz“ schon damals über 6400
m und ca. 30 Naturhindernisse ging. Im
Unterschied zur “Großen Liverpooler“, deren
mächtige Hindernisse auf einer gut
gepflegten Rasenbahn stehen, ist dies ein
ausgesprochenes Querfeldeinrennen über
Feldwege ,Weide-und Ackerflächen, die
gespickt sind mit breiten Hecken und Gräben
sowie verschiedenen Koppelricks. Besonders
gefürchtet auf der Rennstrecke sind drei
sehr schwere Hindernisse. Dazu gehört der
sog. Schlangengraben. Er ist 4,50 m breit.
Die Landestelle liegt 80cm tiefer als der
Absprung. Auch der große Englische Sprung
mit einer Gesamtbreite von 3,50 m erfordert
größte Aufmerksamkeit von Reiter und Pferd.
Hier ist ein 2m breiter Wassergraben
eingerahmt vorn durch ein 1m hohes Rick und
hinten durch eine 1m hohe breite Hecke. Der
gefährlichste Sprung ist der sog.
Taxisgraben. Die Pferde nähern sich einer
1,40 m hohen und 1,50 m breiten
Weißdornhecke. Dahinter verbirgt sich ein 5m
breiter und 2m tiefer trockener Graben, den
die Pferde aber erst in der Flugphase
erkennen können. Nur durch mutiges und
forsches Anreiten lässt sich dieser Sprung
einigermaßen schadlos überwinden. Dieses
Hindernis wurde im Training grundsätzlich
von keinem Reiter gesprungen. Nur Graf
Kinsky soll dies in den ersten Jahren der
“Großen Pardubitz“ gewagt haben. Im Jahr
1929 ließ sich aber der junge Ostpreuße
Schwandt von seinen Landsleuten nicht länger
necken, wendete seinen Ben Hur und
übersprang fehlerlos den Taxisgraben. Dies
war sicherlich schon ein gutes Omen für den
Newcomer. Alle aktiven Teilnehmer waren sich
stets der Tatsache bewusst, dass gerade
dieses Rennen an Herz und Lungen bei Reiter
und Pferd die höchsten Anforderungen stellt.
Das Unglück wollte es,
dass zwei Tage vor dem eigentlichen Rennen
ein anhaltender großer Regenguss niederging.
Das Geläuf war stark durchnässt und die
Gräben bis an den Rand mit Wasser gefüllt.
Es war schon abzusehen, dass die Absprung-
und Landestellen den Pferden wenig Halt
geben würden. Da sich aber noch rechtzeitig
klares Sonnenscheinwetter einstellte, sah
sich die Rennleitung jedoch nicht
veranlasst, den Renntag und die “Große
Pardubitz“ abzusagen. Das bevorstehende
Großereignis hatte viele tausend Zuschauer
angelockt, darunter auch eine größere Anzahl
aus Deutschland. Schon bald war es dann
soweit, zwölf Reiter befanden sich auf der
Bahn und gingen nach einer kurzen Parade an
den Start. Schon auf dem ersten Drittel kam
es zu zahlreichen Stürzen infolge des tiefen
Bodens. Während Ben Hur den Taxisgraben
unbehelligt hinter sich lassen konnte,
schied Johanniterin mit P. Gilde hier durch
Sturz bereits frühzeitig aus. Schwandt mit
Ben Hur blieb zusammen mit dem Engländer
Kapt. Charous mit Dover und Dannenberg mit
Beate im ersten Drittel des Feldes bis er
das Pech hatte, an der zweiten Kanzel zu
Fall zu kommen. Flott saß er wieder auf und
setzte den Ritt fort. Nach zwei Dritteln der
gesamten Rennstrecke hatten bereits acht
Paare wegen übler Stürze aufgegeben. Auf dem
“Nachhauseweg“, dem letzten Drittel des
Kurses, kamen alle vier noch laufenden
Pferde in dem mörderischen Rennen zu Fall,
darunter auch erneut der tapfere Ben Hur.
Ihn hatte es wegen der sumpfigen Landestelle
am Schlangengraben erwischt. Die treue
Beate, bis dahin fehlerlos, ereilte auch
hier wegen des morastigen Bodens das gleiche
Schicksal. Schwandt schwang sich trotz einer
Verletzung am Kopf wieder in den Sattel
seines Pferdes und blieb damit im Rennen.
Gleiches gelang auch seinem Landsmann
Dannenberg sowie den beiden anderen Reitern.
Dover blieb in Führung dicht gefolgt von Ben
Hur der sein Bestes gab, so dass es seinem
Reiter gelang, ihn im Einlauf auf der
Flachen doch noch zu passieren und damit das
Rennen zu gewinnen.

Welch` ein tapferer
Reiter und welch` ein leistungsbereites
Pferd! Die weitere Platzierung war dann
Oblt. Poplers mit Gyi Covam und W.
Dannenberg mit Beate. Wegen der Massenstürze
war die Reaktion des Publikums
verständlicherweise etwas verhalten. Während
der Siegerehrung wurde die großartige
Leistung des Siegerpaares durch die
Rennleitung gebührend gewürdigt. In den
Gazetten des Renn- und Reitsports, aber auch
im Heimatland machte der Pardubitz- Sieger
Schlagzeilen. Nun waren Pferd und Reiter in
aller Munde. Auch Ben Hur war längst nicht
mehr das Aschenputtel oder Hässliche Entlein
von damals, sondern hatte durch seine
sportliche Ausbildung und Förderung deutlich
an Format und Ausstrahlung gewonnen. Was die
Vorstellung von Schönheit eines Pferdes
angeht, haben die Engländer eine sehr gute
Umschreibung: “Handsome is, what handsome
does“, in deutscher Übersetzung: Schönsein
heißt, schön handeln oder Gutes leisten.
Seine enorme Leistungskraft hat Ben Hur
seinen Ahnen zu verdanken. Er stammt aus
einem alten ostpreußischen Mutterstamm,
Vater (Benjamin xx) und Großvater ( Billow
II xx) sind jedoch Englische Vollblüter, die
im Landgestüt Georgenburg stationiert waren.
Auch in diesem Fall hat sich der Spruch des
ehemaligen Oberlandstallmeisters Georg v.
Lehndorff bewahrheitet: “Blut ist Saft, der
Wunder schafft“. Dieser Leitgedanke ziert
heute noch das Eingangsportal zum
Stutenstall im Vollblutgestüt Graditz, wo
jener Hippologe lange Zeit gewirkt hat.
Drei Monate später sollte
der zum Weltstar avancierte Schimmel nun auf
dem Februar- Turnier anlässlich der Grünen
Woche seine Große Bühne haben. Frenetischer
Beifall war im sicher, obgleich er in der
Großen Eignungsprüfung für Jagdpferde, dem
Preis von Trakehnen, nur Zweiter wurde. Die
Richter konnten nicht über ihren Schatten
springen, sie beherzigten nicht die
“Weisheit“ der Engländer. Wieder mal wurden
Ben Hur die leichten Mängel im Gebäude
angekreidet. Mit Bravour gewann er aber den
Hubertuspreis, die Eignungsprüfung für
Damenjagdpferde mit Frau Rittm. Beekmann im
Sattel. In den folgenden Jahren setzten
Schwandt und Ben Hur ihre Turnierkarriere
äußerst erfolgreich fort. In der
Vielseitigkeitsprüfung der ostpreußischen
Reitervereine anlässlich des großen
Provinzialturniers in Königsberg im Sommer
1930 siegte das Paar gegen 70 Konkurrenten
mit Überlegenheit. Schwandts Reiterverein
Kattenau gewann die Provinzialstandarte, die
dann ganz stolz Ben Hur und sein Reiter
während der Parade tragen und präsentieren
durften. Auch in Springkonkurrenzen konnte
sich Ben Hur gegenüber den besten
Springpferden Deutschlands behaupten und
errang zahlreiche Siege in Springen der
mittleren und schweren Klasse, darunter auch
in Barrierenspringen bis 1,90 m.

Bewundernswert war auch
das gutartige Temperament dieses edlen
Pferdes. Besucher auf dem Gut Kl. Stoboy
waren oft erstaunt, wenn sie Ben Hur dort im
Gespann beim Verrichten der Feld- oder
Gartenarbeit oder als Ausbildungspferd für
Kinder beim Springen und Voltieren sahen.
Einmal anlässlich des internationalen
Turniers in Zoppot mussten sich die
Zuschauer die Augen reiben, als Ben Hur ganz
elegant in einem Blumenkorso als Kutschpferd
vor einem mit vielen Blumen geschmückten
Kutschwagen ging.

Ben Hur hat sein Zuhause
nie wieder verlassen müssen, er bekam in Kl.
Stoboy sein Gnadenbrot. Wie die meisten
Landsleute, so musste auch Familie Schwandt
bei Kriegsende das Schicksal von Flucht und
Vertreibung erleiden. Im Westen angekommen
ist es dann dem Ehepaar Schwandt gelungen,
in Essen-Bredeney einen Reitbetrieb
aufzubauen. Anmerkung: Das heutige Reglement
für Vielseitigkeitsprüfungen sieht vor, dass
die Geländestrecke hinsichtlich der
Bodenverhältnisse und der Anlage der
Hindernisse so ausgelegt ist, dass bei
entsprechender Qualifikation von Reiter und
Pferd diese nicht zu Schaden kommen.
Außerdem ist festgelegt, dass Im Falle eines
Sturzes von Pferd und /oder Reiter der Ritt
nicht fortgesetzt werden darf.
Dr. Horst
Willer (Mai 2017)

Trakehner
Jagden
Das preußische
Hauptgestüt Trakehnen war das erste, in dem
alle jungen Pferde angeritten und im
Jagdfeld auf ihre Veranlagung und
Leistungsbereitschaft hin getestet wurden.
Der Durchbruch mit einer vielseitigen
Leistungsprüfung gelang v. Oettingen mit der
Errichtung des großen Boxenstalls, in dem
der später legendäre Jagdstall eingerichtet
wurde, und der gedeckten Reitbahn im Jahr
1898. Seit dem Jahr 1907 verfügte Trakehnen
auch über eine Meute. Für den Beritt wurden
talentierte junge Reiter engagiert, die in
dem ebenfalls neu errichteten
Reitburschenhaus untergebracht waren.
Trakehnen bot wie kein anderer Ort das
ideale Jagdreitgelände. Durch die
Entwässerung einer mehr als 6000ha großen
Wiesen- und Sumpflandschaft waren eine
Vielzahl von großen und kleinen
Wasserläufen, Gräben und Wällen entstanden.
Mit der Einzäunung der Weideflächen- auch
eine der vielen bahnbrechenden Initiativen
v. Oettingens - kamen eine große Zahl von
Koppelricks als Hochsprünge und kombinierte
Wegesprünge hinzu. Am ersten Juli setzte die
eigentliche Jagdsaison ein. Bereits nach
sechs bis acht Wochen behutsamer Ausbildung
gingen dann die Dreijährigen die Schleppjagd
hinter den Hunden über die natürlichen
Gräben und Zäune, durch Wasserläufe und
Klettergräben, über Doppelsprünge und Wälle.

Nicht zu vermeiden war
der ein oder andere Sturz oder ein
unverhofftes Bad im Pissakanal. Die
Anforderungen an die Aufmerksamkeit und das
Taxiervermögen der jungen Pferde waren recht
hoch. Um sich selbst davon überzeugen, wie
die jungen Pferde die ihnen gestellten
Aufgaben meistern, ritten die
Landstallmeister zumeist die Jagden mit.
Gräfin Maissa v. Sponeck , die “Mutter“ des
Jagdstalles, hat als leidenschaftliche
Jagdreiterin während der Regentschaft ihres
Mannes keine Jagd versäumt. Wer kennt nicht
ihr wunderbares Skizzenheft über die im Jahr
1921 stattgefundenen Jagden? Beobachtungen
über Verhalten und Vermögen der Pferde im
Jagdfeld wurden in einem speziellen Buch
festgehalten. Turnier- und Rennreiter aus
aller Welt sowie Offiziere wurden gern als
Teilnehmer an den Reitjagden gesehen. Für
die erfolgreicher Teilnahme während einer
gesamten Jagdsaison lockte eine besondere
Auszeichnung, die Verleihung des von v.
Oettingen gestifteten “Trakehner Knopfes“
Einer der begeisterten Turnierreiter, der
Mitte der 20-er Jahre an einer Trakehner
Jagd teilgenommen hat, war Hans – Viktor v.
Salviati. Von ihm stammt der folgende
authentische Bericht mit dem Titel:
Trakehner Jagden. „Vor einigen Jahren
schrieb Gustav Rau über ein Ostpreußisches
Privatgestüt: „ Wer Lenken (namhaftes
Privatgestüt in Ostpreußen) gesehen hat,
kann ruhig sterben“. Ich möchte dasselbe von
dem sagen, wer in Trakehnen Jagden geritten
hat, denn er hat dort den höchsten Genuss
gehabt, den der Pferdemann haben kann, auf
einem edlen Pferd hinter schnellen Hunden
über ein Gelände zu reiten, wie man es in
Deutschland eben nur dort findet. Was sind
im Vergleich hierzu Jagdspringen oder
Geländeritte, wenn auch die Hindernisse
höher sind und das Akrobatenstück des
Pferdes größer ist; es fehlt eben der Zauber
der Jagd! Schon in dem prachtvoll gehaltenen
jagdstall, aus dem die Pferde wie
Morgenglanz, Kampfgesell, Hartherz und
Partner hervorgingen, sieht man, dass alles
etwas ganz Besonderes ist. Dann, heim
Aufsitzen, keiner der Dreijährigen bockt
oder buckelt, sie haben alle Vertrauen zu
ihrem Reiter und unwillkürlich wünscht man
sich einige Trakehner Reitjungens als
Remontereiter , wenn man an die Bilder bei
Remonteabteilungen denkt, wo sich der
Reitlehrer oft in der Arena voll wilder
Tiere sieht. Das ganze Trakehner Jagdgelände
mit seinen Eichen- und Birkenalleen ist
durchzogen von Gräben, Ricks und Wällen, die
die einzelnen Weiden voneinander trennen.
Besonderer Beliebtheit erfreuen sich der
Reitdamm, der Judenweg, der Hasenwaldzaun,
der Tränkegraben, faule Gräben und der große
Trakehner Sprung, ein 2 Meter hoher Wall mit
beiderseits Gräben und oben darauf an einem
Rande mit Hecke. Die Alleen sind eingefasst
mit Gräben und Ricks. In den meisten Gräben,
die durchschnittlich drei bis vier Meter
breit sind, stehen Koppelricks, die
sogenannten Trakehner Sprünge.

Das alte arabische
Sprichwort von dem höchsten Glück dieser
Erde bewahrheitet sich, wenn man auf Pferden
wie Anthrazit, Amalgan, Postmeister,
Coiffizient über diese Sprünge “segelt“. Sie
alle haben inzwischen ihre Trakehner
Paradies verlassen, um – hoffentlich recht
sportbeständige Besitzer zu tragen. Draußen,
wenn die zwei Schlepper anreiten und die
Hunde angelegt werden, verfolgt jedes Pferd
das alles mit gespitzten Ohren, und man
fühlt die Freude, dass es jetzt “los“ geht.
Keines dieser Pferde pullt, alle gehen
aufmerksam an langem Zügel, jeder der
kleinen, oft schmächtigen Reitjungen, reitet
seinen Strich; keiner stört den anderen. Vor
dem Felde, als Vorbild für alle, auf einem
großlinigen Rappen Oberlandstallmeister Graf
Lehndorff, ein echter Reiter der feinen
Alten Schule, wie man sie nur noch auf
englischen Stichen sieht. Ganz kurz will ich
den Verlauf einer solchen Jagd schildern.
Vom Fleck weg setzt sich
das Feld in sehr flotter Fahrt in Bewegung.
Man sieht die Hunde einen Graben springen
und von selbst ziehen alle Pferde an, um im
langen Sprung über die 4 Meter zu fliegen.
Dann kommt ein achtungsgebietender Holzzaun;
5 Meter dahinter muss ein breiter, bis zum
Rande mit Wasser gefüllter Graben
durchklettert werden. Halbrechts sieht man
in einer Wiese sich einen schnurgeraden Wall
hinziehen. Mit einigen Sprüngen sind die
Pferde oben und “besinnungslos“ geht`s
hinunter in die Pissa, jenseits mit einem
Rumpler hinauf und weiter. Es folgen einige
Koppelricks etwa 1,10 Meter hoch, einige
Gräben, zwei Alleen mit beiderseits Ricks in
Gräben stehend, dann geht`s über den Graben
auf die Chaussee, jenseits über ein Rick im
Graben in die Tiefe. Bei einem sehr tiefen,
breiten Graben springen einige Pferde zu
früh ab und landen auf der Nase und ihren
gekrümmten Vorderbeinen, die Pferde prusten,
krabbeln heraus, weiter. Wundervolle
federnde Weiden, ein kleiner Wall und vor
uns taucht die mit dem Himmel abschneidende
Silhouette des sich lang hinziehenden
Trakehner Walls auf. Mein 3-jähriger
“Statist“ hat ihn noch nie gesprungen, doch
ich merke, dass er das Herz eines Löwen hat
und überlasse ihm die Einteilung des
Sprunges. Ruhig zieht er dagegen; über den
Graben springt er wie eine Katze an den
Rand, hinauf, ein Federn in den
Sprunggelenken und in gewaltigem Satz landen
wir über die am Rand stehende Hecke und den
dahinter liegenden Graben hinweg im
jenseitigen Felde. Ich klopfe den braven
Fuchs und schwöre von neuem auf das Herz der
Trakehner! Noch 200 Meter, ein kleiner
Graben, Halali!

Die Jagden sind
durchschnittlich 4 Kilometer lang, gegen
Ende der Saison länger und sehr schnell.
Ebenso steigern sich Zahl und Abmessung der
Sprünge, so dass im September und Oktober
Anforderungen an die Pferde gestellt werden,
wie wohl in keinem anderen deutschen
Jagdfelde. Dabei sieht man allen Pferden an,
wie gut ihnen die zwei Jagden pro Woche
bekommen. (Im Ganzen wird viermal in der
Woche Jagd geritten.) An den übrigen Tagen
wird 1 bis 2 Stunden im Gelände geritten,
wobei 1000 bis 1500 Meter galoppiert wird.
Hierbei lernen die Pferde, erst im Schritt
kletternd, dann im Trabe und endlich im
Galopp ganz von selbst geradeaus zu gehen
und in jedem Hindernis etwas
Selbstverständliches zu sehen. Sattelmeister
Kiaulehn, dem der Jagdstall untersteht, weiß
genau, dass man mit Ruhe und Geduld – ohne
Sporen - jedem jungen Pferd alles spielend
beibringen kann, und dass Ungezogenheiten
fast immer Schuld des Reiters sind, der
vergisst, dass ein Pferd keine Maschine ist
und allem Neuen gegenüber erst seine
natürliche Angst zu überwinden lernen muss.
Wenn alle Reiter immer wieder daran dächten,
ehe sie zur Peitsche Sporen, Klopfstange und
anderen Mitteln greifen, gäbe es wohl
weniger sogenannte Verbrecher und dem von
Natur aus gutmütigsten Tier unseres Planeten
blieben viele Qualen erspart.
"Wer wirkliche
Befriedigung in unserem schönsten Sport
haben will, dem rate ich, im Herbst nach
Trakehnen zu fahren, er wird es nicht
bereuen“.
Quelle:
Monatliche Mitteilungen des Turnier-Herren
Reiter u. Fahrverbandes , 2. Jg. ( 1926)
Heft 12
Hans- Viktor v. Salviati
gehörte einige Jahre der Kavallerieschule
Hannover an und galt Mitte der 30-er Jahre
als einer der erfolgreichsten Hamburger
Springreiter. Er war am Umsturzversuch des
20. Juli 1944 beteiligt, was ihm zum
grausamen Verhängnis werden sollte. Am 25
April wurde er von der SS hingerichtet.
Dr. Horst
Willer (März 2017)

Pferdemaler in
Trakehnen
Bereits im 19.
Jahrhundert und auch später noch wurde das
Preußische Hauptgestüt Trakehnen zum Mekka
vieler Künstler, und hier vor allem der
Pferdmaler. Sie haben sich immer wieder der
Darstellung der herrlichen Pferde gewidmet.
Trakehnen mit seinem besonderen Flair hatte
auf sie eine besondere Anziehungskraft. In
der Zeit als es die Fotographie noch nicht
gab, wurden zunächst die Maler im Auftrag
der Preußischen Gestütsverwaltung vor Ort
tätig, um berühmte Stuten und Hengste zu
porträtieren. Während der Regentschaft von
C.F. v. Burgsdorff war Friedrich Leopold
Bürde, Professor an der Berliner Akademie,
nach Trakehnen gereist. Von ihm stammen die
überlieferten Portraits solcher
Hauptbeschäler, wie Roderich, Oglan ox,
Bagdadly ox, Scapall xx, und Driver. Ein
anderer Historien- und Tiermaler, Carl
Constantin Heinrich Steffeck, hat dann
später zur Zeit der Landstallmeister v.
Schwichow und v. Dassel die berühmten
Hengste Oromendon , Ganges x, Thunderclup
und Sahama xx auf die Leinwand gebannt.
Heute noch sind wir fasziniert von den
wunderbaren Portraits der Hengste
Morgenstrahl, Polarsturm und Shilfa xx, die
wir Karl Volkers verdanken. Er besuchte
Trakehnen, als Burchard v. Oettingen
(1895-1912) die Geschicke des Hauptgestüts
leitete. Unter der Ägide dieses großartigen
Pferdemannes war Trakehnen aus dem
Dornröschenschlaf erwacht. Seine
bahnbrechenden baulichen und züchterischen
Initiativen gleich zu Beginn seiner Amtszeit
hatten Trakehnen neuen Glanz verliehen. So
waren auf seine Veranlassung hin der
Hauptbeschälerstall neu errichtet worden und
auch der Neue Hof mit dem Boxen- und
Fohlenstall sowie der Reitbahn entstanden.
Außerdem schuf er die herrlichen
gärtnerischen Anlagen, die Tannenhecken,
viele Alleen, Wildremisen, die Paddocks und
die sog. Wartburg. Zur besonderen Gestaltung
der Garten- und Parkanlagen hatte
Landstallmeister v. Oettingen sogar den
russischen Hofgärtner, Baron v. Engelhardt,
engagiert.
Die Künstler, die in der
Folgezeit nach Trakehnen kamen, waren mehr
von dem großartigen Naturerlebnis fasziniert
und hatten die kilometerlangen Eichenalleen,
die friedlich grasenden Stutenherden mit
ihren Fohlen auf den riesigen Weideflächen
der einzelnen Vorwerke oder die prächtigen
Parkanlagen mit den gepflegten Hecken und
Wegen sowie die Sommerresidenzen der
Hauptbeschäler immer wieder vor Augen. Die
Künstler wollten die edlen Trakehner als
Naturgeschöpfe, wie sie frei und ungebunden
auf den Weiden leben, abbilden. Auch im Fall
der malerischen Charakterisierung einzelner
Hengste und Stuten kam es ihnen darauf an,
die spezielle individuelle Note, die sie von
allen anderen Artgenossen unterschied, im
Bild lebendig zu erfassen. Beim Betrachten
jener Bilder gelang es dann dem Beschauer
auf den besonderen Charakter, das
Temperament und die psychischen
Eigenschaften der jeweiligen Pferde zu
schließen. Während der Regentschaft des
Landstallmeisters Kurt Graf Sponeck (1912-
1922) hatte sich auch der Pferdemaler Prof.
Georg Koch (1857-1928) von Berlin auf die
weite Reise nach Trakehnen begeben. Gleich
zu Beginn des ersten Weltkrieges war
Ostpreußen und damit auch Trakehnen durch
den Angriff und Einmarsch der russischen
Armee in große Bedrängnis geraten mit der
Konsequenz, dass das gesamte Gestüt
evakuiert werden musste. Große Teile der
wunderbaren Gestütsanlage waren durch
Kriegseinwirkung zerstört worden.
Schließlich als dann die Russen nach der
gewonnen Schlacht bei Tannenberg besiegt
worden waren, ging es in Trakehnen nach der
Rückkehr seiner Bewohner und Pferde wieder
aufwärts. Der Wiederaufbau der zerstörten
Gebäude war schnell von statten gegangen.
Graf Sponeck baute den Jagdstall aus und
setzte die Reitpferdezucht auf Leistung
konsequent fort. Hier wurden die jungen
Hengste und Stuten erstmalig im Jagdfeld
hinter der Meute auf Herz und Nieren
geprüft. Es war der Jagdstall, der den
Trakehnern den Weltruf als harte
Leistungspferde verschafft hat. Nur Pferde
mit hoher Leistungsbereitschaft und gutem
Charakter, die den Test bestanden hatten,
wurden zur Zucht zugelassen.
Die Ehefrau des
Landstallmeisters, Marissa Gräfin Sponeck,
Tochter des Vorgängers B. v. Oettingen, war
eine leidenschaftliche Jagdreiterin und eine
der ersten Frauen, die nicht mehr im
Damensattel ritten. Sie war zu ihrer Zeit
der Chef und die Seele des Jagdstalles und
wurde oft „Mutter des Jagdstalles“ genannt.
Für den Nachwuchs des Jagdstalls,
insbesondere für Pferde, die sie sehr
mochte, nahm sie die Taufe, die
Namensgebung, selbst vor. Sie dürfte auch
den Maler Prof. Georg Koch inspiriert haben.
Ihr Herzenswunsch an ihn war es sicherlich,
nicht nur ihren absoluten Lieblingshengst
Nana Sahib zu porträtieren, sondern auch auf
dem Vorwerk Bajorgallen, wo die
Gemischtfarbene Herde zuhause war, seine
Töchter mit ihrem Nachwuchs auf der Weide zu
malen. Das damals entstandene Gemälde von
Nana Sahib, das wir leider nur noch vom Foto
her kennen, hat eine ganz besondere
Ausstrahlung. Es lässt sich sehr gut
vorstellen, wie oft der Künstler diesen
herrlichen Angloaraber, als er sich in
seinem Paddock bewegte und in Positur
gebracht hat, beobachtet und studiert hat.
Georg Koch ist es meisterhaft gelungen, das
sprühende Temperament dieses edlen Pferdes
mit der Aura eines Arabers in der bildlichen
Darstellung in einer einzigartigen Weise
einzufangen. In voller Aufrichtung und
Aufmerksamkeit mit gespitzten Ohren und mit
sehr locker und anmutig getragenem Schweif
präsentiert sich sehr souverän dieser schon
etwas in die Jahre gekommene herrliche
Schimmelhengst. Dabei werden die einzelnen
Körperpartien, die mächtige
Schulterformation, der leichtgeschwungene
Rücken und die kräftige Hinterhand, in ihrer
Plastizität wunderbar sichtbar.

Nana Sahib X,
Schimmelhengst, geb. 1900, v. Roitelet xx
a.d. Namir X v. Alger xx
nach einem Gemälde von Georg Koch
Um Nana Sahib (1900-1922)
ranken sich Legenden. Diesen französische
Angloaraber, der sich schon bald als
sicherer Vererber von außergewöhnlichem
Springtalent und Härte erwies, entdeckte
Landstallmeister v. Oettingen 1906 auf einer
Dienstreise in einem französischen Rennstall
in der Nähe von Paris wo er ihn auch
käuflich erwerben konnte. Dieser bildschöne
und mit großen Linien ausgestattete Hengst,
der den Charme und Glanz des Arabers
ausstrahlte, war kein unbeschriebenes Blatt.
Er hatte als Sechsjähriger bereits 6 Flach-
und 7 Hürdenrennen gewonnen. Er war zu jener
Zeit in Frankreich einer der besten
Steepler. In Trakehnen erhielt Nana Sahib
später einen ganz speziellen Paddock
versehen mit einem Doppelzaun, da er zuvor
mal die 1,60m hohe massive Steinmauer, mit
der die anderen Paddocks eingegrenzt waren,
glatt übersprungen hatte. Seine ersten
Dreijährigen kamen Anfang des zweiten
Jahrzehnts in den Jagdstall. Es waren die
Söhne mit den wohlklingenden Namen
Extrafein, Himmelskönig und Apfelschnut.
Über die ersten Springversuche dieser
Youngster im Sprunggarten berichtet Gräfin
Sponeck in einem Nachruf über den
„Heldenvater“ Nana folgendes: “Als Extrafein
seine Antrittsrunde im Sprunggarten machte,
rief seine Mama: Ein Genie, ein Genie! Dies
wurde später das Schlagwort im Sprunggarten,
denn außer Genies gab es dort nur
Schweinehunde, und die flogen bald raus.
Drei Jahre habe ich Extrafein selber Jagd
geritten, bin nie mit ihm gefallen, soviel
ich mich entsinne.“ Mit Mama meinte Gräfin
Sponeck sich selbst. Nana Sahibs Nachkommen
waren fast ohne Ausnahme außergewöhnlich
talentierte Spring- und Geländepferde, sie
waren Genies. Dazu gehörten vor allen die
ausgezeichneten Halbblutrennpferde Ergo Sum,
Heimatsang und Heimathorst, wobei die beiden
letzteren jeweils das “ von der
Goltz-Querfeldein-Jagdrennen“ in den Jahren
1924 bzw. 1926 gewinnen konnten. Als
zuverlässige Jagdpferde von Nana Sahib
wurden immer wieder genannt Extrafein,
Leffers, Crailsheim, Estorff, Feuertaufe und
Panna. Die beiden letzteren wurden in die
Trakehner Mutterstutenherde eingegliedert.
Ihnen begegnen wir in dem
in Bajorgallen entstanden phantastischen
Gemälde mit dem Titel “Trakehner
Mutterstuten auf der Weide“. Es dürfte für
den Künstler nicht so schwer gewesen sein,
am Rand der Pferdekoppel seine Staffelei
aufzubauen und nach einer eingehenden
Betrachtung der grasenden Stuten mit ihren
Fohlen zum Pinsel zu greifen. Möglicherweise
war Gräfin Sponeck in seiner Nähe, um ihn
auf die Besonderheiten jener vier Stuten im
Vordergrund etwas einzustimmen. Das Vorwerk
Bajorgallen lag nur ca. einen Kilometer von
dem Hauptwerk Trakehnen entfernt. Dort
kreuzten sich die Alleen des Vorwerks
Jonasthal im Westen und des Vorwerks Gurdzen
im Osten. Die hier beheimatete
Gemischtfarbene Herde, auf dem Gemälde sind
Braune, Schimmel und Füchse zusehen, galt
mit ihrem Stutenbestand hinsichtlich Typ als
die edelste und hinsichtlich des Kalibers
als die leichteste Herde. In diesem
weitläufige Weide-und Wiesengelände war im
Laufe der Jahre auch das Zentrum des
Trakehner Jagd-und Rennbahnzentrum mit
seinen vielfältigen typischen
Naturhindernissen entstanden.

Das Gemälde vermittelt
eine beschauliche Stimmung, einerseits durch
den weiten Horizont, bis zu dem hin
unzählige Pferde weiden, und andererseits
durch die in unmittelbarer Nähe dem
Beschauer in vermeintlicher Lebensgröße
zugewandten vier Stuten, wobei sich zwei
hübsche Fohlen ungestört an der Seite ihre
Mütter aufhalten. Mit Gelassenheit und Ruhe
wenden die Stuten Feuertaufe v. Nana Sahib
und Schwertlilie v. Perfektionist xx etwas
neugierig ihre edlen Köpfe dem Betrachter
zu, während Panna v. Nana Sahib in der Mitte
ungestört grasend ihren Hunger stillt. Auch
hier hat man den Eindruck, dass es dem
Künstler möglich geworden ist, die jeweilige
Pferdepersönlichkeit mit ihren äußeren und
inneren Eigenschaften vollendet im Bild
festzuhalten. Die drei Stuten im Vordergrund
verkörpern geradezu den Idealtyp des
Trakehner Pferdes, wie er damals züchterisch
von Graf Sponeck angestrebt wurde. Er
bevorzugte Pferde mit besten
Reitpferde-Points. Sie sollten über genügend
Rahmen mit langen Linien ihrer wichtigsten
Körperpartien verfügen und jeweils eine
kräftige Vor- und Hinterhand aufweisen,
letztere vor allem zur Unterstützung von
Selbsthaltung und natürlichem Gleichgewicht
sowie als wirksame Kraftquelle zur
Fortbewegung in allen drei Gangarten. Später
ist dann Georg Kochs Schülerin, Helene
Meyer- Moringen auf den Spuren ihres
Meisters in Trakehnen gewandelt und hat uns
so wunderbare Gemälde, wie „ Im Morgenlicht
zur Weide“ oder „ Sommer über dem Land der
Pferde “ hinterlassen. Kopien der genannten
Gemälde befinden sich im Buch “Trakehnen“
von Martin Heling. Zahlreiche Originale
schmückten ehemals die Innenräume des
Trakehner Schlosses. Leider sind die meisten
Gemälde durch die Kriegswirren verloren
gegangen.
Dr. Horst
Willer (Januar 2017)

Noblesse
Oblige - Adel verpflichtet
Die ruhmreiche Zeit des
ehemaligen preußischen Hauptgestüts
Trakehnen liegt bereits weit zurück. Jenes
sprichwörtliche Paradies des Pferdes wurde,
wie oft beklagt, mit seinen edlen Pferden
Opfer des Zweiten Weltkrieges. Ostpreußen
war mit über zwanzig Tausend eingetragenen
Stuten das größte Reitpferdezuchtgebiet
Deutschlands. Ungefähr 600 Stuten und 25
Hengste konnten in den Westen gerettet
werden und bildeten nach 1945 den Grundstock
für den Wiederaufbau der Trakehner Zucht in
der Bundesrepublik Deutschland. In die
spätere DDR waren ungefähr ebenso viele
Stuten gelangt, darunter viele ohne
Abstammungsnachweis.
Der Typ und der Habitus
des Trakehner Pferdes mit seiner
unverwechselbaren Ausstrahlung wurde während
seiner fast bald 300-jährigen Geschichte
trotz aller bitteren Zäsuren konsequent und
kontinuierlich in Reinzucht mit hohen
Anteilen des englischen und arabischen
Vollbluts entwickelt und bis zum heutigen
Tag bewahrt. Gottlob hat das Trakehner Pferd
als lebendes Kulturgut die Zeit überdauert.
So werden heute zur Freude der Menschen
nicht nur in Deutschland und Russland
sondern auch in über 30 weiteren Ländern der
Erde weiter Trakehner Pferde gezüchtet und
als Sportpferde genutzt. Deren Vorfahren
stammen ursprünglich von Pferden ab, die in
Trakehnen und im ehemaligen Ostpreußen
gelebt haben. Hier war ehemals die Wiege der
edelsten und ältesten Reitpferderasse der
Welt.
In diesem Jahr wurden auf
der Hengstkörung in Neumünster in
Schleswig-Holstein von 37 vorgestellten
Junghengsten 13 gekört, d.h. zur Zucht
zugelassen. Zu diesem Jahresereignis kommen
viele Freunde des Trakehner Pferdes aus der
ganzen Welt. Besonders spannend ist die
Auktion, auf der die wunderschönen Hengste
meistbietend versteigert werden. So fand
auch der braune Siegerhengst mit dem Namen
His Moment v. Millenium für 200 000,- Euro
seinen neuen Besitzer. Wenn man sich die
Namen der Ahnen dieses herrlichen Pferdes
mal anschaut, so findet man in der 6.7.und
8. Generation solche Vorfahren wie
Dampfross, Tempelhüter, Pythagoras, Hyperion
u.a., die ehemals in Trakehnen zuhause
waren. Auf diese Weise sorgen die heutigen
Trakehner Pferde für den Nachruhm des
ehemaligen Hauptgestüts Trakehnen.
Nicht erst seit 2015
sondern schon in der Vergangenheit
begeistert der mittlerweile 13-jährige
braune Trakehner Hengst Imperio v. Connery-
Balfour xx, der gegenwärtig mit Hubertus
Schmidt zur Spitze des deutschen und
internationalen Dressursports zählt, die
Welt des Reitsports. Dieser wunderbare
Hengst mit der doppelten Elchschaufel machte
sowohl züchterisch als auch sportlich
Karriere. Fast in ähnlicher Weise wie er
selbst stehen bereits seine beiden
bekanntesten Söhne Heuberger und Schwarzgold
im Rampenlicht des züchterischen und
sportlichen Interesses. Imperio tritt
unerschrocken und selbstbewusst auf, weiß
durch eine überragende Trabtour und
Bergauf-Galoppade zu glänzen und gehört dem
deutschen Championatskader an. „ Es ist ein
Traum, ihn zu reiten“ so Reitmeister
Hubertus Schmidt, der mit ihm als
Ersatzreiter die Reise zu den olympischen
Spielen nach Rio antreten konnte. Für seine
herausragenden Erfolge wurde Imperio erst
jüngst anlässlich es Trakehner Hengstmarktes
der Titel „ Trakehner des Jahres 2016“
verliehen. Mit diesem Ritterschlag gehört
nun Imperio zur Aristokratie seiner
Artgenossen.

Der Züchter Hartmut
Keunecke, Strasburg, kann sehr stolz sein
über die Erfolgsgeschichte seines Zöglings.
Imperio war 2005 Reservekörungssieger. 2008
war er mit Anna Sophie Fiebelkorn Vize-
Weltmeister der jungen Dressurpferde und
Bundeschampion der fünfjährigen
Dressurpferde. Nachdem er einige Zeit im
Deckeinsatz war und auch eine
Verletzungspause durchstehen musste, ist
Imperio mit seinem ständigen Reiter Hubertus
Schmidt nun seit drei Jahren wieder hoch
erfolgreich auf Grand Prix- Niveau im
Internationalen Dressursport. Auch Imperios
Wurzeln im Sinne seiner zahlreichen
Vorfahren erstrecken sich mal abgesehen von
einigen namhaften Englischen Vollblütern (
Neckar xx , Ticino xx, Hyperion xx) bis ins
Hauptgestüt Trakehnen. So haben schon in der
ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts
viele seiner Urahnen, wie die Hauptbeschäler
Bussard, Waldjunker, Hirtensang, Termit,
,Arard und Fetysz ox, eine bedeutende
Nachkommenschaft hervorgebracht.
Kein anderes Gestüt und
kein anderer Name stehen immer noch so sehr
als Sinnbild für die Hochkultur
ostpreußischer Pferdezucht wie Trakehnen. Da
die heutige Trakehner Zucht mit ihren
herrlichen Pferden auch heute noch von den
Vorleistungen unserer Väter und Vorväter
zehrt, sollten die Liebhaber des Trakehner
Pferdes sich vermehrt den Leitspruch „ Der
Tradition verpflichtet und der Zukunft
zugewandt“ zu Herzen nehmen. In
diesem Sinne würde sich der “Verein der
Freunde und Förderer des ehemaligen
Hauptgestüts Trakehnen e. V.“, auch
Trakehnenverein genannt, über neue
Mitglieder und Gleichgesinnte sehr freuen.
Es geht um die Erhaltung des Trakehner
Schlosses, des Herzstückes jenes großen
Gestüts, für die Nachwelt.
Dr. Horst
Willer (Dezember 2016)

“Fanal“ - eines der
berühmtesten Auktionspferde Trakehnens
In jedem Jahr im Frühjahr
wurden ca. 120 dreijährige Pferde - darunter
auch die späteren Auktionspferde - in den
Jagdstall eingestellt, angeritten und dann
eine Saison im Trakehner Jagdgelände
ausgebildet und erprobt. Zu den im Herbst
und Frühjahr durchgeführten Auktionen der
Jagd- und Reitpferde fanden sich die damals
renommierten Turnier- und Rennreiter,
bekannten Ausbilder, später auch vermehrt
hohe Militärs sowie die Leiter großer
Handels- und Reitställe aus dem In- und
Ausland gern in Trakehnen ein. Im
Hauptgestüt Trakehnen zu kaufen, hatte seine
Vorzüge. Ein ähnliches Angebot an
leistungserprobten und hochwertigen
Sportpferden gab es in den 20-er und 30-er
Jahren in Europa nur auf der großen
Hunterschau in Dublin, wobei die dort
präsentierten Pferde einen ganz anderen Typ
verkörperten. In den 20-er Jahren waren
Pferde ostpreußischer Abstammung in der
„Großen Pardubitzer Steeple- Chase“ sehr
häufig als Sieger hervorgegangen. Dies war
die beste Werbung.
Am Auktionstag wurden
alle Pferde ab 8.30 Uhr an der Hand gezeigt
und dann in zwei Abteilungen auf dem
Reitplatz vor der Auktionshalle im Schritt,
Trab und Galopp vorgeritten. Danach
marschierten die Pferde im Schritt und in
großen Abständen jeweils in kleinen Gruppen
in die Bahn, wurden vor der Ehrentribüne
durchpariert, verweilten dort wie ein
Denkmal, indessen wurde ihre Abstammung
bekannt gegeben. Ansonsten bot sich das
übliche Bild: Großes Befragen der
Gestütswärter und Reitburschen – sie kannten
jedes Pferd mit seinen Stärken und
Schwächen-, große Debatten im “Hotel zum
Elch“, wo die Mehrzahl der Gäste Quartier
bezogen hatte, und Dutzende von Kutschwagen,
mit flotten Trakehner Pferden bespannt, die
die zahlreichen Besucher von und zum Bahnhof
Trakehnen fuhren. Besonders geschätzte Gäste
wurden vom Landstallmeister zum Essen
eingeladen. Um 13.15 Uhr schloss sich die
Versteigerung an, die dann in der großen
Reithalle stattfand. Die Auktionen verliefen
immer sehr zügig und flott unter Leitung des
jeweiligen Oberlandstallmeisters und im
Zusammenwirken mit einem Auktionator, wobei
dem ersteren u.a. die Aufgabe zukam, sofort
nach dem Zuschlag schriftlich den Käufer
festzuhalten. Da es zu jener Zeit noch kein
Mikrophon gab, musste der Auktionator
verständlicherweise über ein lautes Organ
und gute Stimmbänder verfügen. Im Jahr 1938
war unter den vielen Kaufinteressenten
erneut der Altmeister der deutschen
Dressur-und Schulreiterei, Otto Lörke. Als
gebürtiger Ostpreuße kannte er die
besonderen Qualitäten der Pferde seines
Heimatlandes, zumal er mit den Ostpreußen
Kronos und Absinth, die er besaß und selbst
ausgebildet hatte, durch deren Olympiasiege
im Jahr 1936 mit Heinz Pollay bzw. Friedrich
Gerhard bereits zu Ruhm und Ehren gekommen
war. Diesmal hatte er mit Fanal v.
Hausfreund a.d. Fanfare v. Astor, einen
Rappen mit besonderen Reitpferdequalitäten,
ausgewählt. Seine Jugendjahre hatte er in
der Rappenherde in Gurdzen verbracht, dort
wo immer schwarze Pferde und schwarzweiße
Störche zuhause waren. Aber auch andere
Interessenten hatten Gefallen an diesem
wunderschönen Rappen gefunden. Ein Gebot
übertraf das andere. Lörke blieb standhaft
und bekam bei dem damaligen Spitzenpreis von
17000,- RM den Zuschlag.

Otto Lörke,
Oberbereiter des letzten deutschen
Kaisers, Ausbilder von zahlreichen
Olympiapferden und zweimal deutscher
Dressurchampion,
mit seinem Trakehner " Fanal"
im starken Trab.
Fanal trat nun wie
einige andere Auktionspferde in einem
Güterzug per Bahn die Reise nach
Berlin-Krampnitz an. Dort hatte in der
Heeresreitschule, der Nachfolgeinstitution
der Kavallerieschule Hannover, Otto Lörke
als ziviler Ausbilder sein Betätigungsfeld.
Dort wurden damals schon auf die Teilnahme
vieler Offiziere an den reitsportlichen
Disziplinen der Olympiade 1940, die in Tokio
stattfinden sollte, hingearbeitet. Mit dem
Beginn des zweiten Weltkrieges wurden alle
diese Pläne hinfällig. Otto Lörke jedoch
konnte in seinem Ausbildungsstall seine
Dressurpferde, darunter auch Fanal, weiter
fördern. Gegen Kriegsende, als allerorten
durch die radikale Zerstörungen von Städten
und Fabriken sowie unsägliches menschliches
Leid und Elend sich Angst und Schrecken
verbreitete, konnte Lörke in Berlin-
Krampnitz nicht bleiben. Um seine
Dressurpferde Fanal, Dorffrieden und
Strachur vor dem Zugriff des nahenden
Feindes zu retten, hatte er sie als
Gespannpferde eingefahren und sich dann
rechtszeitig mit Pferd und Wagen auf die
Flucht gen Westen begeben. Getarnt als
landwirtschaftliches Gefährt war er dann
nach mehreren Aufenthalten und Einsätzen auf
verschiedenen Bauernhöfen in einem kleinen
Ort in der Nähe Braunschweigs gestrandet.
Schließlich fanden er nach einer langen
Odyssee, ebenso sein Meisterschüler Willi
Schultheis und Hans Heinrich (“ Micky“)
Brinckmann eine erste Bleibe in Westfalen im
Gestüt Vornholz.
Der nicht nur züchterisch sondern auch
reitsportlich versierte Gestütsherr, Clemens
v. Nagel-Doornick, hatte die geniale Idee,
den besten Reitern und Ausbildern ihrer
Zeit, die noch unter den Kriegswirren zu
leiden hatten, in seinem Gestüt wieder ein
adäquates Wirkungsfeld zu geben. Schon bald
konnte der Altmeister der Dressurreiterei,
Otto Lörke, auf den ersten größeren
Reitturnieren mit seinem Trakehner Fanal
immer wieder die Zuschauer begeistern, wenn
er in seinen zahlreichen Auftritten
spielerisch die schwierigsten Lektionen
eines Grand Prix präsentierte. “ An den
Pferden, die er ausgebildet hatte, -darunter
auch Fanal- waren gleichermaßen zu bewundern
der Sekundengehorsam, die berstende Energie
der hohen Versammlung und der Schwung in den
freien Gängen, der die Pferde wie mit
Siebenmeilenstiefeln vorwärtsträgt.“ So
charakterisierte Oberlandstallmeister Gustav
Rau in treffender Weise das besondere Talent
jenes Reitergenies, der in jungen Jahren als
Sattelmeister des Kaisers Wilhelm II dessen
Pferde so vorzüglich gearbeitet hatte, dass
seine kaiserliche Hoheit sich auf ihnen
absolut sicher fühlen konnte.

Der Trakehner Fanal
war nach dem letzten Krieg nicht nur das
erfolgreichste Dressurpferd Deutschlands
sondern auch das beste Pferd Otto Lörkes.
Kriegsbedingt kam Fanal nie zum olympischen
Einsatz. Jedoch war er für die beiden
Olympiareiterinnen, Ida v. Nagel und
Lieselott Linsenhoff, später ein
willkommenes Lehrpferd. Dank einer soliden
Ausbildung konnte dieses wunderbare
Dressurpferd, das auch einige Lektionen der
Hohen Schule wie beispielsweise die Levade
beherrschte, sich bis ins hohe Alter die
natürliche Frische, Geschmeidigkeit und
Gehfreude bewahren. Noch mit zweiundzwanzig
Jahren gewann Fanal Dressurprüfungen der
Schweren Klasse. Am 21. November 1957 starb
Otto Lörke, der Großmeister der deutschen
Reiterei, der Dressurreiter und Pferde für
drei Olympiaden ausgebildet hatte. Fanal
erwies sich auch hier als treuer
Wegbegleiter und durfte seinem Herren noch
bis ans Grab folgen.

Dr. Horst
Willer (Juni 2016)

Vom Hirtenpferd
zum Rennchampion
Im letzten Viertel des
19. Jahrhunderts stand es in Trakehnen nicht
zum Besten. Die Lebensverhältnisse und Löhne
der Gestütsbediensteten und Landarbeiter
waren recht karg. Vor allem die äußerst
primitiven Wohnungen - sie stammten noch aus
der Zeit des preußischen “Soldatenkönigs“
Friedrich Wilhelm I- genügten nicht mehr den
bescheidensten Ansprüchen. Sie waren ohne
Ausnahme klein, feucht, dumpf, kalt und
niedrig. Auch fehlte es an ausreichenden
Stallungen, Laufplätzen und überdachten
Bewegungsräumen für die lange Winterzeit.
Viele Wiesen, Weiden und Äcker litten unter
Staunässe und hatten ihre Ertragskraft
eingebüßt. Dies schmälerte die
Futtergrundlage und war der
Gesundheit der Pferde abträglich. Auch hier
musste Abhilfe geschaffen werden. Da die
Weideflächen noch nicht eingezäunt waren,
mussten die Pferdeherden durch berittene
Hirten beaufsichtigt werden.

Die
Pferdeherden Trakehnens wurden bis zur
Jahrhundertwende den ganzen Tag über von
reitenden Hirten bewacht. Damit sich die
Jungpferde und Stuten nicht nur im engen
Pulk auf den Weiden bewegen konnten, ließ
Landstallmeister v. Oettingen die Weiden
einzäunen. Durch die Weidezäune kamen
neben den Wasserläufen und trockenen
Gräben auch die Hochsprünge ins Reit-
Jagdgelände Trakehnens.
Oberlandstallmeister Graf
Georg von Lehndorff erkannte rechtzeitig
all` diese Mängel und berief im Jahr 1895
den vielseitig begabten und
durchsetzungsfähigen Hippologen Burchard v.
Oettingen zum Landstallmeister in Trakehnen.
Mit ihm begann eine überaus segensreiche Ära
für das Preußische Hauptgestüt, das mit
einem umfangreichen Bau- und
Meliorationsprogramm modernisiert wurde.
Zuvor war in jener wirtschaftlich
depressiven Phase in
Trakehnen im Jahr 1885 neben vielen anderen
Fohlen ein Schimmelhengstfohlen zur Welt
gekommen, das jenes preußische Hauptgestüt
bereits einige Jahre später im ganzen Reich
berühmt machen sollte. Dieser Neuankömmling
erhielt den würdigen Namen „ Monarchist“
Seine Mutter war die Stute „Mongolei“, die
von dem „Flügel“-Sohn „Passvan“ aus einer
alten Schimmelfamilie abstammte. Sein Vater
„ Hartenfels xx“, ein Sohn des „Charmant
xx“, hatte es in den Graditzer Farben auf
der Rennbahn zu respektablen Erfolgen
gebracht. Nachdem der kleine Schimmelhengst
gesund auf den weit ausgelegten Trakehner
Weiden aufgewachsen war, stand ihm die erste
Prüfung bevor. Konnte er als künftiger
Beschäler ausgewählt werden oder musste er
als Kavallerieremonte seinen Weg gehen?
Leider mangelte es diesem edlen und gut
gewachsenen Youngster an
Knochenstärke, so dass er für die Trakehner
Zucht ausschied.
Auf Grund seines guten Charakters
wurde Monarchist bereits als Drei- und
Vierjähriger als Hirtenpferd bei den
einjährigen Junghengsten im Vorwerk
Jonasthal eingesetzt. Dann im Herbst 1889
anlässlich der großen Herbstauktion, zu der
Kaufinteressenten aus den
Kavalleriegarnisonen, aus Berlin und von
Rhein und Ruhr nach Trakehnen angereist
waren, war auch Monarchist unter den
Auktionspferden. Als der noch unfertig
wirkende Schimmelwallach mit seinen
Schlappohren etwas schüchtern den
Auktionsring betrat, stockte die Kauflust.
Sogar versierte Pferdeleute schienen das
große Potential dieses wunderbaren Pferdes
nicht zu erkennen. Der Auktionator gab sich
viel Mühe und konnte schließlich Monarchist
für 1.200 Mark an Leutnant Ritgen von den
Danziger Schwarzen Husaren zuschlagen.

Schon bald konnte dieser
wunderbare Schimmelwallach mit der Trakehner
Elchschaufel mit seinem neuen Besitzer im
täglichen Training auf der Zoppoter Rennbahn
zeigen, was in ihm steckt. In den folgenden
Jahren gewann unter dem Jubel der
Regimentskameraden Leutnant Ritgen mit
Monarchist in jenem Ostseebad einige Rennen.
Andere angehende Offiziere wurden nun auf
das große Talent aufmerksam.
So war dann auch der junge Leutnant Gustav
v. Plehwe vom 1. Leibhusarenregiment Nr.1
bereit, ein Mehrfaches des Ankaufspreises an
seinen Regimentskameraden zu zahlen. 10 000
Mark soll letztlich der Preis gewesen sein.
Gustav v. Plehwe sollte die richtige
Entscheidung getroffen haben. Ein Sieg in
den Großen Rennen in Königsberg, Insterburg,
Osterode, Graudenz und Zoppot folgte auf den
anderen. Im Rennverlauf bot das Paar zumeist
das gleiche Bild. Monarchist blieb zunächst
lange im Mittelfeld, um seine Kräfte zu
schonen, konnte im Finish seine ganze
Energie mobilisieren und vor dem Ziel seine
Gegner hinter sich lassen. Aufgeregtheit war
ihm fremd, stets blieb er ruhig und
gelassen. „ Das weiße Biest“, wie er von den
Reitern seiner Konkurrenten schon mal
abschätzig genannt wurde, beherrschte gegen
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts
die Rennbahnen des Ostens. Jeweils viermal
hintereinander gewann Monarchist mit v.
Plehwe in Königsberg das Prinz Albert-
Rennen bzw. in Zoppot den Großen Preis von
Westpreußen. Der Steepler Monarchist und
sein ständiger Reiter waren damals die
großen Stars und Lieblinge des Publikums.
Wenn das Paar von fern angereist in Posen
oder Breslau am Start war, kamen die Fans in
Scharen, um ihre Helden zu bewundern. Die
Erfolgsbilanz dürfte für einen Halbblüter –
zu 85 % Vollblut- einmalig sein. Bei
insgesamt 62 Starts war Monarchist 41 mal
Sieger. Er brachte seinem Besitzer nicht nur
zahlreiche Ehrenpreise ein sondern auch die
beachtliche Gewinnsumme in Höhe von 66 800
Mark. Diese enspräche in heutiger Währung
etwas mehr als 400 Tausend Euro. Ein naher
Verwandter aus der gleichen Mutterlinie war
später
das erfolgreiche Springpferd Morgenglanz v.
Nana Sahib x, der fünfmal erfolgreich am
Deutschen Springderby teilnahm, das er im
Jahr 1930 einmal gewinnen konnte. Monarchist
erhielt am Ende seiner Rennkarriere das
Gnadenbrot auf dem Gut seines Reiters und
Besitzers in Dwarischken bei Schirwindt nahe
Trakehnen im Kreis Pillkallen. Nach seinem
Tod im Jahr 1912 wurde ihm zu Ehren im
dortigen Park ein Gedenkstein aufgestellt.
Mit Monarchist als der Ikone der Trakehner
Zucht konnte sich in der Folgezeit unter der
Ägide des Landstallmeisters Burchard v.
Oettingen das
Preußische Hauptgestüt schon frühzeitig zu
dem modernen Leistungszentrum und
Musterbetrieb der deutschen Pferdezucht,
aber auch zu dem später oft gerühmten
Paradies der Pferde, entwickeln.
Dr. Horst
Willer (April 2016)

Was
sollte ein Besucher des ehemaligen
Ostpreußens wissen?
Ostpreußen mit seiner
Haupt- und Kulturstadt Königsberg war ein
fruchtbares Agrarland mit einer ausgeprägten
Vieh- und Pferdezucht. Auf einer Reise von
Berlin nach Königsberg Ende der 30iger Jahre
des vergangenen Jahrhunderts soll ein
Regierungsrat einen Schaffner danach gefragt
haben, was jeder, der Ostpreußen bereise,
über das Land wisse müsse.
Die Antwort lautete: „Nun
ja, was Sie wissen müssen, dass ist der auf
der Landestierschau hochprämierte Bulle
Winter, und dann natürlich das ist der
berühmte Trakehner Hengst Tempelhüter. Wenn
sie dann noch beiläufig den Immanuel Kant
erwähnen, dann sind Sie ein gemachter Mann
bei den Leuten.“
Am 20. Dez. 1905 war
jener Spross zur Welt gekommen. Dieses
Hengstfohlen von Perfektionist xx, dass
später der Trakehner Zucht so viel Ruhm und
Ehre einbrachte, bekam schon in jungen
Jahren den verheißungsvollen Namen
Tempelhüter. Seine Mutter Teichrose v.
Jenissei- Cliff`s Brow xx entstammte der
größten der fünf Trakehner Hauptfamilien,
der Teresina-Linie, die die besten
Halbblutstämme der Trakehner Zucht in sich
vereinigt. Dieser Linie entstammen so
bedeutende Vererber, wie Termit, Tropenwald,
Thyrann und Totilas. Tempelhüter wurde 1908
gekört und später Hauptbeschäler in
Trakehnen. Er lieferte in den 16 Jahren
seines Wirkens in Trakehnen nicht weniger
als 56 Beschäler, 60 Mutterstuten und für
den Jagdstall 107 Reit- und Turnierpferde
sowie 7 Remonten.
Leider wurde das
Hauptgestüt Trakehnen mit seinen edlen
Pferden Opfer des Zweiten Weltkrieges. Nach
der Übernahme Ostpreußens durch die Rote
Armee wurde das Tempelhüter Denkmal als
Siegestrophäe nach Moskau verbracht. Es
befindet sich noch heute im Moskauer
Pferdemuseum der K.A. Timirazev -
Agrarakademie Moskau.
Seit Ende September 2013 schmückt zur Freude
vieler Besucher der Neuzeit wieder ein
zweiter Abguss desselben die Vorderseite
des ehemaligen Landstallmeisterhauses in
Trakehnen (jetzt Jasnaja Poljana).
Die beiden Fotos zeigen
Vater und Sohn.
Dr. Horst
Willer (Feb. 2016)

Ein erster Anfang für eine vielschichtige
und hoffentlich einmal sehr umfangreiche
Sammlung historischer Informationen und
Fakten soll an dieser Stelle zunächst mit
der Festrede von Herrn Dr. Horst Willer
gemacht werden, mit der die Gäste der
Festveranstaltung am 20.09.2007 in
Trakehnen/Jasnaja Poljana einen spannenden
Eindruck von der 275jährigen Geschichte
dieses Ortes und seiner Bewohner vermittelt
bekamen:
Festrede – „Das einstige
Hauptgestüt Trakehnen“
Dr. Horst Willer - Verein der Freunde und
Förderer des ehemaligen Hauptgestüts
Trakehnen
Verehrte Frau Direktorin Sanjuk, verehrte
Ehrengäste, meine Damen und Herren,
Welch' ein erhebender Moment: Wir sind hier
und heute genau an dem Ort, wo vor exakt 275
Jahren die ruhmreiche Geschichte der
Ostpreußischen Pferdezucht begonnen hat.
Trakehnen ist und bleibt die Urheimat des
Trakehner Pferdes.
Trakehnen und seine lange legendäre
Tradition haben die Pferdeliebhaber immer
wieder in ihren Bann geschlagen. Lassen Sie
die Historie dieses Ortes am heutigen Tag
wieder lebendig werden.
Die wunderbaren Pferde mit der Elchschaufel
werden hier nicht mehr gezüchtet. Dies ist
Realität und stimmt uns wehmütig. Vieles,
das den Menschen lieb und teuer war, wurde –
Gott sei es geklagt - ein Opfer des Zweiten
Weltkrieges und existiert nicht mehr, so
auch das Hauptgestüt Trakehnen, jene Stätte
der Hochkultur Ostpreußischer Pferdezucht.
Die schreckliche Vergangenheit und ein
verheerender Krieg liegen lange hinter uns.
Damals haben sich die Kriegsgegner
unendliches Leid zugefügt. Auch das ist
Realität.
Aus bitteren Erfahrungen haben wir gelernt.
Nie wieder Krieg! Das ist unsere große
gemeinsame Hoffnung, die unser Leben und
Handeln bestimmt und auch künftig prägen
möge.
Wirkliche Völkerverständigung wird nicht von
Regierungen befohlen, sondern von Menschen
gelebt und erlebt.
Über das Trakehner Pferd sind wir zu
Freunden geworden.
Wir freuen uns sehr: Russen, Deutsche,
Polen und Gäste aus den Baltischen Staaten
sowie aus anderen Teilen der Welt können nun
erstmals nach 1945 gemeinsam dieses Jubiläum
in Russland festlich begehen.
Wir alle sind Gäste der Schulleitung, der
Lehrerschaft und der Schüler von Jasnaja
Poljana.
Ihnen, verehrte Frau Sanjuk, vielen
herzlichen Dank für die Einladung zu dieser
Geburtstagsfeier.
Am Anfang die frohe Botschaft: Die Pferde
Trakehner Abstammung, obgleich sie
kriegsbedingt in alle Winde, ja in viele
Länder, verstreut worden waren, haben
überlebt. Als beliebte Sportpferde konnten
sie wieder in der ganzen Welt Fuß fassen.
Dies erfüllt uns immer wieder mit großer
Freude und Genugtuung.
Unser Wissen über die Wiege der Pferde mit
der Elchschaufel haben wir aus Berichten und
Erzählungen von Menschen, die hier gelebt
haben, hier tätig oder auch ehemals als
Besucher hier gewesen sind.

Historische Ansicht des
Landstallmeisterhauses
Beginnen wir in unserem Rückblick mit dem
Mythos Trakehnen, der Faszination, die von
dem damals größten Gestüt Europas, den
Trakehner Pferden und den ehemals dort
tätigen Menschen, die sich mit großer
Passion, Treue und Sorgfalt für ihre Pferde
einsetzten, ausging.
Ein namhafter Philosoph und Theologe hat
einmal gesagt: Das Leben wird in der Tat
nach vorwärts gelebt, aber rückwärts gewandt
verstanden.
Was macht den Mythos Trakehnens aus? Unsere
kollektive Erinnerung dazu ist überaus
facettenreich.
Diejenigen, die sich besonders von dem
reinen Naturerlebnis Trakehnens angezogen
fühlen, haben Bilder wie diese vor Augen:
die kilometerlangen Eichenalleen, die
friedlich grasenden Stutenherden mit ihren
Fohlen auf den riesigen Weideflächen der
einzelnen Vorwerke, die prächtigen
Parkanlagen mit den gepflegten Hecken und
Wegen oder die Sommerresidenzen der
Hauptbeschäler.
Menschen, die sich der Hippologie
verschrieben haben, bekommen immer noch
glänzende Augen, wenn solche namhaften
Hauptbeschäler, wie Morgenstrahl, Dampfross,
Perfektionist, Tempelhüter, Nana Sahib,
Cancarra, Pilger, Hyperion, Pythagoras, und
viele andere genannt werden.
Sie verkörperten schon damals den Prototyp
des modernen und edelsten Reitpferdes
weltweit.
Auch heute noch entbrennen in Fachkreisen
heiße Debatten darüber, welches in Trakehnen
die züchterisch konsolidiertere und
wertvollere Stutenherde gewesen ist. War es
nun die braune Herde in Kalpakin oder die
Fuchsherde im Hauptwerk?
Züchterische Selektion nach Leistung -
Trakehnen leistete schon zu Beginn des
vergangenen Jahrhunderts in dieser Hinsicht
Pionierarbeit. Hier wurden die jungen
Hengste und Stuten erstmalig im Jagdfeld
hinter der Meute auf Herz und Nieren
geprüft.
Es war der Jagdstall, der den Trakehnern
den Weltruf als harte Leistungspferde
verschafft hat.
Nur Pferde mit hoher Leistungsbereitschaft
und gutem Charakter, die den Test bestanden
hatten, wurden zur Zucht zugelassen. Diese
Art der Selektion war für die deutsche
Pferdezucht revolutionär. Nach dem Vorbild
Trakehnens entstand bereits 1926 in Zwion
die erste Hengstprüfungsanstalt.
Auch für die späteren regelmäßigen
Reitpferdeauktionen nach dem Zweiten
Weltkrieg in Deutschland hatte Trakehnen
bereits Maßstäbe gesetzt. Zweimal im Jahr,
im Frühjahr und im Herbst, fanden in
Trakehnen die in Pferdesportkreisen
beliebten Reitpferdeauktionen statt. Die
angebotenen Pferde waren keine
unbeschriebenen Blätter. Sie waren bereits
eine Jagdsaison im Jagdfeld gegangen und
aufs Beste reiterlich erprobt. Zahlreiche
Trakehner Auktionspferde zählten später zu
den erfolgreichsten Turnier- und
Rennpferden.
Ähnlich attraktiv wie die Auktionen war für
die Turnier- und Rennreiter und alle
Pferdesportbegeisterten aus Nah und Fern der
jährliche Renntag im Oktober in Trakehnen
anlässlich der Insterburger Turnierwoche.
Das schwerste Jagdrennen mit 33 natürlichen
Hindernissen war das v. der
Goltz-Querfeldeinrennen, seine Länge betrug
6000 Meter. Trakehnen veranstaltete die
Deutsche Pardubitz, so berichtete später der
Sankt Georg über dieses große Ereignis.
Nicht zu vermeiden war der ein oder andere
Sturz oder ein unverhofftes Bad im
Pissakanal.
Von den vielen respektablen natürlichen
Hindernissen sind vor allem der Reitdamm,
der Judenweg mit dem Tränkegraben, der
Pissakanal und der Hauptgraben in die
Reitjagdgeschichte eingegangen.
Der Renntag und andere Jagdtage fanden dann
zumeist im Hotel Elch ihren feuchtfröhlichen
Ausklang.
Über jene Renntage und die sich daran
anschließenden abendlichen Zusammenkünfte im
Hotel Elch könnte der unter uns weilende
Herr Alshuth noch lustige Geschichten
erzählen.

Trakehnen war nicht nur Hauptgestüt mit
mehr als tausend wertvollen Gestüts- und
Zuchtpferden, sondern war auch ein
landwirtschaftlicher Musterbetrieb mit ca.
6000 ha Weiden, Wiesen und Äckern.
Dazu gehörten 16 Gutshöfe, auch Vorwerke
genannt. Sie wurden geführt von acht
Wirtschaftsinspektoren. Die
landwirtschaftliche Oberleitung oblag einem
Oberamtmann.
Oberster Chef war der Landstallmeister. Ihm
waren auch die zwei Gestütsveterinäre
unterstellt.
Es galt nicht nur die Wiesen und Weiden zu
pflegen, sondern auch beträchtliche
Futtervorräte für die lange Winterperiode zu
produzieren.
So mussten jährlich ca. 5000 t Rauhfutter -
Heu, Luzerne und Kleeheu - sowie 2000 t
Getreide eingebracht werden.
Gemessen an dem gesamten Personalbestand von
über tausend Arbeitskräften war das
Hauptgestüt ein mittleres
Wirtschaftsunternehmen.
Das Betriebsergebnis wurde daran gemessen,
ob es gelang, jährlich ca. 40 gekörte
Hengste für die Landgestüte und ca.180 bis
200 Zucht- und Reitpferde, darunter auch
einige Remonten, bereitzustellen.
Nun von den harten Fakten – sie können auch
faszinieren - zu den Menschen in Trakehnen.
Es war, wie wir wissen eine eingeschworene
Gemeinschaft, die sich- jeder Mensch an
seinem Platz – ihrer jeweiligen Aufgabe
verpflichtet fühlte.
Da gab es die Gestütswärter,
Gestüthilfswärter und Reitburschen, 140 an
der Zahl, sie lebten in rührender
Sorgsamkeit für ihre Pferde.
Da gab es die ca. 680 landwirtschaftlichen
Arbeitskräfte, darunter wiederum die
Gespannführer, Deputanten und freien
Lohnarbeitskräfte.
Nicht unerwähnt bleiben sollen die über
hundert Meliorationsarbeiter und Handwerker.
Wie groß die Passion der Menschen in
Trakehnen für ihre Pferde war, bezeugt ihr
besonderes Engagement während der
Kriegszeit. Während die Männer im
wehrfähigen Alter an der Front ihren Dienst
leisteten, traten Rentner und Schüler im
Gestüt an ihre Stelle.
Trakehnen war auch ein sich selbst
versorgendes Dorf mit eigenem Bahnhof,
Krankenhaus, Apotheke und einigen Schulen.
Betrachten wir das Ganze: Trakehnen war
wirklich das Paradies der Pferde – ein
optimales Zusammenwirken von anrührender und
zugleich fruchtbarer Landschaft,
Großzügigkeit der Gestütsanlage, hohem
züchterischen Können und perfekter Harmonie
von Pferd und Gestütspersonal.
Trakehnen hatte Vorbildfunktion, von dort
gingen die entscheidenden Impulse für die
gesamte Pferdezucht in Ostpreußen aus.
So glanzvoll Trakehnen im Rückblick
erscheinen mag, so dürfen dennoch die
mühevollen Anfänge und die harten
Einschnitte, die Trakehnen in seiner
275-jährigen Geschichte erlebt hat, nicht
unerwähnt bleiben.
Trakehnen entstand im wahrsten Sinne des
Wortes aus dem Nichts. Im äußersten
Nordosten Preußens hatte eine Pestepedemie
tausende Menschen dahingerafft. Weite
Landstriche waren Sumpflandschaften und
unkultiviert geblieben.
Aber am Anfang Trakehnens stand eine mutige
Vision. König Friedrich Wilhelm I. fasste
den Entschluss, in dem kleinen Ort Trakehnen
und der nur schwer zugänglichen Wildnis
zwischen Szirgupönen und Danzkehmen ein
Zentrum der Pferdezucht gänzlich neu
einzurichten.
Hier sollte der Grundstock für die fortan im
eigenen Land zu züchtenden Soldatenpferde
gelegt werden.
Gleichzeitig wurden Neuansiedler aus
Mitteleuropa, vor allen die Salzburger
Protestanten, in Ostpreußen willkommen
geheißen.
Die umfangreichen Entwässerungs- und
Rodungsarbeiten, an denen 600 Soldaten
beteiligt waren, waren überaus mühevoll und
nahmen mehr als sieben Jahre in Anspruch.
Im Mai 1732 war es dann soweit: Eine
gewaltige Kulturleistung war vollbracht.
Sämtliche preußischen Gestütsabteilungen-
sie waren bis dahin auf einzelnen Domänen
verstreut- konnten nun in dem neuen
“Königlichen Stutamte Trakehnen “ unter
einheitlicher Leitung vereinigt werden.
Zu dem aus der Taufe gehobenen königlichen
Privatgestüt gehörten schon damals die
Gutshöfe Bajorgallen, Jonasthal, Gurdszen,
Kalpakin, Guddin, Jodzlauken und Birkenwalde
mit 1100 Pferden und 513 Mutterstuten. Da
Trakehnen als Hauptgestüt von Anfang an
Leit- und Vorbildfunktion für die späteren
Landgestüte hatte, gilt 1732 auch als
Gründungsjahr der Preußischen
Gestütsverwaltung.
Verständlicherweise gab es erhebliche
Anlaufschwierigkeiten: Das Pferdematerial
war noch recht heterogen, die Fruchtbarkeit
der Rodungsböden ließ noch sehr zu wünschen
übrig, dazu kamen seuchenähnliche
Krankheiten.
Während der Regentschaft Friedrich des
Großen musste Trakehnen hohe Erträge
zugunsten der Privatschatulle des Monarchen
abwerfen. So wurden züchterisch wertvolle
Trakehner Pferde verkauft oder an
befreundete Regenten und Generäle
verschenkt. Kaum hatte Trakehnen und die
ostpreußische Pferdezucht Anfang des 19.
Jahrhunderts einen ersten Aufschwung und
eine erste Konsolidierungsphase erlebt, da
brach mit den Napoleonischen Kriegen auch
für Trakehnen eine erste schlimme Epoche
herein.
Zweimal mussten alle Gestütpferde Trakehnens
fliehen. Im Jahr 1806/7 zog sich
Landstallmeister v. Below mit seinem Tross
in das russische Litauen zurück und konnte
ohne Verluste wieder in die Heimat
zurückkehren.
Auf dem Rückzug Napoleons aus Russland
1812/13 war Oberschlesien der Fluchtort.Auch
diesmal konnten fast alle Pferde gerettet
und von Landstallmeister v. Burgsdorff
wieder ins Heimatgestüt zurückgebracht
werden. Dennoch hatte Napoleon durch seine
verheerenden Feldzüge Preußen und seine
Pferdezucht im Mark getroffen.
Nach dem 100-jährigen Gründungsjubiläum
ging Trakehnen und die ostpreußische
Pferdezucht endlich seiner ersten Blütezeit
entgegen. Ab 1832 deckte Preußen seinen
Bedarf an Remonten im eigenen Land. Die
Ostpreußischen Pferde Trakehner Abstammung
galten schon damals als das beste
Kavalleriepferd der Welt.
Widerstandsfähigkeit, Ausdauer und
Anspruchslosigkeit waren deren besondere
Qualitätsmerkmale.
Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges musste
das Hauptgestüt Trakehnen erneut vollständig
geräumt werden. Im Westen Deutschlands und
in Oberschlesien fanden Menschen und Pferde
Schutz. Sie konnten aber ohne allzu große
Verluste in ihre Heimat zurückkehren. Der
Wiederaufbau und der Neubeginn in Trakehnen
gestaltete sich schwierig. Dennoch ging es
schon bald nach Kriegsende und trotz der
allgemein angespannten Wirtschaftslage in
Deutschland in Trakehnen und Ostpreußen mit
der Pferdezucht wieder bergauf.
Am 27. September 1932 - vor fast genau 75
Jahren- konnte Trakehnen in einem herrlichen
Festakt sein 200-jähriges Gründungsjubiläum
feiern. Viele Ehrengäste aus dem In- und
Ausland, namhafte Züchter und alle
Gestütsbewohner hatten sich vor dem
Trakehner Schloss eingefunden. Dort wurde
zur Feier des Tages das Tempelhüterstandbild
enthüllt. Der bereits ergraute Tempelhüter
beobachtete das Geschehen mit gespitzten
Ohren.
Kein anderer Hauptbeschäler hat den Mythos
Trakehnens nachhaltiger geprägt als dieser
herrliche Sohn des legendären Englischen
Vollblüters Perfektionist. Tempelhüter wurde
nicht nur zum Symbol der ostpreußischen
Edelpferdezucht, sondern auch des gesamten
ehemaligen Ostpreußens.
Sie kennen die Anekdote des
Regierungsrates, dem auf seiner Reise nach
Ostpreußen der Schaffner, den er danach
fragte, was man als Besucher von dem Land
wissen müsse, antwortete:
“Nun ja, was Sie wissen müssen, das ist der
Bulle Winter, und dann natürlich ist da der
Hengst Tempelhüter! Wenn Sie dann noch
beiläufig den Immanuel Kant erwähnen, mein
Herr, dann sind sie ein gemachter Mann bei
den Leuten.“
Das hohe Renommee Trakehnens fand viele
Ausdrucksformen.
Rudolf G. Binding gab seiner Hommage an die
edlen Trakehner und an das damalige
Ostpreußen den großartigen Buchtitel
“Heiligtum der Pferde“.
Oberlandstallmeister Gustav Rau wusste sehr
wohl wovon er sprach, als er Anfang der
30-er Jahre in einer wirtschaftlich
krisengeschüttelten Zeit folgende
weitblickende Forderung erhob:
“Die Ostpreußische Pferdezucht besitzt in
Trakehnen einen herrlichen Dom der
Pferdezucht, der von jeher die
Sachverständigen der ganzen Welt angzogen
hat. Diese strahlende Perle deutscher
Edelzucht muss auch in dem Deutschland der
Sparsamkeit den Platz als Lehr- und
Musterstätte behalten.“
Menschen machen Geschichte: Mit Trakehnen in
seiner Erfolgsgeschichte verbinden sich eine
Reihe hervorragender Landstallmeister,
großartige Menschen von hoher Sachkompetenz
und Pferdepassion.
Wie lautet doch eines der bekanntesten
Bücher von Gräfin Marion Dönhoff? “Namen ,
die keiner mehr nennt.“ Wir wollen jedoch
ganz bewusst einige der Persönlichkeiten am
heutigen Tag in Würdigung ihrer
unvergesslichen Leistungen und Verdienste
nennen und auf diese Weise ihnen unseren
Respekt und unseren Dank zum Ausdruck
bringen.
Eine große Persönlichkeit in der
Anfangsphase Trakehnens war Johann Friedrich
v. Domhardt, Oberpräsident der Kriegs- und
Domänenkammer von Gumbinnen.
Gegen den Willen des Königs stellte er
erstmalig 11, später sogar 20 Landbeschäler
für die bäuerliche Pferdezucht zur
Verfügung. Damit war der Grundstein für eine
planmäßige Landespferde- und Remontezucht
gelegt.
Besonders nachhaltig und nicht
richtungsweisend wurde die Trakehner
Pferdezucht geprägt durch
Oberlandstallmeister Graf v. Lindenau.
Er selbst unterzog alle Trakehner Pferde
einer scharfen Selektion. Es galt die Spreu
vom Weizen zu trennen. Weiterhin nahm er
unter Beachtung des Blutanteils und des
Exterieurs eine Aufteilung der Gestütspferde
in einen Reit- und Wagenschlag vor.
Gleichzeitig wurden die Stutenherden nach
Farben auf die einzelnen Vorwerke
aufgeteilt.
Eine weitere bahnbrechende Neuerung im Jahr
1787 - sie prägte das Gestütsleben bis zur
Neuzeit - war die Einführung des
Brandzeichens, der einfachen siebenzackigen
Elchschaufel.
Dies sollte fortan zum unverwechselbaren
Markenzeichen des ostpreußischen
Hauptgestüts werden.
In jener Zeit entstanden neben zahlreichen
Privatgestüten auch vier Landgestüte, die
von Trakehnen aus geleitet wurden, wo
erstmals als Landstallmeister Friedrich Carl
v. Brauchitsch residierte.

Nach den verheerenden Napoleonischen
Kriegen gelang Landstallmeister Friedrich v.
Burgsdorf eine überaus segensreiche
Aufbauarbeit in Trakehnen und Ostpreußen.
Lassen Sie mich nur die wichtigsten
„Großtaten“ dieses genialen und tüchtigen
Menschens nennen:
Erwerb einer Reihe hervorragender
Veredlungshengste arabischer Abstammung im
Orient und Import wertvoller Englischer
Vollblüter, Erweiterung des Hauptgestüts um
einige Vorwerke, Einführung der
Fruchtwechselwirtschaft und Ausbau der
Entwässerungskanäle, Gründung der ersten
Remontedepots,
Einführung von Prämierungen und
landwirtschaftlichen Ausstellungen.
Wir können uns freuen, dass wir Herrn
Erdmann v. Burgsdorf und seine Tochter als
Verwandte jenes verdienstvollen
Landstallmeisters unter uns haben.
Schon bald wurde Ostpreußen mit über 200
Remontemärkten zu der Remonteprovinz mit dem
dichtesten Pferdebestand Deutschlands. Die
Pferdezucht war mehr und mehr zu einem
Politikum geworden. In ihrem Zuchtziel
musste sie sowohl den neuen
Herausforderungen des Militärs als auch der
aufstrebenden Landwirtschaft Rechnung
tragen.
So folgten unterschiedliche züchterische
Perioden der Veredelung und Verstärkung
rasch aufeinander.
Trakehnen als Hauptgestüt musste dabei stets
Vorreiter sein.
Wieder eine glückliche Fügung: Ende des 19.
Jahrhunderts wurde ein bereits erfahrener
Gestütsdirektor mit vielseitigen Begabungen
und großem Durchsetzungsvermögen an die
Spitze des Hauptgestüts Trakehnen berufen,
Burkhard v. Oettingen.
Zielstrebig und konsequent führte er
Trakehnen in die Neuzeit.
Er baute nicht nur den Neuen Hof mit dem
Auktions- und Boxenstall und der Reitbahn,
sondern auch den Hauptbeschälerstall, die
Hengstpaddoks sowie 60 moderne Wohnhäuser
für die Bediensteten.
Auch die Entstehung vielfältiger
parkähnlicher Anlagen sind ihm zu verdanken.
Sein Lebenswerk reichte aber noch viel
weiter: Züchtung nach Leistung, dies war
seine züchterische Maxime.
Folglich wurden alle herangewachsenen Pferde
fortan in Trakehnen im Jagdfeld systematisch
erprobt.
v. Oettingen war auch derjenige, der solche
Spitzenvererber, wie Perfektionist xx und
Nana Sahib ox, in Trakehnen zum Einsatz
brachte.
Unter seiner Ägide wurde Trakehnen zum
modernsten Gestüt Europas und zu dem
sprichwörtlichen Paradies der Pferde.
Graf Sponeck, ein begnadeter Pferdemann und
Jagd- und Rennreiter, hatte 1913 die Leitung
in Trakehnen übernommen.
Er musste die schweren Zeiten des Krieges
durchstehen und den Wiederaufbau Trakehnens
leisten.
Mit seiner Amtszeit beginnt die
Erfolgsgeschichte der Trakehner
Leistungspferde im aufblühenden Turnier- und
Rennsport.
In der Nachkriegsperiode war nicht mehr das
schnelle und leichte Militärpferd gefragt,
sondern mehr das etwas kräftigere
umgängliche Wirtschaftspferd, das mühelos
seine Arbeit auch in der Landwirtschaft
verrichten konnte.
Der Aufgabe einer erneuten Verstärkung des
Trakehner Pferdes musste sich kein
Geringerer als Landstallmeister Siegfried v.
Lehndorff stellen.
Diese Herausforderung hat er unter strikter
Wahrung des Reinzuchtprinzips grandios
gemeistert.
Mit den Hauptbeschälern Dampfross,
Tempelhüter, Pirat, Jagdheld und Ararad, um
nur einige zu nennen, gelang ihm die
gewünschte Umformung in relativ kurzer Zeit.
Enormes hat dann in der Nachfolge der
letzte Landstallmeister Trakehnens, Dr.
Ernst Ehlert, geleistet. Als begabter
Hippologe konnte er die Trakehner Zucht bis
zu dem Zeitpunkt, als das schreckliche Ende
des Krieges nahte, zu einer bis dahin nicht
erreichten Blüte bringen.
Die ostpreußische Pferdezucht in bäuerlicher
Hand und auf den großen Gütern befand sich
zu jener Zeit gleichermaßen auf dem
Höchststand.
Trakehnen hatte in den 30-er Jahren
Kultstatus erreicht und war gleichsam zum
Wallfahrtsort pferdegegeisterter Menschen
aus aller Welt geworden. Im Sommer war der
Pilgerstrom mit monatlich ca. 4000 Besuchern
am größten.
Schon auf der Olympiade 1936 hatten die
ostpreußischen Pferde acht Medaillen
errungen. Eindrucksvoller konnte das große
sportliche Leistungsvermögen dieser Rasse
nicht unter Beweis gestellt werden.
Im Winter 1944/45 war es so weit: Der
grausame Krieg ging seinem bitteren Ende
entgegen.
Erst im allerletzten Augenblick konnten die
Menschen aus Ostpreußen gen Westen fliehen,
viele von ihnen in langen Trecks durch
Schnee und Eis über das zugefrorene Haff.
Darunter befanden sich auch die Menschen und
herrlichen Pferde aus Trakehnen. Nur wenige
erreichten den Westen Deutschlands und
überlebten. An eine Rückkehr war schon bald
nicht mehr zu denken.
Infolge des Kalten Krieges war das
Kaliningrader Gebiet und damit auch
Trakehnen über viele Jahrzehnte hinweg von
der westlichen Welt hermetisch abgeriegelt.
Erst Anfang der neunziger Jahre, als das
politische Tauwetter sowie Glasnost und
Perestroika es ermöglichten, durften
Deutsche, darunter auch Freunde des
Trakehner Pferdes, wieder erstmals in den
nördlichen Teil des ehemaligen Ostpreußens
reisen.
Die Besucher berichteten von der
überwältigenden Gastfreundschaft und der
Offenheit der russischen Bevölkerung.
Die Zukunft lässt sich nur in gegenseitigem
Respekt und friedlichem Miteinander
gestalten. Diese Erkenntnis aus der bitteren
Vergangenheit war von Anfang an in allen
Begegnungen spürbar.
Im Westen war längst bekannt, dass auf den
Wiesen und Weiden keine Trakehner Pferde
mehr grasten. Dennoch war bei den ersten
Besuchern die Enttäuschung riesengroß: Nur
wenig von dem, was die Größe, den Glanz und
die Einmaligkeit jenes Paradestücks der
Preußischen Gestütsverwaltung ausmachte, war
übrig geblieben.
Welch Wunder dennoch: Das
Landstallmeisterhaus, auch gern Trakehner
Schloss genannt, war weitgehend unversehrt
geblieben. Es hatte die Zeit überdauert.
Schon seit vielen Jahrzehnten hatte die
regionale Haupt- und Mittelschule im
Trakehner Schloss und dem ehemaligen
Reitburschenhaus ihre Heimstatt gefunden.
Ende der achtziger Jahre war die materielle
Lebensbasis der russischen Bevölkerung in
diesem Gebiet noch sehr schmal. Was konnte
Besseres geschehen, als den Menschen
uneigennützig mit wohltätiger Hilfe unter
die Arme zu greifen.
Große Zustimmung fand unter den Freunden
des Trakehner Pferdes in Deutschland und
anderen Teilen der Welt die Zielsetzung, das
Trakehner Schloss Schritt für Schritt zu
renovieren.
Dieses Haus - es war bereits 1790 erbaut
worden - war ehemals das Herzstück der
großzügig angelegten Gestütsanlage. In ihm
haben 12 Landstallmeister residiert.
Von dort aus haben sie bis zum Schluss die
Geschicke des Hauptgestüts gelenkt.
In dem großen Arbeitszimmer fanden die
wöchentlichen Beratungen des
Landstallmeisters mit seinen
Wirtschaftsdirektoren, Gestütsassistenten,
Tierärzten, dem Rentmeister und dem
Gestütsarchitekten statt.
In den Arbeitsräumen wurden vom
Landstallmeister selbst die Bedeckungs-,
Zucht-, und Aufstallungspläne erstellt.
Der Bedeutung dieses Hauses noch nicht
genug: In der Jagd- und Besuchssaison und
während der zweimaligen Reitpferdeauktionen
im Jahr waren im Trakehner Schloss viele
hochrangige Persönlichkeiten aus allen
Teilen der Welt zu Gast.
Verehrte Frau Sanjuk, nun haben Sie in der
Schloss Schule ihr “Reich“. Sie waren und
sind sich der traditionsreichen
Vergangenheit dieses Ortes voll bewusst.
Sicherlich können Sie sich noch gut an die
ersten Begegnungen mit Herrn v. Lenski und
später mit Herrn Hagen erinnern. Beide
Seiten spürten schon bald, dass sie im Grund
ihres Herzens die gleichen Ziele im Auge
hatten.
Den jungen Menschen, ja gerade den Schülern
und Schülerinnen, sollte eine
verheißungsvollere Zukunft eröffnet werden.
Gleichzeitig ging es darum, durch bauliche
Restaurierungsmaßnahmen das kulturelle Erbe
zu sichern und zu bewahren.
Auf Initiative des Trakehner Verbandes -
die Herren v. Lenski und Lars Gehrmann waren
die treibenden Kräfte - kam es 1993 zusammen
mit der Kreisgemeinschaft
Ebenrode/Stallupönen zur Gründung des
Vereins der Freunde und Förderer des
ehemaligen Hauptgestüts Trakehnen e. V.
Wir, Russen und Deutsche, können stolz auf
das Erreichte sein.
Die gemeinsamen Anstrengungen haben sich
gelohnt. Landstallmeisterhaus und
Reitburschenhaus zeigen sich nun in einem
neuen Kleid.
So wurden an den beiden Gebäuden nach und
nach umfangreiche bauliche
Erneuerungsmaßnahmen durchgeführt,
angefangen bei der Trockenlegung der
Grundmauern, dem Einbau neuer Fenster , der
Renovierung der Fassaden und der
vollständigen Erneuerung der Dächer.
Ohne großzügige Einzelspenden und
Zuwendungen, für die wir sehr dankbar sind,
wäre dieser bauliche Kraftakt nicht möglich
gewesen.
Die Menschen, die nach dem Krieg als Fremde
hier ihre neue Heimat gefunden haben,
mussten auch erst allmählich die historische
Vergangenheit erfahren. Sie wären
überfordert gewesen, das neu aufzubauen, was
untergegangen ist. Nur gemeinsam lässt sich
das Erbe und die Erinnerung daran bewahren.
Sie, verehrte Frau Sanjuk, und ihr
Lehrerkollegium werden alles in ihren
Kräften Stehende tun – davon sind wir
überzeugt -, um mit uns gemeinsam dafür zu
sorgen, dass Trakehnen weiterhin lebt.
Wie schön wäre es, wenn nicht nur der
ehemalige Turm schon bald wieder das
Trakehner Schloss zieren, sondern auch das
Tempelhüterdenkmal demnächst wieder an
seinen angestammten Platz vor dem Schloss
zurückkehren würde.
Ich komme zum Schluss und sage in voller
Überzeugung: Trakehnen ist für viele, die
die Menschen hier in Jasnaja Poljana mögen
und dieses Land und die Trakehner Pferde
lieben, wieder eine Reise wert.
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